feministische Raumgestaltung
Hallo!
Nach längerer Abwesenheit melde ich mich mal wieder. Mein heutiges Thema wird sich mit feministischer Raumgestaltung beschäftigen. Ein Thema, das für manche wenig erbaulich klingen mag, aber doch eine immer grössere Rolle spielt.
Es spielt eine Rolle, wer plant und entwirft, baut und entscheidet: Alltagserfahrungen und persönliche Geschichte prägen Maßstäbe und Zielsetzungen, auch beim Planen und Entwerfen.
So kann man feststellen, dass - als Frauen begannen, sich in die Architektur einzumischen - sie typischerweise Themenfelder besetzten, die ihrem Lebensalltag entsprangen: Wohnungsbau und soziale Infrastruktur, Küche und Hausarbeit. Das zeigen sowohl die Beispiele der utopischen Feministinnen auf dem amerikanischen Kontinent des 19. Jahrhunderts als auch die Projekte der ersten Architektinnen der Moderne im Europa des frühen 20. Jahrhunderts. Die sog. "utopischen Feministinnen" waren übrigens selten selbst Architektinnen, sondern zum Beispiel Pädagoginnen wie Marie Stevens Howland oder Sozialtheoretikerinnen wie Melusina Fay Pierce, die Erfinderin des Cooperative Housekeeping und der küchenlosen Häuser, oder politisch motivierte Feministinnen wie Charlotte Perkins Gilman, Erfinderin einer kollektiv organisierten Hauswirtschaftsindustrie und Autorin von 'Herland' (1915), der Utopie einer reinen Frauengesellschaften. Alice Constance Austin schließlich, eine Radikale aus der Oberschicht von Sta. Barbara, entwickelte eine ganze Stadt in Kalifornien, die mit ihren unterirdischen Transportsystemen einer umfassenden Ver- und Entsorgungsindustrie für einmal die Anforderungen der Hausarbeit zur Grundlage der Stadtentwicklung machte (vgl. hierzu: Hayden 1982). Daneben nehmen sich die Architektinnen der europäischen Moderne - wie zum Beispiel Grete Schütte-Lihotzky (1897-1998) mit ihren Beiträgen zur Entwicklung der modernen Einbauküche oder auch Lilly Reich (1885-1947) mit ihren Entwürfen für Möbel wie platzsparende Kochschränke oder für Boarding Houses - recht bescheiden aus. Dennoch haben all diese Frauen nachweislich auf den Gebieten, in denen sie als "Hausarbeiterinnen" qua Geschlecht sozusagen professionell tätig waren, jeweils eindrückliche und innovative Leistungen vollbracht.
Der durchschnittliche Planer / Architekt ist jedoch bis heute männlich, gut situiert, gesund, in den besten Jahren und hat in aller Regel einen entsorgten Alltag - entweder durch eine Ehefrau oder Lebenspartnerin, die ihm "den Rücken freihält" oder wie Statistiken bis heute belegen den Löwenanteil der Hausarbeit übernimmt, oder durch den Einkauf bzw. Zukauf entsprechender Dienstleistungen wie Reinigung, Putzhilfe, Gastronomie etc., die Frauen - auch als Singles und insbesondere als Alleinerziehende - aufgrund ihrer durchschnittlich schlechteren Einkommenssituation ungleich weniger zur Verfügung stehen. Die Leistungen dieser Planer sind damit nicht so hoch zu bewerten. Blinde Flecken in Architektur und Planung sind vorprogrammiert (gender blindness); Bedürfnisse an Architektur und Stadt, die sich aus den Anforderungen der Haus- und Versorgungsarbeit ergeben, spielen regelmäßig eine untergeordnete Rolle gegenüber den Anforderungen von Wirtschaft und Erwerbsarbeit (vgl. Bock u. a. 1993; Dörhöfer / Terlinden 1998).