Wieviel «Gleichberechtigung» verträgt das Land?

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Studie des Robert-Koch-Institutes über Gewalt an Frauen

Christine ⌂, Friday, 31.10.2008, 08:37 (vor 6262 Tagen)

Zunächst einmal ein Auszug aus dem dazugehörigen FOCUS-Artikel:

30.10.08, 16:42
Missbrauch
Jede dritte Frau erlebt Gewalt

Ein Drittel aller erwachsenen Frauen in Deutschland hat schon einmal körperliche Gewalt erlebt, jede vierte wurde mindestens einmal vom Partner missbraucht.

Körperliche und sexuelle Gewalt gegen Frauen sind in Deutschland an der Tagesordnung. Das belegen Zahlen des Robert-Koch-Instituts (RKI): Missbrauch durch den Partner hat jede vierte Frau seit dem 16. Lebensjahr mindestens einmal erlebt. Rechnet man Übergriffe auf der Straße oder am Arbeitsplatz hinzu, hat bundesweit etwa jede dritte erwachsene Frau mindestens einmal einen körperlichen Angriff auf sich erlebt.

Das Erlebnis von Missbrauch, Nötigung und Gewalt führt in vielen Fällen zu langjährigen gesundheitlichen Problemen. Dazu gehören laut RKI erhöhter Alkohol- oder Drogenkonsum, psychische Leiden wie Depressionen oder Panikattacken sowie gravierende Komplikationen bei späteren Geburten. Die Gewalt gegen Frauen ist nicht auf bestimmte soziale Schichten beschränkt, sondern kommt in der gesamten Gesellschaft vor.

http://www.focus.de/gesundheit/news/missbrauch-jede-dritte-frau-erlebt-gewalt_aid_344806.html

Nach dem Erscheinen des Berichtes über die Benachteiligung des Mannes hatte ich mich selbst gefragt, wie lange es wohl dauern wird, bis wieder ein Artikel folgt, der die "massive" Benachteiligungen der Frauen thematisiert. Nun ja, knapp 4 Wochen das geht ja noch, wir sollten also nicht meckern ;-)
Außerdem will ich massive Benachteiligung im Zusammenhang mit Gewalt nicht verharmlosen.

Nun hat im MANNdat-Forum jemand die Studie des Robert-Koch-Institutes gefunden http://www.rki.de/cln_100/nn_204544/DE/Content/GBE/Gesundheitsberichterstattung/GBEDownloadsT/gewalt,templateId=raw,p...

Bis jetzt habe ich nur stichprobenartig gelesen, z.B. 2.1.1. Forschungssituation und Gewaltbegriffe.
Dabei ist mir folgendes aufgefallen: Während bei der von Kindern und Jugendlichen erlittenen Gewalt erwähnt wird, das Jene oftmals selber welche ausüben, also nicht nur Opfer, sondern auch Täter sind, wird bei Frauen dieser Zusammenhang nicht erwähnt.
In der Studie heißt es weiter, das nicht genügend Forschungsmaterial über erlittene Gewalt an Kindern und Jugendlichen zur Verfügung steht. Man fragt sich spöttisch: Warum? Erwähnt wird in dieser Studie ebenfalls die Pilotstudie des BMFSFJ über Gewalt gegen Männer und auch hier heißt es, das noch nicht genügend geforscht wurde und dementsprechend diese Studie keine große Relevanz aufweist. Nun ja, wir kennen die Gründe.

Zuletzt möchte ich dann noch die Zusammenfassung betreffs Forschungsbedarf hier einstellen.

Forschungsbedarf
Im Vergleich zur Relevanz der Gewaltproblematik sind die vorhandenen Forschungs- und Datenlücken in Deutschland als beträchtlich einzuschätzen. Bislang wurden lediglich ausgewählte Zusammenhänge zwischen Gewalt und Gesundheit untersucht. Gesundheitsfolgen und Komorbiditäten (z. B. posttraumatische Belastungsstörung und Demenz) in spezifischen Zielgruppen (z. B. ältere Frauen mit sexualisierten Gewalterfahrungen) und daraus abzuleitender Versorgungsbedarf wurden bislang weitgehend vernachlässigt. Vergleichbar wenig erforscht ist die mögliche Potenzierung gesundheitlicher Folgen von Gewalt, die Rolle biografisch bedingter Risikofaktoren für Gewalterfahrungen und gesundheitliche Folgebeschwerden sowie die Frage nach geschlechtsspezifischen Unterschieden im Kontext sexueller und/oder häuslicher Gewalt. Hinzu kommt, dass die in der Tradition der Frauengesundheitsforschung stehende Untersuchung der gesundheitlichen Folgen von Gewalt bislang vorwiegend Frauen und Mädchen als Gewaltopfer in den Blick nimmt. Demgegenüber werden Jungen und Männer, z. B. als Betroffene von sexuellem Missbrauch und häuslicher wie außerhäuslicher Gewalt, erst seit wenigen Jahren überhaupt als eine relevante Opfergruppe wahrgenommen und als Zielgruppe gendersensibler Gesundheitsforschung und -versorgung definiert [36]. Für die (Weiter-)Entwicklung frauen- und männergerechter Versorgungskonzepte gilt es diese >black box« zum Problemkomplex Gewalt sowohl über gesundgeschlechtsspezifische als auch über gendersensible Forschungsprojekte weiter zu erhellen. Eine zentrale Grundlage hierfür sind einheitliche Datenerfassungssysteme, die konsistente Informationen
bereitstellen.
Darüber hinaus sind die gesundheitlichen Folgen von Gewalt bei besonders vulnerablen Bevölkerungsgruppen (z. B. Migrantinnen und Migranten sowie Flüchtlinge, Obdachlose, Menschen mit Behinderungen, Prostituierte) noch weitgehend unerforscht. Hier spielt neben physischer und sexualisierter Gewalt auch die psychische Gewalt in Form von gesellschaftlichen und im sozialen Nahraum erfahrenen Diskriminierungen und Einschränkungen eine besondere Rolle. Versorgungskonzepte, die kultursensibel und kompetent Unterstützung für diese Zielgruppen auch im Bereich der Gesundheitsversorgung bereitstellen, sind bislang in Deutschland kaum entwickelt. Schließlich fehlt es weiterhin an Instrumenten einer kontinuierlichen Wirksamkeitsanalyse von Interventionen und Präventionsmaßnahmen in der Praxis, die es ermöglichen festzustellen, ob die Maßnahmen tatsächlich zielgerichtet und erfolgreich implementiert werden können und wo gegebenenfalls Modifizierungen und Weiterentwicklungen sinnvoll sind.

Ich glaube, ich brauche hier keine Wetten abzuschließen, welches Forschungsprojekt als nächstes vergeben wird.
Allerdings stelle ich mir die Frage, nachdem das BMFSJF zumindest einen Forschungsauftrag über Kindergewalt in Auftrag gegeben hat, ob diese noch vor der nächsten Studie über Gewalt an Frauen erscheinen wird.
So, nun widme ich mich der kompletten Studie.

Gruß - Christine

--
Es ist kein Merkmal von Gesundheit, wohlangepasstes Mitglied einer zutiefst kranken Gesellschaft zu sein

Ooch, diese armen hilflosen, kleinen Opferlämmchen... LOL ... (nT)

Swen, Friday, 31.10.2008, 11:44 (vor 6262 Tagen) @ Christine

Zunächst einmal ein Auszug aus dem dazugehörigen FOCUS-Artikel:

30.10.08, 16:42

Kurzinfo zu o.g. Studie des Robert-Koch-Institutes

Christine ⌂, Friday, 31.10.2008, 14:54 (vor 6262 Tagen) @ Christine

Kurzinfo zu o.g. Studie des Robert-Koch-Institutes / Statistisches Bundesamt

Gesundheitliche Folgen von Gewalt
unter besonderer Berücksichtigung von häuslicher Gewalt gegen Frauen

Auszüge:

Seite 8/9

Gesundheitliche Auswirkungen von Gewalt gegen männliche Jugendliche und erwachsene Männer in unterschiedlichen sozialen Kontexten stellen ein weitgehend vernachlässigtes Forschungsgebiet dar. Die Ergebnisse der nicht repräsentativen deutschen Pilotstudie >Gewalt gegen Männer« [15] lassen jedoch erkennen, dass Jungen und Männer insgesamt einem beträchtlichen Risiko körperlicher, psychischer und sexualisierter Gewaltübergriffe unter anderem im öffentlichen Raum und in institutionellen Settings (z. B. Schule, Arbeitsplatz, Haftanstalt etc.), aber auch in Partnerschaftsbeziehungen, ausgesetzt sind.
Die Forschungslage zu Männern als Opfer von Gewalt, insbesondere im sozialen Nahraum, ist jedoch bislang noch kaum entwickelt. Der Kenntnisstand über Ausmaß, Ursachen und Ausprägungen von Gewalt sowie über Behandlungs- und Unterstützungsbedarf männlicher Gewaltopfer
ist in Deutschland entsprechend gering.

Aus diesem Grund liegt der Schwerpunkt des vorliegenden Themenheftes auf Frauen und Kindern als Betroffenengruppen.

Seite 10

2.1.2 Ausmaß und Formen der Gewalt gegen Frauen

Zur Feststellung des Ausmaßes von Gewalt gegen Frauen liegen inzwischen zahlreiche nationale und internationale Studien vor (vgl. im Uberblick: [11, 21]).

Seite 13

Untersuchungen verweisen zudem auf geschlechtsspezifische Auswirkungen, die für
Mädchen das Risiko erhöhen, im Erwachsenenalter selbst Opfer von Partnergewalt zu werden [3, 49]. Jungen, die väterliche Gewalt gegenüber der Mutter lange Zeit miterleben mussten, tragen ein erhöhtes Risiko, frühere Gewalterfahrungen als spätere Täter in Familie, Partnerschaft und anderen Lebensbereichen weiterzugeben [47, 50]; aber auch ein erhöhtes Risiko von Viktimisierungen im späteren Lebensverlauf ist hier möglich.
_____________________________

Der von mir ab Seite 13 genannte Text sagt genau das aus, was das BMFSFJ vor Jahren mit einer Plakataktion verbreiten wollte, welche aber durch unsere Proteste zurück genommen wurde.
Wer in einer Studie der Meinung ist, nur die eine Seite benennen zu müssen, also hier die Auswirkungen väterlicher Gewalt auf Jungen, nicht aber die Auswirkungen mütterlicher Gewalt, der hat sich in meinen Augen disqualifiziert.
Aus den genannten Gründen habe ich die Studie nicht weiter gelesen.

Gruß - Christine

--
Es ist kein Merkmal von Gesundheit, wohlangepasstes Mitglied einer zutiefst kranken Gesellschaft zu sein

Kurzinfo zu o.g. Studie des Robert-Koch-Institutes @ Christine

Eugen, Friday, 31.10.2008, 22:54 (vor 6262 Tagen) @ Christine

Liebe Christine,

die Qualität und Sachlichkeit deiner Beiträge, so wie die Beständigkeit deines Engagements sind wirklich eine Lichblick im Dunkel der Foren! Musste einfach mal gesagt werden.

Dank und Gruß
vom Eugen

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Kurzinfo zu o.g. Studie des Robert-Koch-Institutes / Statistisches
Bundesamt

Gesundheitliche Folgen von Gewalt
unter besonderer Berücksichtigung von häuslicher Gewalt gegen Frauen

Auszüge:

Seite 8/9

Gesundheitliche Auswirkungen von Gewalt gegen männliche Jugendliche und
erwachsene Männer in unterschiedlichen sozialen Kontexten stellen ein
weitgehend vernachlässigtes Forschungsgebiet dar. Die Ergebnisse der nicht
repräsentativen deutschen Pilotstudie >Gewalt gegen Männer« [15] lassen
jedoch erkennen, dass Jungen und Männer insgesamt einem beträchtlichen
Risiko körperlicher, psychischer und sexualisierter Gewaltübergriffe unter
anderem im öffentlichen Raum und in institutionellen Settings (z. B.
Schule, Arbeitsplatz, Haftanstalt etc.), aber auch in
Partnerschaftsbeziehungen, ausgesetzt sind.
Die Forschungslage zu Männern als Opfer von Gewalt, insbesondere im
sozialen Nahraum, ist jedoch bislang noch kaum entwickelt. Der
Kenntnisstand über Ausmaß, Ursachen und Ausprägungen von Gewalt sowie über
Behandlungs- und Unterstützungsbedarf männlicher Gewaltopfer
ist in Deutschland entsprechend gering.

Aus diesem Grund liegt der Schwerpunkt des vorliegenden Themenheftes
auf Frauen und Kindern als Betroffenengruppen.

Seite 10

2.1.2 Ausmaß und Formen der Gewalt gegen Frauen

Zur Feststellung des Ausmaßes von Gewalt gegen Frauen liegen inzwischen
zahlreiche nationale und internationale Studien vor (vgl. im Uberblick:
[11, 21]).

Seite 13

Untersuchungen verweisen zudem auf geschlechtsspezifische Auswirkungen,
die für
Mädchen das Risiko erhöhen, im Erwachsenenalter selbst Opfer von
Partnergewalt zu werden [3, 49]. Jungen, die väterliche Gewalt gegenüber
der Mutter lange Zeit miterleben mussten, tragen ein erhöhtes Risiko,
frühere Gewalterfahrungen als spätere Täter in Familie, Partnerschaft und
anderen Lebensbereichen weiterzugeben [47, 50]; aber auch ein erhöhtes
Risiko von Viktimisierungen im späteren Lebensverlauf ist hier möglich.
_____________________________

Der von mir ab Seite 13 genannte Text sagt genau das aus, was das BMFSFJ
vor Jahren mit einer Plakataktion verbreiten wollte, welche aber durch
unsere Proteste zurück genommen wurde.
Wer in einer Studie der Meinung ist, nur die eine Seite benennen zu
müssen, also hier die Auswirkungen väterlicher Gewalt auf Jungen, nicht
aber die Auswirkungen mütterlicher Gewalt, der hat sich in meinen Augen
disqualifiziert.
Aus den genannten Gründen habe ich die Studie nicht weiter gelesen.

Gruß - Christine

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