Wieviel «Gleichberechtigung» verträgt das Land?

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die Femme Fatale Alma Mahler-Werfel

Dalai, Thursday, 30.10.2008, 13:55 (vor 6263 Tagen)

Meine Männer müssen heller werden

Die Frau als Monster: eine verstörende Biografie über Alma Mahler-Werfel

Als es einsam wurde um Alma Mahler-Werfel, wagte die grande veuve eine letzte Inszenierung. Der Nachwelt wollte die Witwe von Mahler und Werfel, geschiedene Gropius, als eine Frau in der Erinnerung bleiben, die sich bis zur Selbstaufgabe geopfert hatte – den Männern und der Kunst – und so einem düsteren Jahrhundert das Licht brachte. Aus Almas Memoiren sollte ein JugendstilMusen-Tempel entstehen. Doch die angeheuerten Ghostwriter scheiterten. Ihre Auftraggeberin konnte für die Wahrheit nur wenig Begeisterung aufbringen, die Aufzeichnungen des einstmals „schönsten Mädchens von Wien“ klirrten vor Kälte und Antisemitismus. Schließlich ließ Alma in einer glättenden Zusammenstellung ihres Lebens „die ganze Judenfrage in die Versenkung verschwinden“. Was übrig blieb, waren Anekdoten einer sinnlichen Sirene, die sich Anfang der Sechzigerjahre reißend verkauften – als schwer parfümierter Edelporno im Intellektuellenmilieu.

Während Alma heute noch als größte Femme Fatale des 20. Jahrhunderts gepriesen wird und ein ihr gewidmetes Musical demnächst in Hollywood Premiere feiert, wagt Oliver Hilmes, der üppigen Circe den Schleier zu entwinden (Witwe im Wahn, Siedler Verlag, 480 S., 24 €). Der junge Historiker stieß in Philadelphia auf den weitgehend unerforschten Nachlass Alma Mahler-Werfels, die 1964 in New York gestorben war. In Archivkartons fanden sich auch verschollen geglaubte Tagebücher, die Alma selbst nur in entschärfter Form in ihre Memoiren einfließen ließ. Wer sie aufschlägt, ist verstört.

Von innerer Leere getrieben, schickt Alma sich an, die Welt der Männer zu unterwerfen. „Sie hat ein unglaubliches Talent gehabt, Sklaven zu machen“, nennt das ihre Tochter Anna. Wer sich dem erotisch verbrämten Angriffskrieg entzog, galt fortan als Feind. Ihre erste Witwenschaft mit 32 Jahren nutzte Alma geschickt, um ihre gesellschaftliche Stellung zu festigen. Mahler hatte sich nicht in die Salons gedrängt, sein inneres Feuer brauchte keine Funken stiebenden Bewunderer. Alma dagegen war auf der Suche und verübelte Mahler seine Unabhängigkeit. Sie setzte den Mythos in die Welt, er habe ihr das Komponieren verboten. Das brachte ihr später Beachtung durch feministische Musikseminare ein, war aber eine Lüge, wie Hilmes beweist.

Wild erscheint bei Alma vor allem ihr Antisemitismus, der sie nicht davon abhielt, Juden zu Liebhabern oder Ehemännern zu machen. Im Gegenteil. Sie, das große, helle, arische Weib – ihre Männer kleine, hässliche, dunkle Juden. Alma hatte ihre Mission gefunden: „Hellermachen“ war ihr Ziel, Unterwerfung ihr Weg. Sie forderte von Werfel die Abkehr von seinem Glauben, paktierte mit dem Austrofaschismus, sah in Hitler „eine Art Luther“ und ging doch ins Exil: „Ich werde jetzt mit einem artfremden Volk bis an Ende der Welt wandern müssen.“ Alma, so legt Hilmes nahe, verpasste Werfel nach dessen Tod 1945 auch die katholische Taufe. Ein letzter Sieg.

Trotzdem gingen die Exilintellektuellen bei Alma ein und aus. Auch Thomas Mann ließ sich gerne von ihr abspeisen, mit Rebhühnern. Nach einer Dinnerparty bei Alma notierte er in sein Tagebuch: „Unsinn. Aß und trank zuviel.“ Die Hausherrin verschwand gerne in Nebeln aus Champagner und Benedictine. Nach der Lektüre von Hilmes' erfrischend kühler Biografie sind die Sinne schlagartig klar und Alma taucht auf: so monströs wie ihr Jahrhundert.

Ulrich Amling


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