Versorgungsausgleich
Deutscher Bundestag - Wissenschaftliche Dienste
Nr. 65/08 (28. Oktober 2008)
Versorgungsausgleich
Bei einer Ehescheidung werden die während der Ehezeit erworbenen Versorgungsanwartschaften
hälftig geteilt (Versorgungsausgleich, §§ 1587 ff. Bürgerliches Gesetzbuch, BGB). Entsprechende Versorgungsanwartschaften sind etwa Anrechte auf Rente aus Sozialversicherung, Beamtenpensionen, Abgeordnetenversorgung, betriebliche Ruhegehälter, Renten aus berufsständischen Versorgungswerken (Rechtsanwälte, Ärzte), Zusatzversorgungen des Bundes oder der Länder und Leistungen aus bestimmten privaten Rentenversicherungen. Der hälftige Ausgleich wird als gerecht angesehen, weil die eheliche Verbundenheit gleiche Teilhabe erfordere und etwaige ehebedingte Ungleichheiten ausgeglichen werden sollen (Stichwort "Hausfrauenehen"). Der Bundestag befasst sich zurzeit mit einer von der Bundesregierung angestrebten grundlegenden Strukturreform des Versorgungsausgleichs (Entwurf eines Gesetzes zur Strukturreform des Versorgungsausgleichs
- VAStrRefG - vom 20. August 2008, BT-Drs. 16/10144).
Grundlagen des geltenden Systems
Der Versorgungsausgleich in der heutigen Gestalt wurde 1977 in das BGB eingeführt. Er sieht eine Verrechnung aller in der Ehezeit erworbenen Anrechte aus allen unterschiedlichen Versorgungen mit anschließendem Ausgleich der Wertdifferenz vor (Einmalausgleich). Die verschiedenen Versorgungsrechte - beispielsweise aus gesetzlicher Rente, betrieblicher Zusatzversorgung, Lebensversicherung, Riester-Rente - müssen deshalb vergleichbar gemacht werden. Dafür nimmt der Familienrichter eine auch in die Zukunft gerichtete Bewertung jedes einzelnen Anwartschaftsrechts vor und stellt dieses in eine Bilanz ein (Prognoseprinzip). Versorgungsanrechte, die nicht wie die Anrechte aus der gesetzlichen Rentenversicherung in ihrem Wert steigen, werden dabei nicht mit dem monatlichen Nominalbetrag eingestellt, sondern mit einem umgerechneten, einem "dynamisierten" Betrag. Eigens zur Berechnung der Dynamisierung dient eine gesonderte Rechtsverordnung, die sog. Barwertverordnung.
Das vorstehend beschriebene Verfahren ist nicht nur äußerst komplex, sondern verursacht zum Teil ganz grundsätzliche Schwierigkeiten. So stoßen richterliche Bemühungen, die unterschiedlichsten, komplexen Vorsorgesysteme und die aus ihnen resultierenden Anwartschaften zu vergleichen und schließlich für die Bilanz auf einen konkreten Wert "herunterzurechnen", bisweilen an kaum überwindbare Grenzen, wie etwa mangelnde Übertragbarkeit oder Prognostizierbarkeit. Das kann insbesondere zur Folge haben, dass betriebliche und private Anrechte nicht bereits bei der Scheidung vollständig und endgültig zwischen den Eheleuten geteilt werden können und die geschiedenen Eheleute sich daher nach vielen Jahren noch einmal über Fragen der Versorgung auseinandersetzen müssen. Allgemein werden die vorgesehenen Korrekturmöglichkeiten in der Praxis allerdings selten genutzt und gelten als schwerfällige Instrumente (vgl. hierzu etwa das Gesetz zur Regelung von Härten im Versorgungsausgleich, VAHRG).
Reformbedarf und Reformansatz
Das System des Versorgungsausgleichs ist mehrfach durch kritische Rechtsprechung bemängelt worden: So forderte der Bundesgerichtshof (BGH) den Verordnungsgeber in einem Beschluss vom September 2001 auf, die Barwertverordnung bis Ende 2002 zu aktualisieren. Im Juli 2006 befand das Oberlandesgericht Oldenburg verschiedene Regeln zum Ausgleich von Renten und anderen Versorgungsrechten nach der Scheidung von Ehepartnern für verfassungswidrig. Auch in der Literatur wird seit Längerem eine grundlegende Systemreform für notwendig erachtet. Diese grundlegende Reform strebt die Bundesregierung nunmehr mit dem vorliegenden VAStrRefGEntwurf an:
So soll in Zukunft grundsätzlich jedes Anrecht auf eine Versorgung intern oder extern real geteilt werden. Interne Teilung bedeutet, dass der jeweils ausgleichsberechtigte Ehegatte einen direkten eigenen Anspruch auf eine Versorgung bei dem Versorgungsträger des anderen ausgleichspflichtigen Ehegatten erhält. Dies soll besser als bisher eine gerechte Teilhabe an jedem in der Ehe erworbenen Anrecht und vor allem an dessen künftiger Eertentwicklung garantieren und Wertverzerrungen wie im geltenden Recht vermeiden. Auch betriebliche und private Anrechte sollen so, anders als nach bislang geltendem Recht, schon bei der Scheidung vollständig und endgültig zwischen den Eheleuten geteilt werden können. Ausnahmsweise soll eine externe Teilung - also die Begründung eines Anrechts bei einem anderen Versorgungsträger - stattfinden, wenn der ausgleichsberechtigte Ehegatte und der Versorgungsträger des ausgleichspflichtigen Ehegatten dies vereinbaren. Auch bei Bagatellwerten soll bei entsprechendem Wunsch des Versorgungsträgers des ausgleichspflichtigen Ehegatten eine externe Teilung erfolgen.
Da der reformierte Versorgungsausgleich jedes Anrecht auf die vorstehend beschriebene Art intern oder extern teilt und auf eine Saldierung aller Versorgungen verzichtet, müssen die Anwartschaften nicht mehr miteinander vergleichbar gemacht werden. Die komplexen und fehleranfälligen Prognosen würden damit ebenso entbehrlich wie die Barwertverordnung, die durch das VAStrRefG außer Kraft treten soll.
Diskussion und Kritik
Das im Entwurf enthaltene Prinzip der internen Teilung wird von Teilen der Fachöffentlichkeit kritisch gesehen. So komme insbesondere auf die Versorger ein außerordentlich höherer Verwaltungsaufwand zu, der Bürokratiekosten verursache - die letztlich auf die Eheleute abgewälzt werden könnten und dadurch die Renten schmälerten. Dies werde gerade auch bei der betrieblichen Altersvorsorge deutlich: Ließen sich etwa 100 Arbeitnehmer eines Betriebes scheiden, dann hätte dieser Betrieb fortan nicht mehr nur diese 100 Arbeitnehmer, sondern auch die 100 geschiedenen Ehegatten zu betreuen. Nachteilig für die Ehegatten sei zudem, dass sie es regelmäßig mit einer Vielzahl von Versorgungsträgern zu tun bekämen: Gehe man von einem Drei-Schichten-Modell der Altersvorsorge aus, dann hätten es die Ehegatten künftig mit fünf Versorgungsträgern mit zum Teil Mini-Anwartschaften zu tun, was nicht sachgerecht sei.
Überwiegend wird der beabsichtigte Systemwechsel jedoch deutlich positiv aufgenommen. Grund dafür sind vor allem die o. g. beträchtlichen Schwierigkeiten bei der Handhabung des geltenden Systems, die sich auch für die betroffenen Eheleute als belastend erweisen können - namentlich, wenn viele Jahre nach einer vollzogenen Scheidung Korrekturen erforderlich werden.
Der Rechtsausschuss des Deutschen Bundestags beabsichtigt, am 3. Dezember 2008 eine öffentliche Anhörung zum VAStrRefG-Entwurf durchzuführen.
Ausgewählte Quellen:
- Bundesregierung, Entwurf eines Gesetzes zur Strukturreform des Versorgungsausgleichs (VAStrRefG) vom
20. August 2008, BT-Drs. 16/10144.
- Gesetz zur Regelung von Härten im Versorgungsausgleich vom 21. Dezember 1983 (BGBl I, S. 105), zuletzt geändert
durch Artikel 24 des Gesetzes vom 9. Dezember 2004 (BGBl I, S. 3242).
- Verordnung zur Ermittlung des Barwerts einer auszugleichenden Versorgung nach § 1587a Abs. 3 Nr. 2 und Abs. 4
des Bürgerlichen Gesetzbuchs (Barwertverordnung) vom 24. Juni 1977 (BGBl. I S. 1014), zuletzt geändert durch
Artikel 1 der Verordnung vom 2. Juni 2008 (BGBl. I S. 969).
- Abschlussbericht der Kommission Strukturreform des Versorgungsausgleichs vom 27. Oktober 2004, abrufbar
unter http://www.bmj.bund.de/files/-/782/Abschlussbericht.pdf (Stand: 22. Oktober 2008).
- BGH, Beschluss vom 5. September 2001, Az. XII ZB 121/99.
- Gernhuber/Coester-Waltjen, Familienrecht, 5. A. 2006, § 28.
- Elden/Haußleiter, Der neue Versorgungsausgleich, Neue Juristische Wochenschrift Spezial (NJW-Spezial) 2008,
S. 484 f.
- Ruland, Die vorgesehene Strukturreform des Versorgungsausgleichs, in Neue Zeitschrift für Sozialrecht (NZS)
2008, S. 225 ff.
- Bergner, Die reformbedürftige Strukturreform des Versorgungsausgleichs, Zeitschrift für Rechtspolitik (ZRP) 2008,
S. 211 ff.
http://www.bundestag.de/wissen/analysen/2008/versorgungsausgleich.pdf
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Es ist kein Merkmal von Gesundheit, wohlangepasstes Mitglied einer zutiefst kranken Gesellschaft zu sein
Versorgungsausgleich
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Versorgungsausgleich
Ministerin Zypries weist Einwände zurück: "Ein wenig mehr Bürokratie" sei im Vergleich mit den herrschenden Mängeln das geringere Übel.
Da steckt eine Menge Dummheit und Arroganz drin, denn 1. geht die "mehr Bürokratie" zu Lasten der Rentenbezieher und 2. ist der große Mangel des Versorgungsausgleiches, dass es keine wirkliche Scheidung in der BRD gibt. Die Rentenkonten bleiben lebenslang verflochten. Bei jeder Änderung in der Rentenversicherung müssen alle Versorgungsausgleiche neu berechnet werden, selbst wenn die Scheidung vor 30 Jahren war.