Nachdenkliche Töne einer lesbischen Feministin - Frieden?
So langsam lernen sie dazu. Männer in die Kollektivschuld zu nehmen, sei ein Fehler, meint die Autorin. Allerdings könne sie verstehen, wie es dazu gekommen sei bei all der Gewalt Männer gegen Frauen. (was ich dazu denke, muss ich wohl nicht mehr sagen.)
Der Beitrag hat mich dennoch irgendwie berührt, weshalb ich diesen Strang aufmache:
Zitate:
In der ARD-Talk-Sendung "Menschen bei Maischberger" (Thema: "Lebenslüge Feminismus?") erfuhr ich nur aus einem Untertitel, dass der teilnehmende Väter- und Geschlechterforscher Gerhard Amendt behauptet hatte, der Feminismus habe die Geschlechterbeziehungen beschädigt. Er wagte nicht, dies in der Sendung zu wiederholen, und wich aus, als er danach gefragt wurde. Inzwischen habe ich mich im Internet kundig gemacht: Amendt verfasste eine Studie über Scheidungsväter und engagierte sich in dem Verein "Väteraufbruch für Kinder". Auf einer Internetseite dieser Gruppierung schreibt er, er setze seine Hoffnung auf junge Männer und Frauen, "deren Generation den verdammenden Feminismus und das sprachlose männliche Wegducken nur als Rückblick auf einen Kosmos von schwer nachvollziehbaren Feindseligkeiten kennengelernt hat. Das sind wegweisende Anzeichen dafür, dass die alle Veränderungen lähmende Spaltung der Geschlechter in gute Frauen und gute Mütter und böse Männer und schlechte Väter und umgekehrt sich allmählich entschärft". In einem Zeitschriftenartikel mit dem Titel Wider die Verteufelung und die Verherrlichung des Männlichen schrieb er 1999: "Wer wird ernsthaft die Konflikte zwischen Männern und Frauen verleugnen wollen? Dass Männer dabei die Bösen und Frauen die Guten seien, zeugt zwar von Realitätsblindheit. Nur, sie ist weit verbreitet. Sie beherrscht das Gros feministischer Forschung - einmal ganz grobschlächtig, dann wieder feinsinnig, und sie beherrscht das Alltagsbewusstsein. Statt die Gegenseitigkeiten des Geschlechterarrangements zu verstehen, reimt sich feministische Forschung fast immer auf weibliche Opfer und männliche Täter; und das, wie gesagt, nicht im kleinen, sondern im universellen Maßstab. Und wer schuldig ist, trägt selbstverständlich auch die Verantwortung für die Geschichte - auch das universell" (DER STANDARD 3.11.99, Seite 73).
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Doch mir persönlich ist in diesen Jahren kein solches Unrecht angetan worden. Weder im privaten noch im beruflichen Umfeld kann ich mich über das konkrete Verhalten von Männern mir gegenüber beklagen. Und auch meine Gewalterfahrungen als Kind verteilen sich ziemlich gleichmäßig auf Männer und Frauen. Mit welchem Recht stellte ich also Männer unter Generalverdacht?
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Damals hatten sich noch nicht alle Männer mit ihrem Ausschluss aus bestimmten öffentlichen Veranstaltungen abgefunden. So kam es an der Kasse immer wieder zu recht unerfreulichen Auseinandersetzungen. Besonders unangenehm berührte mich, dass bei dieser Veranstaltung der 8-jährige Sohn einer Mitveranstalterin die Aufgabe übernahm, die Männer mit dem Ruf "Männer raus!" zu vertreiben. Ich fand das wirklich schlimm, aber es führte nicht dazu, dass ich etwas dagegen unternahm. Ich stellte der Mutter nur die Frage, ob sie nicht befürchte, dass sich diese Erfahrung negativ auf ihren Sohn auswirken könnte. Denn immerhin werde aus ihm doch auch einmal ein Mann.
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Bei einem Bundestreffen, das wie immer als selbstorganisierte Tagung gestaltet war, bot ich eine Arbeitsgruppe für Frauen an, da ich fand, dass vom feministischen Aufbruch in dieser Bewegung noch nichts zu spüren war. Als Aufhänger diente mein Ärger über einen Mitstreiter, der als Schulleiter der bisher einzigen "Freinetschule" in Deutschland eine besondere Stellung in der Bewegung hatte. Einige Äußerungen in einem seiner Artikel in unserer Zeitschrift "Fragen und Versuche" hatte ich als frauenfeindlich empfunden. In der Arbeitsgruppe entwickelte sich daraus eine sehr aggressive Dynamik, die ich nicht mehr stoppen konnte. Einerseits war ich ambivalent und daher unentschlossen, andererseits war ich auch einfach zu feige, eindeutig dagegen Stellung zu beziehen: Mit einem kämpferischen Frauenbewegungsslogan auf einem riesigen Transparent zogen wir schließlich am Abend ins Plenum ein und verlangten von dem "Übeltäter", dass er seine Äußerungen zurücknahm und sich entschuldigte. Da dieser keine "Einsicht" zeigte, wurde das Plenum zum Tribunal. Sofort kam es zu einer Polarisierung: Bis auf eine Frau, die ich dafür sehr hasste, stellten sich alle anwesenden Frauen auf unsere Seite und überschütteten die anwesenden Männer, besonders aber den "Angeklagten", mit Vorwürfen. Schließlich fing ein Freund von mir zu weinen an über das, was dort an positiven Beziehungen zerstört zu werden drohte. Dies stoppte die Dynamik so weit, dass wir das Plenum auflösen und uns in Einzelgesprächen etwas beruhigen konnten. Doch die Auseinandersetzung ging (ohne mich) mit unverminderter Schärfe in der Zeitschrift weiter. Undenkbar erschien es mir damals, anderen Frauen durch öffentliche Kritik "in den Rücken zu fallen", auch wenn mir gar nicht gefiel, was aus meiner Initiative entstanden war.
So wie in dieser Situation war ich auch sonst oft stillschweigend dagegen, wenn Männer ungerecht angegriffen wurden oder wenn ich selbst nicht einsah, warum Männer aus allen Veranstaltungen ausgeschlossen werden mussten. Ich bedauerte es zwar, dass unsere Gastgeber in Berlin, die uns fünf Frauen eine Woche lang beherbergten, zu keiner einzigen Veranstaltung im Rahmen der Frauensommeruniversität zugelassen waren, denn sie waren wirklich aufgeschlossen und interessiert. Ich sprach das aber noch nicht einmal gegenüber den anderen Gästinnen an, geschweige denn hätte ich es in eine der öffentlichen Diskussionen eingebracht. Mein Entsetzen über "männerfreie" Wohngemeinschaften, in denen auch Brüder und Väter der Bewohnerinnen nicht zu Besuch kommen durften, und über ein Mädchenbuch, in denen die Protagonistin jubelt, wenn es in der Schule "jungsfrei" gibt, führte zwar schließlich dazu, dass ich mich mehr und mehr von dieser Art Feminismus zurückzog. Doch die notwendigen Auseinandersetzungen führte ich immer noch sehr wenig und zaghaft.
Bei der Vorbereitung der Lesbenfilmtage geriet ich einmal in eine Diskussion über die Organisation von "Schutz" gegen befürchtete Angriffe feindseliger Männer. Einige Frauen waren der Meinung, da die Polizei uns sicher nicht schützen würde, wäre auch eine Bewaffnung der "Schutz"-Frauen angebracht. Auch hier brachte ich meinen Mund nicht auf, war aber dankbar, dass andere Frauen dieses Ansinnen vorsichtig zurückwiesen. Dies änderte nichts daran, dass einige "Schutz"-Frauen Männer äußerst aggressiv verjagten, auch wenn diese ohne böse Absichten in die Kino- und Caféräume hineinstolperten, die normalerweise für alle offen waren.
Ich war also oft stillschweigend dagegen. Aber vielleicht sind Männer das auch?
Traumatisierungen zwischen Frauen und Männern
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Wer gegen Monster kämpft, muss achtgeben, nicht selbst zum Monster zu werden - Nietzsche