Die Verstaatlichung der Kinder
Hallo Bill!
Zu diesem Artikel bin ich geteilter Meinung. Erstmal schon wieder das hier:
Durch die Umlagefinanzierung findet sogar ein starker Transfer von den Familien mit Kindern zu den Kinderlosen statt: Während die Kosten der Kindererziehung und der "Humankapitalbildung" trotz mancherlei staatlicher Zuschüsse überwiegend doch noch die Eltern tragen, werden die materiellen "Erträge" der Kinder kollektiv vereinnahmt und sozialisiert.
Diesen angeblichen Transfer von Menschen mit Kindern hin zu kinderlosen Menschen sehe ich im realen Leben nirgends. Die Transferleistungen, die ich real sehe, laufen genau entgegengesetzt. Da tragen die Kinderlosen die höhere Steuerlast, da finanzieren die Kinderlosen Schulen, Kindertagesstätten, Kindergeld und diverse andere Leistungen für Kinder und Mütter mit, ohne irgendeinen Vorteil davon zu haben, da zahlen die Kinderlosen höhere Beiträge für die Pflegeversicherung...
Welche "materiellen Erträge der Kinder" sieht der Autor überhaupt? Glaubt er ernsthaft, daß durch Kinder der Konsum angekurbelt wird, oder wie soll das gemeint sein? Sicher - es gibt Firmen, die stark davon profitieren, wenn es viele Kinder gibt und die Eltern dieser Kinder möglichst viel Kaufkraft haben: Hersteller von Kinderbekleidung, von Spielzeug, von Spielekonsolen und Spielen, die Musikindustrie... Ist das also so gemeint, daß Eltern diese Firmen am Laufen halten? Glaubt der Autor ernsthaft, die Menschen würden sonst mit ihrem Geld die Wände tapezieren, wenn es keine Kinder gäbe???
Allerdings hat der umfassende Sozialstaat, der im zwanzigsten Jahrhundert aufgebaut wurde, eine Absicherung gegen alle Wechselfälle des Lebens versprochen - und dabei die familiären Netzwerke der Solidarität geschwächt, wie Habermann kritisiert.
Das stimmt so auch nicht. Richtig ist, daß die Industrialisierung sich fatal auf den Familienzusammenhalt ausgewirkt hat. Vorher gab es im einfachen Volk fast nur Bauern oder Handwerker. Bei den Bauern wurde jede Hand gebraucht - das allein hielt dort schon die Familien zusammen. Bei Handwerkern war es ähnlich, denn die Zunftregeln begrenzten die Zahl der Mitarbeiter der Handwerksbetriebe, so daß es üblicherweise Familienbetriebe waren. Auch wenn ein Bauer oder Handwerker Leute angestellt hatte, wurden die weitgehend in die Familie integriert und im Alter üblicherweise nicht einfach auf die Straße gesetzt.
Als dann immer mehr Menschen in Fabriken arbeiteten, änderte sich das grundlegend. Kinder von Bauern verließen die Höfe ihrer Eltern, um in irgendeiner Fabrik zu arbeiten. So standen die Eltern dann immer öfter im Alter allein da. Den Kindern wiederum erging es später ähnlich: Auch wenn sie selbst Kinder hatten, dann arbeiteten die womöglich als Erwachsene hunderte Kilometer entfernt in einer anderen Fabrik, so daß die Eltern dann im Alter auch allein dastanden. Und wenn sie die geforderte Arbeitsleistung nicht mehr brachten, flogen sie oft gnadenlos aus den Fabriken raus.
Das füllte die Armenhäuser und wurde zunehmend zum Problem. Deshalb wurde die Sozialversicherung eingeführt. Sie war also nicht Ursache des Zerfalls der Familien, sondern sie sollte helfen, die negativen Folgen dieses Zerfalls zu mildern.
Durch eine Erhöhung der Geburtenzahl lassen sich auch viele der heutigen Probleme nicht lösen. Auch nicht das Rentenproblem. Denn die Rentenversicherung krankt ja nicht daran, daß wir zuwenige potenzielle Beitragszahler haben. Es gibt genug Menschen, die Rentenbeiträge zahlen könnten - wenn sie nur beitragspflichtig tätig wären. Millionen Menschen werden aber ganz offensichtlich schon jetzt für Produktion und Dienstleistungen gar nicht mehr benötigt. DAS ist das große Problem.
Das läßt sich nur lösen, indem man Wege findet, wie Menschen auch ohne das, was man heute als Erwerbsarbeit bezeichnet, wieder ihre Lebenshaltungskosten decken können. Alles andere ist nur Flickschusterei und Augenwischerei.
Die beste Familienpolitik, so könnte man kurz sagen, wäre der Verzicht auf staatliche Familienpolitik. Im Gegenzug könnten die Steuern und Abgaben drastisch sinken - was hätten die Familien dann mehr Geld zur Verfügung.
Das zumindest sehe ich aber sehr ähnlich.
Freundliche Grüße
von Garfield
gesamter Thread:
- Die Verstaatlichung der Kinder -
Bill,
13.05.2008, 19:11
- Die Verstaatlichung der Kinder - Garfield, 13.05.2008, 20:44