Wieviel «Gleichberechtigung» verträgt das Land?

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Prinzipienfrage: Ist es Aufgabe der Regierung, uns zu belehren, ermahnen, usw.?

Student(t), Saturday, 26.04.2008, 13:15 (vor 6449 Tagen)

Ich sehe neuerdings Reklametafeln, auf denen die Regierung uns zu motivieren sucht, Kinder in die Welt setzen. Das geschieht in durchaus ansprechender, witziger Art. Aber ich frage mich: Warum tun die Regierenden das ?

Wenn ein wirtschaftliches Unternehmen uns Appetit machen möchte auf Irgendetwas, dann ist der Hintergrund verständlich: Sie wollen und müssen ihre Produkte verkaufen. Das ist ihr Daseinszweck. Darum verzeihen wir ihnen auch, daß sie meist ganz unnötige Bedürfnisse zu wecken versuchen, ja uns zum puren Hedonismus verführen ("für noch mehr Genuß"). Ebenso verzeihen wir ihnen den Werbeaufwand, obwohl er durch uns mitbezahlt werden muß. Er wird ja durch die Effektivitätssteigerung einer erhöhten Produktion kompensiert.

Aber eine Regierung ? Natürlich braucht die auch Geld, um ihre Arbeit zu machen, d.h. um ihre Angestellten zu bezahlen. Dafür zahlen wir Steuern. Wenn nun für die Produktion - oder soll ich sagen: Bereitstellung ? - von Kindern geworben wird, so fallen mir dafür zwei mögliche Motive ein:

o Die Überlegung, daß mehr Menschen notwendigerweise auch mehr Steuern zahlen und Arbeitsplätze im Regierungssektor sichern.

o Die Annahme, daß die Regierung u.a. Aufgaben hat, wie sie Eltern gegenüber Kindern haben, oder wie sie früher ein König gegenüber seinen Untertanen hatte, nämlich ihnen Lebensmut und gefühlte Sicherheit zu geben. (Wobei ich im Falle des Königtums von der zeit- und kulturbedingten Legitimität ausgehe, in der Machtmißbrauch nur ein Epiphänomen war.)


Anders gesagt:


o Ausbeutung als die eine Möglichkeit;

o Moralisierung als die andere Möglichkeit.


Ich will mich jetzt nur mit der zweiten Möglichkeit auseinandersetzen, wissend, daß beide zusammenwirken können. Aber von der Geldgier der Machthaber wird ja schon genug geredet.

Bei der Moralisierung (Belehrung, Ermahnung usw.) geht es um ethische Fragen, nicht um Rechte und Pflichten. Ethik befaßt sich mit Idealforderungen, die immer nur ansatzweise verwirklicht werden können; Recht hingegen befaßt sich mit Minimalforderungen, die von jedem mündigen Bürger erfüllt werden können und müssen. Dafür gibt es Gerichte und ein Justizministerium. Das ist auch wirklich Aufgabe des Staates.

Aber Ethik - ist das eine Aufgabe des Staates ? Zahlen wir dafür unsere Steuern ? Haben wir die Regierung beauftragt, uns den Respekt vor Ausländern und vor Frauen und z.B. den Kinderwunsch zu predigen ? Wenn wir diesen Respekt bereits haben, dann müssen wir Niemanden beauftragen, ihn uns (kosten-verursachend) zu predigen. Haben wir diesen Respekt aber nicht, dann werden wir erst recht Niemanden beauftragen, das zu tun.

Wir haben die Regierung gewählt. Sie ist dazu da, unsere Interessen zu vertreten. Wenn wir einen Arzt, Rechtsanwalt oder Musiklehrer beauftragen und bezahlen, erwarten wir auch nicht, daß er die von uns bezahlte Zeit dazu aufwendet, uns zu moralisieren. Warum also akzeptieren wir den Ethik-Nachhilfeunterricht des Staates ?

Meine vorläufige Erklärung dafür ist, daß sich Viele von uns noch nicht von der Bevormundungs-Funktion eines Staates (die früher einmal legtim gewesen sein mag) befreit haben. Wenn das so ist, dann brauchen sie vielleicht wirklich diese Belehrung.


Gruß
Student

Sexismus-Kritik


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