Wer schläft, der sündigt manchmal
Wann Schlafen zum Nachteil vor Gericht wird
Von Dietrich Pätzold
Alljährliche Frühjahrsmüdigkeit mag dazu beigetragen haben, dass uns in diesen Tagen einige Zeitgenossen wieder besonders vertrieft daherkommen. Aber Achtung! "Ein Übermaß an Schlaf geht in der Urteilsfindung vor Gericht beileibe nicht immer als Persilschein durch", sagt Rechtsanwältin Alexandra Wimmer von der Deutschen Anwaltshotline.
Milde kam allerdings ein Reiseveranstalter davon, der verklagt wurde, weil in der Business-Klasse eines Langstreckenflugs ein Passagier die gesamte Zeit über fürchterlich schnarchte und nicht wachzubekommen war. "Wer als wählerischer Bussiness-Passagier auf Reisen geht, hat unbestreitbar einen Anspruch auf höheren Komfort, als er in der Massenabfertigung der Touristenklasse üblich ist", erklärt Wimmer.
Doch Schnarchen sei nach Auffassung des Frankfurter Amtsgerichts "klassenunabhängig" und komme auch bei Passagieren der Business-Klasse des Öfteren vor. "Insofern stellt die beanstandete Lärmbelästigung keinen Reisemangel dar, und die genervten Mitreisenden dürfen als Entschädigung auch nicht den Aufpreis für ihren teuren Geschäftsflug zurückverlangen", sagt die Anwältin.
Verschläft dagegen ein Lastwagenfahrer den Diebstahl 158 nagelneuer Notebooks, hat er für den Verlust der teuren Ladung aufzukommen. "Der deutsche Fahrer verbrachte die Nacht in seiner Fahrerkabine auf einem unbewachten Parkplatz an der französischen Nationalstraße 330", erzählt Wimmer. Nach eigener Aussage wurde er mehrmals durch kurze, harte Stöße gegen das dadurch ins Wanken geratene Fahrzeug aus dem Schlaf gerissen, war dann aber immer wieder eingenickt, weil er glaubte, sich nur getäuscht zu haben.
"Vielleicht fürchtete der Mann sich einfach nur vor den Dieben, die da in den Laderaum einbrachen, und steckte nach Straußenart lieber den Kopf in die Kissen, als draußen nachzusehen", vermutet Anwältin Wimmer. Ob zu verschlafen oder zu feige - der Lkw-Fahrer hat nach Auffassung des Oberlandesgerichts Köln auf jeden Fall grob fahrlässig gehandelt. "Weil der Mann erst ausstieg, als die Diebe weg waren, ist die Situation so zu betrachten, als hätte die wertvolle Fracht unbeaufsichtigt auf einem unbewachten Parkplatz gestanden", erklärt die Anwältin.
Wird schließlich das Opfer eines Kapitalverbrechens im Schlaf überrascht, gehen die Gerichte wegen dessen Wehrlosigkeit meist von einer besonderen Heimtücke des Täters aus und plädieren in der Regel stets auf Mord statt auf Totschlag.
Ausnahme: der Babymord. "Denn im Fall der Tötung von Kleinkindern durch die eigenen Eltern ist nach der ständigen Rechtsprechung eigentlich Heimtücke ausgeschlossen", erklärt Rechtsanwältin Wimmer.
Ein Kind sei bis etwa drei Jahre immer arg- und wehrlos und könne sich auch im wachen Zustand dem Angriff auf sein Leben durch ein Elternteil nicht widersetzen. Erst bei einem über fünfjährigen Kind sei anzunehmen, dass es einen Angriff bemerken und sich zumindest durch Schreien zur Wehr setzen würde. "In jedem Fall muss aber die konkrete Entwicklung des Kinds berücksichtigt werden", sagt Wimmer. Ddp
Hannoversche Allgemeine Zeitung 21.04.2008
Warum gilt das nur für Mütter?
Gruß
Flohgast
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