Gender Mainstreaming
Häufiger Kritikpunkt an der Umsetzung von Gender Mainstreaming
ist, dass zwar ?Gender draufsteht aber Frau drin
ist?. Gewachsen aus einem frauenpolitischen Umfeld und auf der
Grundlage eines historisch so analysierten faktischen Schlechter-
gestellt-seins von Frauen/Mädchen, finden sich in konkreten
Maßnahmen von Gender Mainstreaming tatsächlich noch viele
Frauenförderansätze.
Durch die autonome Frauenbewegung, durch Frauen in Gewerkschaften,
Schulen, Verbänden, Vereinen und durch Wissenschaftlerinnen
wurden Benachteiligungen von Frauen oder
Mädchen festgestellt: weniger Zugang zu naturwissenschaftlich-
technischen Fächern, mehr Ängste im öffentlichen Raum,
weniger Repräsentanz in öffentlichen Ämtern, höhere Arbeitslosigkeit,
schlechtere Entlohnung, sprachliche Unsichtbarmachung,
Nichtbeachtung ihrer historischen, kulturellen Leistungen
und vieles mehr. Diesen Benachteiligungen wurde mit gezielten
Fördermaßnahmen begegnet.
Gender Mainstreaming soll aufgrund der festgestellten gesellschaftlichen
Benachteiligungen von Frauen auch in Zukunft
Frauenförderung nicht ersetzen. Gleichwohl erfolgt durch die
Strategie Gender Mainstreaming eine Erweiterung des Blickwinkels
und der Fragestellung: Es wird jetzt nicht mehr nur nach
den Frauen gefragt, sondern auch nach dem Verhältnis der Geschlechter
zueinander und nach Männern und Jungen. Diese
Strategie will Geschlechtergerechtigkeit herstellen und Ungleichgewichte
zwischen den Geschlechtern aufheben. Damit
ist ausdrücklich auch gemeint, dass die herrschende Geschlechterordnung
auch Beschränkungen und Zumutungen
für Männer und Jungen hervorbringt:
? Einerseits fördern männliche Leitbilder Verhaltens- und
Lebensweisen bei Jungen und Männern, welche ihnen selbst
Schaden antun. So wird spätestens seit PISA von Jungen als
Bildungsverlierern gesprochen; Männer werden viel häufiger
als Frauen Opfer von Gewalt im öffentlichen Raum; heute
geborene Männer haben im Schnitt eine 7 Jahre kürzere
Lebenserwartung als Frauen ? um nur ein paar Beispiele zu
nennen.
? Andererseits wird Männern der Zugang zu ?weiblich?
konnotierten Bereichen wie etwa der Familie häufig
erschwert oder verwehrt ? obwohl zunehmend mehr
Männer ihre Erziehungsverantwortung wahrnehmen
möchten.
Im Allgemeinen wird von Gender Mainstreaming und Frauenförderung
als sich ergänzende Ansätze gesprochen, die eine
Doppelstrategie bilden. Wenn wir den Perspektivwechsel
ernst nehmen, den Gender Mainstreaming bedeutet, ist es jedoch
sinnvoller, das Ganze als Dreifachstrategie zu betrachten
[3]:
Anders als bei den bisherigen Gleichstellungsstrategien sind
Männer damit jetzt auch als Akteure der Veränderung gefragt:
bisher gab es Frauenbeauftragte, jetzt gibt es Gleichstellungs oder
Genderbeauftragte. Im Ansatz Gender Mainstreaming
wird versucht, die Verantwortung für die Gestaltung der Geschlechterverhältnisse auf beide ? Männer und Frauen ?
gleichermaßen zu verteilen.
Dissens e.V.