Zum Tag der Gewalt
Er war eben 19 Jahre alt, zu jung um wählen aber alt genug um sterben zu dürfen. Er war 19 Jahre alt, ein schöner junger Mann, ein stiller junger Mann, Taubenzüchten war sein Hobby. Es war kurz vor dem Abschlussball der Tanzstunde in Pforzheim, die Mädelz waren schon bestimmt zur Dame des Abends. Da hat ihn der Staat geholt, ungefragt, geholt zum Krieg, den jungen Mann.
Da durfte er bei einem ganz anderen Tanz mittanzen, der Mann, der mein Vater war. Der Tanz dauerte für ihn sechs Jahre und im letzten, da schoss ihm ein Russe in den Bauch, das war ein Ding. Die Kugel fuhr durch die Handgranate, ein Feuerball, dann fiel er hin, der junge Krieger.
Er wurde von einem anderen Stoßtrupp nach hinten gezogen. Eigentlich war er gestorben, in diesem lausigen, russischen Friedhof, durch welchen er sein kleine Gruppe als Unteroffizier führte.
Im Lazarett in Wien, da erkannten ihn seine eigenen Eltern nicht mehr.
Er überlebte und kam in seine Heimatstadt zwei Tage vor dem Großangriff zurück. Der Krieg hatte die Heimat erreicht. Im Feuersturm verbrannte das Elternhaus und die Erinnerungen an die Jugend.
Das ist Gewalt, Gewalt an Männern.
Ermordet durch das Vaterland, das sollte auf Kriegerdenkmälern stehen.
Für mich ist der Vater ein Held. Sollte er in Russland ganze Dörfer ausgemordet haben, es ist mir ausgesprochen wurscht, auch wenn ich es mir bei seinem Charakter nicht vorstellen kann. Er hat nicht darum gebeten, Soldat sein zu dürfen, man hat ihn einfach geholt, er hatte keinen Vorteil aus diesem Krieg, auch bei einem Sieg nicht. Da hat keiner das Recht ihm Vorhaltungen zu machen. Es haftet stets, wer eine Gefahrenquelle eröffnet, nicht der, welcher der Gefahr erliegt.
Mein Vater gehört zusammen mit seinen Leidensgenossen zur Generation der Helden (die Russen seiner Generation übrigens auch). Es waren Titanen, die nicht nur die Last des Krieges trugen, nein sie trugen auch die Last des Wiederaufbaus und sie haben die Masse an Kindern gezeugt (meine Generation), die das Rückgrad dieser Republik bildet, der schäbigen, feigen, unhistorischen, selbstzerstörerischen BRD.
Und mit uns, den Kindern der Kriegsgeneration, wird diese BRD auch untergehen, an der Unfruchtbarkeit der Söhne und Töchter, die das Erbe ihrer Eltern verraten haben, nämlich den Mut, die Kraft, die Hingabe, die Begeisterung, leider verschwendet an ein Verbrecherregime (auch das gilt für die Sowjetsoldaten ebenso).
Wenn die Politik etwas gegen die Gewalt an Frauen tun will, dann soll sie erst einmal die Gewalt gegen Männer beenden.
DschinDschin
--
Barbarus hic ergo sum, quia non intellegor ulli.