Startschuss für das neue Nationale Zentrum Frühe Hilfen
BMFSFJ Internetredaktion
Pressemitteilung Nr. 215/2007
Veröffentlicht am 10.07.2007
Thema: Kinder und Jugend
Bundesministerin Ursula von der Leyen: "Wirksamer Kinderschutz muss früh
ansetzen"
Nationales Zentrum Frühe Hilfen verzahnt Systeme von Gesundheitswesen und
Jugendhilfe
Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen hat heute in Berlin den Startschuss
für das neue Nationale Zentrum Frühe Hilfen gegeben. Mit Professorin Elisabeth
Pott, Direktorin der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA), und
Professor Thomas Rauschenbach, Direktor des Deutschen Jugendinstituts (DJI),
deren Organisationen gemeinsam Träger der vom Bund geförderten Einrichtung sind,
stellte sie Ziele und Strukturen des Nationalen Zentrums vor. Das Nationale
Zentrum Frühe Hilfen mit Sitz in Köln soll deutschlandweit mit Expertenwissen
lokale und regionale Netzwerke beraten und unterstützen, die das Risiko von
Kindesvernachlässigung und Kindesmisshandlung minimieren wollen, indem sie
Angebote des Gesundheitswesens mit denen der Kinder- und Jugendhilfe eng
miteinander verzahnen.
"Hinter jedem Fall von Verwahrlosung und Misshandlung steht die Leidensgeschichte
eines Kindes. Wir müssen Hilfen früher und besser aufeinander abstimmen, damit
der Teufelskreis von Isolation und Gewalt innerhalb einer Familie gar nicht erst
entsteht. Wenn die Geburtshelfer, Hebammen, Kinderärzte oder die Jugendhilfe die
einzigen Anlaufstellen sind, bei denen gefährdete Kinder kurzfristig wahrgenommen
werden, dann müssen wir diese beiden Systeme zum Schutz der Kinder verknüpfen und
stark machen. Das vom Bundesfamilienministerium eingerichtete Nationale Zentrum
Frühe Hilfen soll die Systemgrenzen zwischen Gesundheitswesen und Jugendhilfe
überwinden durch Fehleranalysen und Forschung. Es soll deutschlandweit und
international Fachwissen bündeln und dieses in den Kommunen systematisch
verbreiten", sagt Ursula von der Leyen.
"Die Angebote des Gesundheitswesens bieten einen guten Zugang zu Eltern und ihren
Kindern, unabhängig von ihrer sozialen Situation schon in der Zeit von
Schwangerschaft und Geburt" betont Professorin Elisabeth Pott, Direktorin der
Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung. "Ärztinnen/Ärzte und Hebammen sind
oft die ersten, die besondere Belastungen und Schwierigkeiten erkennen und ein
hohes Maß an Vertrauen genießen. Deshalb sind sie geeignete Vermittler zu den
Angeboten der Kinder- und Jugendhilfe".
"Die Kinder- und Jugendhilfe bietet eine Fülle von effektiven Hilfen für
Familien: von der Prävention durch Elternbildung bis hin zur intensiven
sozialpädagogischen Begleitung von Familien in Krisensituationen", sagt Professor
Thomas Rauschenbach, Direktor des Deutschen Jugendinstituts. "Damit diese Hilfen
bei Eltern und Kindern frühstmöglich ankommen und auf diese individuell und
passgenau abgestimmt werden können, ist ein koordiniertes Vorgehen der
unterschiedlichen Akteure aus den beiden Leistungssystemen unabdingbar."
Das Nationale Zentrum Frühe Hilfen ist ein Kristallisationspunkt im
Bundesprogramm "Frühe Hilfen für Eltern und Kinder und soziale Frühwarnsysteme",
für das das Bundesfamilienministerium bis zum Jahr 2010 rund 10 Millionen Euro
aufwendet. Im Mittelpunkt stehen Familien mit Kindern bis zu drei Jahren, deren
Lebensalltag durch soziale oder persönliche Probleme wie etwa, eigene
Gewalterfahrungen, Alkohol, Drogen, Arbeitslosigkeit oder das Fehlen eines
unterstützenden Umfeldes schwer belastet ist. Werden Risiken früh erkannt, können
rechtzeitige Hilfeangebote für überforderte Eltern der Vernachlässigung und
Misshandlung von Kindern wirksam vorbeugen.
* Das Nationale Zentrum Frühe Hilfen sorgt für den Austausch und bündelt die
Erfahrungen der wachsenden Zahl von Modellprojekten in sämtlichen
Bundesländern, die mit einer Mitfinanzierung vom Bund in enger Abstimmung
den Ländern und Kommunen in ganz Deutschland auf den Weg gebracht wurden
oder es bis Jahresende noch werden. Die Programme verfolgen bewusst
unterschiedliche Ansätze. Sie sollen Impulse für Nachahmer setzen und das
Erfahrungswissen über regionale und lokale Hilfsnetze mehren.
* Auf dieser Wissens- und Erfahrungsbasis unterstützt das Nationale Zentrum
Frühe Hilfen in ganz Deutschland das Entstehen lokaler und regionaler
Netzwerke. Sie verknüpfen Hilfen des Gesundheitswesens wie etwa
Gynäkologie, Schwangerschaftsberatungsstellen, Hebammen, Geburtskliniken,
Kinderkliniken, Kinderheilkunde mit den Strukturen der Kinder- und
Jugendhilfe wie beispielsweise Jugendämter, soziale Dienste,
Beratungsstellen, Familienbildungsstätten, Kindertageseinrichtungen.
* Das Nationale Zentrum Frühe Hilfen schafft damit eine breite
Informationsplattform für Wissenschaft und Praxis, die nicht nur in
Deutschland oder international bewährte Instrumente zur Risikoerkennung und
erfolgreiche Konzepte für Zielgruppen mit hohen Risiken sammelt, evaluiert
und den Verantwortlichen in den Ländern und Kommunen zur Verfügung stellt.
Es trägt so dazu bei, die Qualität der Systeme zum Kinderschutz in
Deutschland Schritt für Schritt und nachhaltig zu verbessern.
Das Ausmaß von Kindeswohlgefährdung durch Vernachlässigung und Misshandlung lässt
sich nur näherungsweise abschätzen, weil das Dunkelfeld groß ist. Anhaltspunkte
liefern folgende Zahlen:
* Schätzungen gehen davon aus, dass bis zu 5-10 Prozent aller Kinder im Alter
bis sechs Jahre vernachlässigt werden (Esser & Weinel 1990; Schone et. al.
1997; Motzkau 2002).
* Die Anzeigen bei Vernachlässigung und Misshandlung haben sich seit 1990
beinahe verdreifacht (Kinder bis sechs Jahre: 1990: 600, 2005: 1445; Kinder
bis 14 Jahre: 1990: 1377, 2005: 3377; Polizeiliche Kriminalstatistik).
* Die Zahl der Fälle, in denen die Jugendämter gefährdete Kinder zu ihrem
eigenen Schutz in Obhut nehmen mussten, stieg von 1995 bis 2005 um 40
Prozent (Statistisches Bundesamt).
* Im Jahr 2005 bewilligten die Jugendbehörden rund 40.000 überforderten
Eltern mit Kindern unter sechs Jahren "Familienunterstützende Maßnahmen"
(KOMDAT Jugendhilfe).
* Bei Kindern unter drei Jahren muss das Familiengericht jedes Jahr in etwa
2200 Fällen das elterliche Sorgerecht entziehen (Münder et. al. 2000).
Das Bundesfamilienministerium trägt mit zahlreichen weiteren Initiativen und
Modellprojekten zur Förderung der elterlichen Erziehungskompetenz und zum Schutz
von Kindern und Jugendlichen bei. Etwa auf dem Gebiet der Elternbildung, der
Förderung der Medienkompetenz oder mit der Weiterentwicklung von Erziehungshilfen
nach dem Kinder- und Jugendhilfegesetz (SGB VIII), auf die alle Eltern, die Hilfe
benötigen, einen Rechtsanspruch haben.
Weitere Informationen finden Sie im Internet unter:
www.fruehehilfen.de <http://www.fruehehilfen.de>
www.schwanger-info.de <http://www.schwanger-info.de>
www.kindergesundheit-info.de <http://www.kindergesundheit-info.de>
www.dji.de/izkk.de <http://www.dji.de/izkk.de>
Links:
Weitere Informationen
Nationales Zentrum Frühe Hilfen verzahnt Systeme von Gesundheitswesen und
Jugendhilfe
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