Wieviel «Gleichberechtigung» verträgt das Land?

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Gedächtnisprotokoll der Diskussion

Chato, Thursday, 05.07.2007, 01:13 (vor 6743 Tagen) @ Christine

Die Vorankündigung der Sendung lautete:

Nehmen die "Alpha-Mädchen" den Männern die Butter vom Brot? Sind Männer plötzlich das "schwache Geschlecht"? Brauchen wir eine Männerbewegung? Über diese und andere Fragen diskutiert die "Quergefragt"-Moderatorin Anke Hlauschka am 4. Juli live im Staatstheater in Mainz u. a. mit:

Thea Dorn, Philosophin und Buchautorin ("Die neue F-Klasse: Wie die Zukunft von Frauen gemacht wird"),
Horst-Eberhard Richter, Psychoanalytiker und Autor von "Die Krise der Männlichkeit in der unerwachsenen Gesellschaft",
Eugen Maus, Vorsitzender des Vereins "MANNdat", der für die Gleichberechtigung des Mannes kämpft.

Deutschland wird von einer Frau regiert, und seit geraumer Zeit machen immer öfter die "Alpha-Mädchen" von sich reden. Junge Frauen gelten als flexibler, fleißiger und leistungsstärker als ihre männlichen Altersgenossen. In Sachen Ausbildung, Beruf und Karriere ziehen die jungen Frauen oft an ihren männlichen Altersgenossen vorbei. In manchen Regionen Deutschlands schauen sich Personalchefs gezielt nach Frauen um. Schon wird der Ruf nach einer "Männerbewegung" laut, die - so wie etwa der Verein "MANNdat" - gegen die Diskriminierung des Mannes zu Felde zieht.

"Trotzdem müssen wir noch immer um unsere Gleichberechtigung kämpfen", sagt eine Mehrzahl von berufstätigen Frauen. Die Chefetagen werden nach wie vor von Männern beherrscht und Männer bekommen für den gleichen Job oft immer noch ein höheres Gehalt als Frauen. Feminismus und Emanzipation sind also nicht am Ende. Doch wem gilt die Kampfansage? Der echte Macho ist eine aussterbende Rasse, diagnostizieren Beobachter. Jahrzehntelanger Geschlechterkampf hat die Herren der Schöpfung zutiefst verunsichert

Gedächtnisprotokoll der Diskussion:

EUGEN MAUS: Zählt auf Anfrage als Benachteiligungen der Männer auf: Wehrdienst und Krebsvorsorge

THEA DORN: Männer jammern bloß noch; dieses Aufrechnen langweilt mich - historisch ist die Freiheit für Frauen ja erst ein Wimpernschlag.

HORST ERBERHARD RICHTER: Frauen können (nach Freud) nicht gut sublimieren, also nicht Triebenergie in geistige Leistungen verwandeln; in letzter Zeit beginnen sie damit, aber sie sind noch sehr narzißtisch.

AYLIN SELCUK: Meine Generation ist jenseits des Feminismus - heute strahlen Männer auch Weiblichkeit aus, nicht mehr den "harten Kerl" (was sie gut findet).

EUGEN MAUS: Empfindsamkeit und Hilfsbereitschaft sind nicht bloß weibliche Eigenschaften. Frühere Männerbewegung der 70er Jahre, die ich selbst miterlebt habe, war profeministisch, jetzt aber ist sie fordernd und das ist nötig: Männer haben heute nicht eine Krise, sondern sie werden betrogen.

HORST ERBERHARD RICHTER: Stimmt bei der Frage der Wehrpflicht zu. Früher hieß es: "Der Krieg macht den Mann zum Mann" (1933, da war er 10 Jahre alt). Nach dem Krieg waren die Männer geschlagen und schwach, die Frauen waren stark (Trümmerfrauen) und die Männer waren froh, an der Hand genommen zu werden.

EUGEN MAUS: Männer werden schlechtgeredet, Frauen hochgeschwätzt. Zum Beispiel H.E.Richter, der sie "Halber Mann" nannte (ang. Zitat, was Richter selbst jedoch bestreitet). Junge Männer werden heute in die Arbeitslosigkeit hineingefördert, und das wird auch noch hochgejubelt: "Frauen ziehen vorbei!"

THEA DORN: Jungs sind heute ohne taugliche Rollenvorbilder. Diese Vorwürfe an die Frauen sind larmoyante Vorrechnerei. Jungs verweigern sich und rennen damit selber ins Off: "Cool, keine Streber sein, Rambo und Videogames."

EUGEN MAUS: Die Mädchen sind natürlich nicht "schuld", das zu sagen wäre ganz falsch. Aber was ist Gendermainstreaming? Kaum einer kennt das Wort, obwohl dabei 1,3 Mrd. nur für Frauen und Mädchen verbraten wurden. Das ist ungerecht: GM ist im Grunde zur 2. Schiene der Frauenförderung geworden, es dient nicht beiden Geschlechtern. Jungs werden nicht gefördert (obwohl es nach Pisa sehr nötig wäre), sondern weiter werden nur die Mädchen gefördert.

THEA DORN: (Erhebt wieder den Jammervorwurf und nennt die Klagen ungerechtfertigt). Gute Jugendliteratur gibt es nach wie vor fast nur mit positiven Jungsrollen, abgesehen von der ollen Pippi Langstrumpf. Wenn Jungs diese Literatur nicht lesen, dann ist das mit Verlaub ihre eigene Schuld. Das Jammern der Männer wie Eugen Maus ist geradezu hysterisch.

HORST ERBERHARD RICHTER: Das phallische Verhalten schafft heute keine Identität mehr. Jetzt werden Männer sensibler, aber diese Entwicklung ist gut und bedeutet eine Humanisierung. Noch eine Weile lang werden Frauen sich narzißtisch selbst bewundern, aber bald wird man sich auf Gemeinsamkeit und Kooperation besinnen MÜSSEN, weil die Probleme einfach so groß geworden sind. Er bringt dafür den Begriff "Elterlichkeit", der sich nicht bloß auf eigene Kinder, sondern auf eine Verantwortung für das Ganze bezieht. An Eugen Maus gewandt: Beide Geschlechter sind verantwortlich für das Ganze. Besser einander zuhören lernen, als aufrechnen und einander vorrechnen.

AYLIN SELCUK: Geht auf Cinderella-Komplex ein (Stichwortvorgabe der Moderatorin): Ja, eine erfolgreiche Frau will heute trotzdem weiterhin ihre Vorteile als Frau genießen. Nachteile existieren aber wirklich: Mutterschaft hemmt nun mal die Karriere. Jedes Geschlecht hat eben biologisch gesehen Vor- und Nachteile.

EUGEN MAUS: Es gibt eine Diskrepanz zwischen Anspruch und Wirklichkeit bei den angeblichen Erfolgen der Frauen. Einerseits heißt es: "Frauen sollen Karriere machen!", und das ist gut (nach Eugen). Sie wollen aber in Wirklichkeit sehr oft bloß die alte Rolle. Frauen wollen z.B. "ihr eigenes Geld" verdienen, aber eben nicht eine Familie damit ernähren.

THEA DORN: Das bringt doch alles nichts (wieder der Jammervorwurf). Heutige Männer sind meistens verbal offen für neue Rollen, aber in der Praxis verhaltensstarr. Ich bin gespannt, wann endlich das Verhalten nachzieht. In unserer modernen Welt muß das ohnehin geschehen. Den Jungs werden Rambo-Rollen angeboten, mit denen sie jedoch in der heutigen Gesellschaft bloß scheitern können.

AYLIN SELCUK: Wir Heutigen sind eine Luxus-Generation. Da ist oft kein Platz für Kinder. Man denkt: "ICH will mich profilieren!" Aber dieser Luxus zwingt auch automatisch beide zu arbeiten und sich die Aufgaben zu teilen, weil sie es ökonomisch MÜSSEN.

HORST ERBERHARD RICHTER: Die Zukunftsprobleme werden uns zwingen, wieder gemeinsam zu handeln. Wir führen im Moment bloß eine Narzißmusdiskussion. Aber das wird aufhören.

EUGEN MAUS: Wenn in Toppositionen kaum Frauen sind, dann ist das nicht unser Problem. Sollen sie doch! Nur dauert das halt von der Sache her eine gewisse Zeit. Akademikerinnen bekommen heute zu 50% gar keine Kinder mehr; sie haben also diese Nachteile gar nicht mehr.

THEA DORN: Das Vorheulen der Männer juckt mich wenig, wenn ein Intellektueller in einem großen deutschen Magazin unwidersprochen sagen kann, Frauen könnten "bloß fernsehen". (Eugen widerspricht, aber das geht unter) Es GIBT die gläserne Decke, es gibt aber auch das Denken bei Frauen: "Das ist mir alles zu anstrengend und zu hart da draußen." Beides ist einseitig und muß sich ändern.

AYLIN SELCUK: Mein Eindruck ist, Männer unterstützen sich gegenseitig, aber Frauen bauen einander Fallen. Da gibt es so eine lauernde Konkurrenz.

THEA DORN: Diese Stutenbissigkeit gibt es tatsächlich. In meinem Buchprojekt geht es aber ohne Zickenkriege ab. Das ist wichtig und muß sich allgemein bessern.

HORST ERBERHARD RICHTER: Bei der Frauenbewegung denken heute alle an Alice Schwarzer. Die Frauenbewegung kommt aber aus der Arbeiterbewegung. Ihr wichtigster Vorkämpfer war ein Mann, nämlich August Bebel! Nicht Alice Schwarzer! Es geht der heutigen Frauenbewegung immer nur um ganz egoistische Selbstverwirklichung der Frauen.

AYLIN SELCUK: Ich sehe meine Zukunft als Mutter, Ehefrau und Berufstätige. Anders wird es gar nicht gehen.

(Die Sendung wird morgen [5.7.2007] um 7:50 auf SWR wiederholt)

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Wenn wir Toren wüßten, daß wir welche sind, wären wir keine.


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