Gesetze regeln das Parasitentum und nicht das miteinander
Wie treffend doch der Autor die Zustände in diesem Land charakterisiert
hat .......
Jeder muss sein Leben wie ein Kaufmann bestreiten. Alle privaten Unterlagen immer tipp topp und immer auf dem Stand der Rechtssprechung. Denn sonst wird man abgezockt von all den tausend Einrichtungen, die keine Gelegenheit auslassen zum Wegelagern.
Aber genau das, ist die ultimative Auswucherung einer Gesellschaft, die moralisches Verhalten durch Gesetze zu ersetzen versucht.
Ich bin mittlerweile der Ansicht, dass wir z.B. in der Bibel aus gutem Grund 10 GEBOTE und nicht 10 GESETZE stehen haben.
Gebote werden vom Individuum innerhalb der Gesellschaft aktiv befolgt, Gesetze werden dem Individuum immer in Verbindung mit Sanktionen "gesetzt".
Die Konsequenz ist klar: Man versucht das Gesetz zu umgehen - das Gebot wird nicht umgangen sondern aktiv befolgt oder eben nicht befolgt. Das Gebot regelt nach Sinn, das Gesetz hingegen nach Wortlaut und kann in seinem Sinn rasch verdreht werden. Im Endeffekt führt dies zu ständigen "Bugfixes" wie bei einem miserablen Betriebssystem.
Jedes mal, wenn eine "Lücke" gefunden wird, muss ein neues Gesetz geschaffen werden. Et voila: Wir haben weiterhin 10 Gebote aber Gesetzbücher, die ganze Regalwände füllen.
Es ist eine der Abartigkeiten unserer Gesellschaft, dass es heute keinem Bürger mehr möglich ist, sämtliche Regeln, nach denen er zu leben hat, zu kennen!
Nicht einmal Menschen, die aus der Kenntnis dieser Regeln ihr Einkommen beziehen schaffen das. Eine PERVERSION!
Was dem ganzen aber das Sahnehäubchen aufsetzt: Betrachten wir unser tägliches soziales Verhalten, so finden sich 90% unserer Verhaltensnormen, ohne die ein einigermaßen friedliches Miteinander gar nicht möglich wäre, eben NICHT im Gesetzbuch! Gesetze fördern aufgrund ihrer Starrheit und Zwanghaftigkeit eben NICHT das Miteinander sondern das Gegeneinander. Gesetze fördern nicht den Willen zutage, sich anständig zu verhalten, sie fördern Unanständigkeit und sichern diese durch ihre eigene Unzulänglichkeit auch noch mit staatlicher Gewalt ab. Gebote erfordern hingegen proaktive Einhaltung. Sie funktionieren Sinngemäß und nicht Wortgemäß, was eine flexiblere Auslegung erlaubt und "Bugfixes" nicht nötig macht.
Das Gesetzeswesen in seiner heutigen Form gesellschaftlichen Bereich erzeugt maximale Zerstörung und Erosion. Wenn es also eine postdebitistische Gesellschaft geben wird, so wird dies auch eine postjuristische sein, in der wieder der Sinn einer Regel ihre Auslegung und Befolgung bestimmt und nicht der Wortlaut. Das würde uns viel Papierkram ersparen und asoziales Verhalten als das, was es eben ist, beurteilen, nicht als "Geschicktes ausnutzen von Regeln".
Die moderne (zivile) Straßenräuberei legt Schlingen in Form von immer neuen Gesetzen, Verfügungen und Verordnungen aus. Selbst der ganz normale „Privatbürger“ braucht mehrere Aktenordner, um wenigstens das Gefühl zu haben, der Sache noch Herr zu werden. Der (kleine) Unternehmer verbringt ganze Tage in der Woche damit, seine Belange zu ordnen....
Es ist wie mit einem Motor, der langsam heiß läuft- irgendwann gibt es den großen Knall!
Ein Symptom, das dem voraus geht, ist der absolute moralische Verfall. Ethische Begriffe verlieren ihre Bedeutung bzw Gültigkeit ... Geschäftspraktiken verkommen. Nichts ist mehr heilig.
War der Irrsinn bisher jener:
Versuch Gerechtigkeit herzustellen -> Gesetz -> Umgehung -> Noch ein Gesetz. So haben mittlerweile die "Umgeher" die Schaffung der Gesetze in der Hand also: Versuch Gerechtigkeit herzustellen -> Gesetz -> Lobbying -> Gesetz, das bewusst Ungerechtigkeit erzeugt. Verglichen mit einem Betriebssystem wäre dies also so, wie wenn der feindliche Hacker die Bugfixes liefern würde.
Worauf wird dies alles hinauslaufen?
Ist der Bürger von der Sinnhaftigkeit der ihn betreffenden Gesetze noch einigermaßen überzeugt, befolgt er diese, ohne augenblicklich eine Kosten-Nutzen Rechnung zwischen Sanktion und Befolgung zu erstellen. Je absurder und exzessiver die Gesetzgebung wird, desto öfter wird aber diese Rechnung angestellt. Das kennen wir heute bereits. Idiotische Vorschriften, die nicht kontrolliert werden oder geringen Sanktionen unterliegen, werden in der Regel ignoriert. Der Staat kann darauf nur mit Verschärfung der Sanktionen und Kontrollen antworten, bis diese absolut unverhältnismäßig geworden sind.
In Teilbereichen kann man so etwas auf die Spitze treiben - zum Beispiel im Straßenverkehr. Allumfassend ist dies aber nicht möglich, da hinter jeder Sanktion auch eine Verwaltung und Exekutivmacht stehen muss. Sind aber die Gesetze nicht mehr sanktionierbar, dann gelten sie praktisch auch nicht mehr.
Letztendlich werden die Menschen, wenn sie sich vom staatlichen "Gerechtigkeitserzeugungsapparat" keine Lösung ihrer Probleme mehr erwarten, ihre eigenen Mittel suchen, ein gerechtes Miteinander zu ermöglichen. Communities, Online Bewertungssysteme sind hier meiner Meinung nach bereits zarte Alternativen - keine Exekutivmacht dahinter, aber soziale Stigmatisierung. Des Weiteren wird dieses Feld über die Regelsysteme von sozialen/ethnischen/religiösen/kulturellen Gruppen bedient werden.
Die Konsequenz daraus ist aber verheerend. Wird das staatliche Rechtssystem und seine Mängel nicht mehr als notwendiges Übel, sondern nur noch als Übel angesehen, dann wird es immer restriktiver werden müssen, immer observativer und immer brutaler. Es wird von einem Rechtsapparat in einen reinen Unterdrückungsapparat mutieren - der Weg dahin wird bereits von Rollstuhlfahrern, und Terroranwälten gesäumt.
Parasitismus hat auch etwas von Symbiose. Scherz beiseite, natürlich gäbe es viele wünschenswerte Alternativen, aber das Problem ist und bleibt doch der Mensch! Auch im Sozialismus gab es die, welche "gleicher" waren als die anderen.
Hörhan beschreibt die Zusammenhänge recht gut, er spricht von einem System der "Krake", der zwar immer wieder durch Gesellschaftsumbrüche Arme abgeschlagen werden, die aber immer wieder neu entsteht, weil der Mensch eben ist wie er ist. Und Parasitismus ist eben auch eine Methode, die sich über Jahrmillionen bewährt hat, auch wenn ihre Protagonisten durch Ableben immer wieder das Zeitliche segnen.
Man muss nicht gleich selbst Parasit werden, wenn man selbst nicht mehr Opferwirt sein will. Aber ist jemand, der Arbeitsplätze als Unternehmer schafft, wirklich ein Parasit? Ich habe in letzter Zeit viele Gespräche darüber geführt, denn die meisten Menschen scheinen Unternehmertum mit Parasitismus gleichzusetzen.
Es muss eine Alternative zwischen Ausbeutung und Opfergang geben. Bei einigen kommt dieser Wunsch aus einer ethischen Überzeugung, andere "fühlen" vielleicht einfach, dass sie so leben wollen. Und wenn man bedenkt, wie kurz die menschliche Lebensspanne ist, wie allgegenwärtig der Tod und die Tatsache, dass das letzte Hemd keine Taschen hat, so scheint das Streben nach kurzfristigem materiellen Gewinn derartig unsinnig, dass es der "Krone der Schöpfung" schon geradezu intellektuell unwürdig ist.
Trotzdem ist die Realität eben so. Und eben diese Realität beschreibt z. B. Hörhan* sehr gut in seinem Buch, auf sehr provokante, aber lesenswerte Weise. Etwa, dass das System, in dem wir leben, nicht für eine breite Mittelschicht gemacht ist. Das spüren gerade diejenigen, die immer mehr unter die Räder kommen bei steigenden Kosten und stagnierenden Löhnen. Auch Kiyosaki v. a. in seinem Buch "Rich Dad, Poor Dad" kommt zu ähnlichen Schlüssen. Einfach nur fröhlich leben und arbeiten im Hamsterrad wird immer schwieriger werden.
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- DRADIO: Politisches Feuilleton -
Nemetzki,
21.03.2012, 08:41
- Gesetze regeln das Parasitentum und nicht das miteinander - FN, 21.03.2012, 09:55