Wieviel «Gleichberechtigung» verträgt das Land?

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Die marxistische Offensive geht weiter

Holger, Tuesday, 20.03.2012, 14:00 (vor 5025 Tagen)

"Alexander Ulfig: In Ihren Artikeln bezeichnen Sie die Gleichstellungspolitik nicht als eine linke, sondern als eine rechte Politik. Das verwundert auf den ersten Blick, denn in der öffentlichen Meinung werden der Feminismus und die aus ihr hervorgegangene Gleichstellungspolitik als links bezeichnet. Wie begründen Sie denn Ihre These?

Günter Buchholz: Wichtig ist zu sehen, dass die politische Rechte i. w. S. Ungleichheit positiv bewertet und sie daher fördert und praktiziert, während die politische Linke i. w. S. Gleichheit positiv bewertet und diese fördert.

Die Gleichstellungspolitik der dritten Frauenbewegung zielt darauf ab, die längst erreichte Gleichberechtigung zwischen Männern und Frauen durch eine Privilegierung von Frauen mittels einer Diskriminierung von Männern auszuhebeln. Eine Politik der Privilegierung und der Diskriminierung ist objektiv eine rechte Politik, die im Gegensatz zu einer linken Politik steht."

http://cuncti.net/streitbar/83-feministische-dichotomie-maenner-versus-frauen

Starker Tobak

Michael ⌂, Tuesday, 20.03.2012, 15:22 (vor 5025 Tagen) @ Holger

und weiter im Interview:
"Die heutige Gesellschaft, die durch eine jahrzehntelange Hegemonie des Neoliberalismus (im Sinne Friedrich August von Hayeks und Milton Friedmans) in eine Marktgesellschaft umgeprägt worden ist, ist eine Gesellschaft, in der die wachsende Freiheit der sozial Privilegierten sich mit zunehmender Ungleichheit, mit abnehmender Gemeinschaftlichkeit und mit autoritären und freiheitsfeindlichen Tendenzen verbindet. Sie wird daher immer ungerechter und zugleich immer krisenhafter, und sie ist folglich nicht nachhaltig. Am Rechtsliberalismus wird zwar machtpolitisch noch festgehalten, aber tatsächlich ist er theoretisch und empirisch gescheitert.
In dieser Situation ist eine linke Politik eine solche, die mehr soziale Gleichheit und mehr Gemeinschaftlichkeit und damit zugleich mehr Freiheit für die Nicht-Privilegierten, also die überwältigende Mehrheit der Bevölkerung einfordert. Deshalb handelt es sich hier um eine beispielhaft demokratische Politik."

Ich wusste bislang nicht, dass die "linke Männerrechtsbewegung" sich bei Attac anbiedert, aber bitte, machen wir doch alle in sozialer Gleichheit. Was für eine Dystopie, alle sozial gleiche Klone, die keine abweichenden Wünsche und Ziele haben, denn hätten sie abweichende Ziele und Wünsche, sie wären notwendig UNGLEICH, was ja für Linke furchtbar ist. Als Liberaler kann ich solche unreflektierten Aussagen einfach nur furchtbar finden und darüber hinaus ist mir die Form von bashing by name dropping, die Herr Buchholz hier betreibt, einfach zuwider. Ich halte die Wette, das Hayek in einem Satz mehr korrekten und reflektierten Inhalt transportiert als Buchholz in diesem gesamten Interview.

Und zum Thema "soziale Gerechtigkeit", was für Linke nichts anderes ist als "soziale Gleichheit" hat Hayek gesagt, was es zu sagen gibt:

http://sciencefiles.org/2011/11/20/die-illusion-der-sozialen-gerechtigkeit/

by the way, welches Ziel verfolgt eigentlich "linke Männerpolitik" Die Stärkung von Männerrechten oder die Bekämpfung des "Neoliberalismus (sofern die "Linken" wissen, was Neoliberalismus ist)"?

Absurditäten gar

Klimax, Tuesday, 20.03.2012, 15:56 (vor 5025 Tagen) @ Michael

und zugleich immer krisenhafter, und sie ist folglich nicht nachhaltig. Am
Rechtsliberalismus wird zwar machtpolitisch noch festgehalten,

Und zum Thema "soziale Gerechtigkeit", was für Linke nichts anderes ist
als "soziale Gleichheit" hat Hayek gesagt, was es zu sagen gibt:
http://sciencefiles.org/2011/11/20/die-illusion-der-sozialen-gerechtigkeit/
by the way, welches Ziel verfolgt eigentlich "linke Männerpolitik" Die
Stärkung von Männerrechten oder die Bekämpfung des "Neoliberalismus
(sofern die "Linken" wissen, was Neoliberalismus ist)"?

Sie wissen es zumeist nicht; denn den Namen Rüstow haben kaum je gehört. Das lächerlichste am zitierten Interview ist aber der ganz oben wiedergegebene Satz; denn "machtpolitisch festgehalten" wird weder am Rechts-, Links- oder sonstwelchem Liberalismus, sonderen daran, daß wir alles andere, nur keinen Liberalismus haben. Einen Hayekschen schon mal gleich überhaupt nicht.

Klimax

Starker Tobak

Holger, Tuesday, 20.03.2012, 16:28 (vor 5025 Tagen) @ Michael

Hatte Deinen Artikel zu Hayek auf die Schnelle nicht gefunden- ich war aber sicher, Du lieferst rasch!

Der entlarvende Unsinnssatz im Zitierten lautet:

"...während die politische Linke i. w. S. GLEICHHEIT positiv bewertet und diese fördert.

Gleichheit ist die Ergebnisgleichheit der Gleichstellung.
Somit folgt:
Da 'Gleichheit' links (und somit gut) ist, ist Gleichstellung ebenfalls gut und die ist rechts ("...Gleichstellungspolitik ist rechte Politik...")

Also ist links gleich rechts.
Man nennt so was 'alogische Elemente'.

Starker Tobak

Holger, Tuesday, 20.03.2012, 16:35 (vor 5025 Tagen) @ Holger

Mit Marx liegt man jedenfalls bei Buchholz nicht verkehrt:

http://www.praxisphilosophie.de/prxtag2010.pdf

Starker Tobak

Michael ⌂, Tuesday, 20.03.2012, 16:47 (vor 5025 Tagen) @ Holger

"Man nennt so was 'alogische Elemente'."

Man kann es auch schlicht Unsinn nennen, denn etwas kann nicht es selbst und sein Gegenteil sein... :)

Das wussten bereits die alten Griechen ... waren wahrscheinlich alle neoliberale Freunde der Ungleichheit ...

Starker Tobak

Klimax, Tuesday, 20.03.2012, 19:50 (vor 5025 Tagen) @ Michael

Das wussten bereits die alten Griechen ... waren wahrscheinlich alle
neoliberale Freunde der Ungleichheit ...

Die alten Griechen waren da durchaus unterschiedlicher Meinung. Nicht zufällig findet sich die Dialektik Hegelschen Typus' im Neuplatonismus (nicht erst bei Proklos) vorgeprägt. Den Satz vom Widerspruch als Prinzip vertraten vornehmlich Aristoteles und dessen Schüler.

Klimax

Starker Tobak

Holger, Wednesday, 21.03.2012, 09:25 (vor 5024 Tagen) @ Klimax

Um jetzt nicht auf den weiten Ozean hinaus zu schwimmen, will ich zur 'Gleichheit' zurück.
Diese Mala der Aufklärung nach 1789 als unhinterfragbares Diktum zu betonieren, war in der gesamten Folgezeit fürnehmste Aufgabe 'progressiven' Gedankenguts, dabei hätten sie nur Prokrustes verinnerlichen müssen:

"Gleichheitsideologien fordern ihren Tribut. Die Geschichte über Prokrustes, den Unhold aus der griechischen Mythologie, erzählt davon. In der Gegend lebten Riesen und Nicht-Riesen. Die Ungleichheit führte zu Unterdrückung. Nur Gleichheit bringt Gerechtigkeit. Die Riesen sollten das Recht haben, Nicht-Riesen, und die Nicht-Riesen das Recht haben, Riesen zu sein, überlegte Prokrustes und machte sich ans Werk. Der Unhold ging sein Vorhaben nicht zimperlich an. Der Maßstab für das Ideal war sein Bett. Waren die Menschen zu groß für das Bett, hackte Prokrustes ihnen die Füße und andere überschüssige Gliedmaßen ab, waren sie zu klein, hämmerte und streckte er sie zur Größe der Riesen aus. Die Auswirkungen der Behandlung durch den Folterer waren schmerzhaft. Zwar war das Ziel erreicht – die genormten Menschen waren endlich alle gleich –, doch sie waren verstümmelt. „Ist das nicht vernünftig?“, wandte sich Prokrustes an Pallas Athene, die sich selbst ein Bild über seine eigenwilligen Ideen über Gleichheit und Gerechtigkeit machen wollte. Sie kehrte kopfschüttelnd um. Prokrustes’ Argumentation hatte ihr die Sprache verschlagen. „Es war das erste Mal, dass sie als Göttin eine ideologische Rede vernommen hatte, und sie fand keine Entgegnung“, konstatiert Friedrich Dürrenmatt (1980) in seiner literarischen Nacherzählung des Prokrustes-Mythos."

http://www.imabe.org/index.php?id=511

Starker Tobak

Rainer ⌂, Wednesday, 21.03.2012, 09:59 (vor 5024 Tagen) @ Holger

Sprache verschlagen. „Es war das erste Mal, dass sie als Göttin eine
ideologische Rede vernommen hatte, und sie fand keine Entgegnung“,
konstatiert Friedrich Dürrenmatt (1980) in seiner literarischen
Nacherzählung des Prokrustes-Mythos."

Prokrustes wurde von Theseus auf dessen Wanderung nach Athen als letzter der Bösewichte am Kephisos erschlagen.

Der Akt scheint nicht vollkommen gelungen.

Rainer

--
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Kazet heißt nach GULAG jetzt Guantánamo

Starker Tobak

Holger, Wednesday, 21.03.2012, 09:12 (vor 5024 Tagen) @ Michael

Ich muß gestehen, daß mir die Diskussion im Link entgangen ist- eine wahre Fundfgrube liberaler Argumentation und ich fürchte, daß es die meisten Leser auch nicht gelesen haben.
Es ist ja das Elend unserer heutigen Zeit, sich hinter sinnlosen Worthülsen zu verstecken und was das Freundchen Buchholz da veranstaltet, ist nichts als Wortgeklingel und- wie Sie es nennen- barer Unsinn.
Dasselbe Muster findet sich zum Verwechseln ähnlich auch hier im verlinkten Text:
http://www.wgvdl.com/forum/index.php?id=225634
Es ist kein Zufall, daß derart Verquastes immer von Linken aus der Soziopolitoecke kommt, die sich in der Diskurshoheit wähnen.

Damit ist doch alles gesagt:
"Und meinerseits will ich ergänzen, dass ich erhebliche Probleme damit habe, die Kritik an was auch immer, z.B. den Begrifflichkeiten, die Politiker benutzen (meist ohne eine Ahnung von deren Bedeutung zu haben, z.B. Populismus…) als totalitär zu brandmarken. Das hat Gemeinsamkeiten mit Denkverbot und stellt zudem nicht in Rechnung, dass (1) Kritik die einzige Möglichkeit ist, um Fehler, Lügen oder Missbrauch aufzudecken, (2) Sprache dann, wenn man den Gebrauch von Begriffen nicht mehr hinterfragen darf, zum sinnentlehrten Gelaber wird, (3) gerade Politiker jemanden brauchen, der ihnen regelmäßig sagt, wovon sie reden, damit sie wieder auf dem Boden der Tatsachen ankommen. Ich sehe die Aufgabe von Wissenschaft, von kritischer Wissenschaft darin, dabei mitzuhelfen, dass Begriffe wie soziale Gerechtigkeit, mit denen Politiker aus ideologischen Gründen hantieren und manipulieren, aus der öffentlichen Diskussion verschwinden."

Die marxistische Offensive geht weiter

Tätiger, Tuesday, 20.03.2012, 16:15 (vor 5025 Tagen) @ Holger

Es ist egal, ob der Unfug von links oder rechts kommt - Hauptsache er verschwindet im Nirgendwo!

Die marxistische Offensive geht weiter

Cardillac, Tuesday, 20.03.2012, 20:35 (vor 5025 Tagen) @ Holger

http://cuncti.net/streitbar/83-feministische-dichotomie-maenner-versus-frauen

Aus dem Interview:

Das gesellschaftstheoretische Denken ist in den Parteien der Linken offenbar teilweise gar nicht mehr präsent, und auf diesem leeren Feld konnte sich der politische Opportunismus, für den theoretische Reflexionen nur lästig sind, unbegrenzt ausbreiten.

Ich vermute somit, dass einerseits im Verlauf der Hegemonie des Neoliberalismus das gesellschaftstheoretische Denken in den Organisationen der Linken geschrumpft oder ganz verschwunden ist, und dass dieses Feld vom feministischen Diskurs, der ein ausgesprochen machtpolitischer ist, besetzt worden ist. Es ist daher heute hoch riskant zu widersprechen. Und den Rest besorgt zuverlässig der übliche Konformismus.

Sehr schön analysiert. Es bleibt zu hoffen, dass die Linke endlich wach wird. Wird sie es, dann sickert der Antifeminismus in jede Straßendemonstration und verbindet sich mit der sozialen Frage.

Die marxistische Offensive geht weiter

Holger, Tuesday, 20.03.2012, 21:35 (vor 5025 Tagen) @ Cardillac

Da gebe ich dir ausnahmsweise recht.
Wobei zu klären wäre, was die 'soziale Frage' heute ist.

PDS - Prinzipiell das Selbe!

roser parks, Tuesday, 20.03.2012, 21:37 (vor 5025 Tagen) @ Cardillac

Ich vermute somit, dass einerseits im Verlauf der Hegemonie des
Neoliberalismus das gesellschaftstheoretische Denken in den Organisationen
der Linken geschrumpft

Vor 21 Jahren war ein gesellschaftstheoretisch gedachter Ansatz der Linken vornehmlich aus wirtschaftlichen Realgründen gescheitert.
Dadurch wurde es obsolet kollektivistisch geprägte gesellschaftstheoretische Ansätze zu denken. Linkes Denken beschränkte sich daher zunächst nur auf Schadensbegrenzung.

Sehr schön analysiert. Es bleibt zu hoffen, dass die Linke endlich wach
wird. Wird sie es, dann sickert der Antifeminismus in jede
Straßendemonstration und verbindet sich mit der sozialen Frage.

Narrowitsch hatte es schön beschrieben, warum sollten Männer die von den Linken verraten wurden bei dieser Demo mitziehen?

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