Wieviel «Gleichberechtigung» verträgt das Land?

Archiv 2 - 21.05.2006 - 25.10.2012

233.682 Postings in 30.704 Threads

[Homepage] - [Archiv 1] - [Archiv 2] - [Forum]

Text zu Archivzwecken gesichert

jens_, Sunday, 12.02.2012, 14:55 (vor 5063 Tagen) @ jens_

Netz Der neue Antifeminismus

Wenn ihr bisher geglaubt habt, dass ein "shitstorm" hauptsächlich von Netzaktivisten losgetreten wird, die sich über Unternehmen oder Politiker ärgern, dann seid ihr den Antifeministen noch nicht begegnet: Radikale Männerrechtler, die sich seit einiger Zeit im Internet zusammenrotten.

Autor: Elisabeth Veh Stand: 08.02.2012

Kann man im Jahr 2012, über 100 Jahre nach der Geburt von Simone de Beauvoir wirklich im Zentrum eines antifeministischen "shitstorms" - also einem Sturm aus Bedrohungen und Beleidigungen in Social Networks - landen? Man kann:

Lena Simons: "Was ich schon ziemlich heftig fand war der Menstruationsblut-Kommentar, den sich jemand nicht verkneifen konnte."

Hinrich Rosenbrock: "Ich habe im Zuge meiner Expertise Morddrohungen bekommen."

Regina Frey: "Ich glaube, die sitzen die ganze Nacht vor dem Rechner und schreiben Kommentare."

Lena Simons: "Wenn man weiß, dass irgendwelche Leute schimpfliche Sachen schreiben, dann macht man natürlich auch nichts anderes, als am Rechner zu sitzen und sich das anzugucken, das hat mich bestimmt zwei Wochen gekostet."

Der Grund für diese Verbal-Attacke: Lena Simon, Regina Frey und Hinrich Rosenbrock haben sich im Netz zu feministischen Themen geäußert. Positiv. Das kam nicht gut an. Sondern rief die antifeministische Männerbewegung auf den Plan. Der Soziologe Hinrich Rosenbrock sagt, das sind Männer und manchmal auch Frauen, die glauben, der Feminismus drückt ihre Männerrechte aus wie eine Zigarette.

"Der Mann als komplett unterdrücktes Wesen in der Gesellschaft. Da tauchen Begriffe auf wie 'Femokratie'. Es gibt auch die Vorstellung, dass die Männer die Juden der BRD seien - es ist in extremer Form sehr haarsträubend und verschwörungstheoretisch."

Hinrich Rosenbrock
Dauerprovokateure im Netz

Anonym im Netz geäußert bleibt Haarsträubendes aber meist ohne Konsequenzen. So konnten sich die Antifeministen zu Macho-Trollen entwickeln, also zu Dauerprovokateuren im Netz. Sie betreiben Vereine und Hetz-Foren, und beherrschen in ihrer männerrechtgewordenen Borniertheit ganze Kommentarspalten von Spiegel oder Welt-online: "Alice Schwarzer ist eine Sexistin vor dem Herrn!" und: "Die muslimische Invasion Europas brächte nicht nur Nachteile: Feminismus, Gender Studies und Regietheater würden immerhin verschwinden."

Damit kratzen die Antifeministen nicht nur am rechten Rand, sondern tummeln sich außerdem ausgerechnet da, wo man sich sonst mit freiheitlicher Denke schmückt: Bei der Piratenpartei. Denn auch hier ist Feminismus ein Thema – wenn auch nicht besonders erfolgreich. Die Bloggerin Lena Simon wollte was dagegen tun, dass so wenige Frauen bei digitalen Themen mitmischen – und trat die Frauenquoten-Diskussion los.

"Bei den Piraten fiel es mir besonders stark auf, deswegen habe ich es da versucht zu thematisieren. In der Piratenpartei ist mir auch wesentlich mehr Gegenwind entgegengestoßen als in anderen Parteien."

Lena Simon

Ergebnis: another shitstorm mit antifeministischer Tendenz. Zitat: "Da muss man schon 'ne ganz schöne Pussy sein um sich darüber aufzuregen."
Piraten sind eben Männer

Viele Piraten bekommen Ausschlag, sobald sie das Wort "Feminismus" hören. Sie wähnen sich im liberalen Post-Gender-Zeitalter – und wo kein Geschlecht, da keine Diskriminierung. Leider schwimmen inzwischen auch richtige Antifeministen im Post-Gender-Pool – genauer gesagt in der AG Männer, einer Diskussionsplattform innerhalb der Piratenpartei. Die Gruppe ist zwar inzwischen geschlossen, aber auf ihrer Internetseite sind Links zu antifeministischen Webseiten: Agens oder Manndat heißen die, und ihre Haltung ist klar, sagt Hinrich Rosenbrock.

"Manndat gibt sich den Anschein, für Männerrechte einzutreten, das ist aber auch wieder gepaart mit dem Antifeminismus und der Vorstellung, dass wir grundsätzlich unterdrückter sind als Frauen."

Hinrich Rosenbrock
Von Wikipedia und Wikimannia

Auch bei Wikipedia gab es eine Quotendebatte, denn nur etwa zehn Prozent der Artikel werden von Frauen geschrieben. Und auch hier schimpften die Antifeministen mit. "Weswegen sie ein vergleichbares Projekt mit der Wikimannia gestartet haben, wo sie versuchen, ihre antifeministische Sicht auf die Dinge darzulegen", sagt Hinrich Rosenbrock. Zitat Wikimannia: "Schon immer hat die Frau wegen ihrem Äußeren, das sehr attraktiv auf Männer wirkt, eine bevorzugte Behandlung für sich erreichen können." So versuchen radikale Männerrechtler, die liberalen Errungenschaften des Netzes für sich zu nutzen. Es sind nicht besonders viele. Aber sie sind laut. "Ich glaub schon dass sich da jemand bedroht fühlt", erklärt sich die Genderforscherin Regina Frey das Getöse der Antifeministen im Netz.

"Es ist eine Zeit in der sich vieles verändert, vieles ist freier geworden, da gibt es eine Verunsicherung. Von ihrer Radikalität her, fühle ich mich manchmal an frühe, radikale feministische Strömungen erinnert."

Regina Frey

Mit dem feinen Unterschied dass Männer nie dafür kämpfen mussten, selbst ein Konto eröffnen zu dürfen.


gesamter Thread:

 

powered by my little forum