Vorträge Familiennetzwerk
Mal zwei Absätze aus einem Vortrag von Steve Biddulph
Manchmal ist es hilfreich, einige persönliche Erfahrungen zu schildern. Ich habe in 2001 während
einer Vortragstour in Deutschland eine große Kindertagesstätte besucht. Dort war man
besorgt darüber, was ich in meinen Büchern schreibe, und lud mich ein: kommen Sie und besuchen
Sie uns, wir sind die beste Kindertagesstätte in dieser Region, Sie müssen sich ansehen,
was wir hier tun. Also ging ich hin und hatte einen ausgiebigen Blick auf schöne Spielzeuge,
moderne Fenster, einen herrlichen Garten, saubere Einrichtung, alles war sehr schön,
aber es waren keine Kinder da, und nach einer Weile sagte ich: ?Ich würde gerne ein paar
Kinder sehen?, und man antwortete mir: ?Oh die sind ? es ist16:00 - da spielen sie alle draußen?,
und also fragte ich, ob wir sie nicht dort besuchen und einige Zeit mit ihnen verbringen
könnten. So haben wir das gemacht, die Kinder waren wunderbar, sie waren sehr an unserer
Aufmerksamkeit interessiert, sie rannten zu uns, und wir sprachen mit ihnen. Für meine Tour
in Deutschland hatte ich eine junge deutsche Kinderärztin als Übersetzerin dabei, und während
ich mit ein paar Kindern sprach, bemerkte ich, das ein Kind, ein kleines Kind, ein kleines
Mädchen, welches ein wenig traurig aussah, zu meiner Kollegin kam. Diese sah auf die Kleine
herunter, bemerkte ihre Traurigkeit, und ließ sich auf ihre Knie herunter. Das Kind umfasste
sie mit seinen Ärmchen und hielt sie ganz fest, und meine Kollegin umarmte das Kind ihrerseits.
Ich denke, sie blieben umarmt für eine ganze Weile, 30 Sekunden ? eine Minute -
lang für eine solche Umarmung - und dann wurde ich abgelenkt, weil eines der Kinder, mit
denen ich sprach, Sand in die Augen geworfen bekam, und es entstand ein kleiner Tumult.
Als wir später von der Kindertagesstätte zurückfuhren, bemerkte ich, dass meine Übersetzerin
wütend aussah, und ich fragte sie: ?Was ist los?? Und sie antwortete: ?Ich war wütend wegen
vorhin!? Sie erzählte, dass, als sie die Umarmung mit dem kleinen Mädchen löste, es zu ihr
gesagt hatte: ?Ich habe hier so ein Namensarmband, es schneidet in meine Hand ein?. Und die
junge Frau hatte geantwortet: ?Lass mich Deine Hand ein wenig reiben, damit es besser
wird?. Eine der Betreuerinnen sei herangekommen und hatte gefragt: ?Was tun Sie?? und sie
fuhr fort: ?das Mädchen muss jetzt gehen, und sie muss das Armband umhaben?, und meine
Freundin sagte: ?Oh, ich habe ihr nur die Hand etwas gerubbelt?, und die Betreuerin sagte ein
paar Worte, die ich nie vergessen habe, sie sagte: ?Für so etwas haben wir hier keine Zeit!?
Ich denke, genau das ist so bezeichnend für die Gruppenbetreuungssituation: Für so etwas
haben wir hier keine Zeit, wir haben keine Zeit für Sonderbehandlung, wir haben keine Zeit
dafür, einem Kind besondere Liebe und Aufmerksamkeit zu schenken. Und das Traurige daran
ist, diese Dinge sind genau das, was ein Kleinkind braucht: Ein- und zweijährige Kinder
müssen sich als Zentrum der Welt ihrer Eltern empfinden dürfen, müssen spüren, die Welt
liebt sie, weil ihre Eltern sie lieben. Und dieses Gefühl ist in einer Krippe einfach nicht verfügbar
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Prof. Mellish, der britische Experte in diesem Feld, hat unterstrichen: ?Ja, man kann
sehr gute Kinderfremdbetreuung etablieren, man kann den Betreuungsschlüssel klein halten,
man kann das Betreuungspersonal in Entwicklungspsychologie universitär ausbilden lassen,
usw. Wenn man das alles tut, ist Kinderbetreuung so kostspielig, dass es billiger ist, Eltern ein
Einkommen zu zahlen. Es ist daher die viel bessere Investition und eine höhere Garantie für
gute Qualität, wenn man jungen Müttern und jungen Vätern Geld dafür gibt, dass sie sich dafür
entscheiden, ihre Kleinkinder mit elterlicher Liebe und Fürsorge im Schlüssel 1:1 selbst zu
erziehen?.
http://www.familie-ist-zukunft.de/Biddulph-deutsch.pdf
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