Neues Unterhaltsrecht
Unterhaltsrecht: Was sich durch die Reform ändert
von Uta Gaentzsch
WDR, Samstag, 12.05.2007, 17:03 Uhr im Ersten
http://www.wdr.de/tv/ardrecht/sendungen/2007/mai/070512_2.phtml
Etwa 30 Jahre lang galt ein Unterhaltsrecht, das von dem Familienbild der sogenannten "Hausfrauenehe" ausging. Damals war es vom Gesetzgeber gewollt, dass sich die Ehepartner die Arbeit so aufteilten, dass einer das Geld verdient und der andere die Familienarbeit übernimmt. Kam es zur Scheidung, bot das Gesetz für diese Form der Ehe eine gerechte Lösung. Jetzt hat der Gesetzgeber ein anderes Familienmodell vor Augen, für das er im Scheidungsfall eine gerechte Lösung schaffen will, und zwar eines, bei dem nach Möglichkeit beide Partner berufstätig sind.
Stärkung der Eigenverantwortung
Nach dem neuen Unterhaltsrecht soll die Eigenverantwortung der Partner nach der Scheidung gestärkt werden. Das heißt: Jeder soll nach Möglichkeit erwerbstätig sein und selbst für seinen Unterhalt aufkommen. Betreut einer die gemeinsamen Kinder, soll ihm früher wieder zugemutet werden, eine Berufstätigkeit aufzunehmen als nach jetzt geltendem Recht.
Kathi und Wolfgang führten eine glückliche Ehe. Sie ist Krankenschwester, er Chefarzt. Nach zwölf Ehejahren kam ihr Sohn Jacob auf die Welt. Drei Jahre später dann die Scheidung. Nach dem derzeit geltenden Recht hätte Kathi Anspruch auf vollen Unterhalt, bis Jacob acht Jahre alt ist. Danach wäre ihr eine Teilzeittätigkeit zuzumuten, der Unterhalt würde also nur reduziert. Der Unterhaltsanspruch kann über Jahre bestehen bleiben, wenn zum Beispiel wegen der langen Auszeit kein Job in Sicht ist. Der Höhe nach hat Kathi Anspruch darauf, den ehelichen Lebensstandard fortzuführen.
Einmal Chefarztgattin, immer Chefarztgattin? Das gilt nach neuem Unterhaltsrecht nicht mehr. Die Lebensstandardgarantie wird abgeschafft. Außerdem ist der Unterhaltsanspruch nicht nur der Höhe nach, sondern auch in Bezug auf die Dauer gekappt. Nach neuem Recht sollen beim Betreuungsunterhalt die starren Fristen, zum Beispiel bis das jüngste Kind acht Jahre alt ist, nicht mehr gelten. Stattdessen wird im Einzelfall geschaut, ob für die Kinder Betreuungszeiten genutzt werden können, um in der Zeit arbeiten gehen zu können. Hat beispielsweise ein Kind mit drei Jahren einen Platz in einer Kindertagesstätte, kann dem betreuenden Elternteil eine Berufstätigkeit in dieser Zeit zugemutet werden. Von Kathi kann also fünf Jahre früher ein Einstieg in den Beruf gefordert werden.
Kinder in den ersten Rang
Eine weitere wichtige Änderung ist die Stärkung der minderjährigen Kinder. Sie stehen im ersten Rang. Erst danach kommen die betreuenden Elternteile, und zwar die, die mal mit dem Unterhaltsschuldner verheiratet waren im zweiten und die unverheirateten im dritten Rang. Reicht das Geld des Unterhaltsverpflichteten nicht aus, bekommen zuerst die Kinder aus dem ersten Rang ihren Unterhalt ausbezahlt. Erst wenn dann noch etwas übrig ist, kommen die betreuenden Elternteile zum Zuge. Da in 80 Prozent der Unterhaltsfälle nicht genug Geld da ist, um alle Unterhaltsberechtigten auszuzahlen, sind die Kinder in der Rangfolge die Gewinner der Unterhaltsreform.
Trotzdem kann bei einigen Kindern am Ende weniger Geld ankommen, als vor der Reform. Die Unterhaltsbeträge können niedriger ausfallen, weil sich die Kindergeldverrechnung ändert und weil sich das Existenzminimum in Zukunft nach dem Steuerrecht richten soll und es damit niedriger ausfällt.
Steuereffekt
Den Unterhalt für die Kinder kann man nicht von der Steuer absetzen, wohl aber den für den Ehegatten. Das war früher zwar auch schon so, aber aufgrund der geänderten Rangfolge, kann im Einzelfall der Steuervorteil wegfallen. Phillip und Jonas leben seit der Scheidung ihrer Eltern bei ihrer Mutter Sophia. Der Vater zahlt Unterhalt so viel er kann, doch leider reicht es nicht für alle aus.
Nach jetzt geltendem Recht sind Mutter und Kinder im gleichen Rang, also bekommt jeder einen Teilbetrag an Unterhalt. Den Unterhalt für die Mutter kann der Vater von der Steuer absetzen. Dieser Steuervorteil kommt allen zugute, da dadurch insgesamt mehr Geld zum Verteilen bleibt.
Nach neuem Unterhaltsrecht sind die Kinder im ersten Rang. Das vorhandene Geld wird also zunächst auf Phillip und Jonas verteilt. Da das Geld nicht ausreicht, bekommt die Mutter, die jetzt im zweiten Rang ist, keinen Unterhalt. Obwohl der Vater an seine Familie genauso viel Geld überweist, kann er keinen Unterhalt mehr von der Steuer absetzen, da er ja nur noch Kindesunterhalt bezahlt und nicht mehr den steuerbegünstigten Ehegattenunterhalt. Durch den Wegfall des Steuervorteils ist weniger Geld zum Verteilen da, also bekommen auch die Kinder am Ende weniger ausgezahlt.
Wer nach Einführung der Unterhaltsrechtsreform darüber nachdenkt, einen bestehenden Unterhaltstitel abzuändern, sollte vorsichtig sein und genau nachrechnen, was der Steuervorteil ausmacht. Wenn man nach altem Recht für die Ehefrau zwar mehr zahlen muss, kann man wegen des Steuervorteils vielleicht dennoch besser dastehen als nach neuem Recht. Also niemals eine Abänderungsklage einreichen, ohne vorher genau den Steuereffekt zu prüfen!
Für wen gilt die Reform?
Die Reform gilt für alle Geschiedenen und diejenigen, die sich scheiden lassen werden. Es kommt also nicht darauf an, wann die Paare geheiratet haben und ob sie das Eheleben noch nach dem alten Unterhaltsrecht ausgerichtet haben. Wer sich also nach Einführung der Unterhaltsrechtsreform scheiden lässt, für den wird das neue Unterhaltsrecht direkt angewandt. Aber auch diejenigen, die schon längst die Scheidung hinter sich haben und für die bereits ein Unterhaltstitel besteht, sind von der Unterhaltsrechtsreform betroffen.
Der bestehende Unterhaltstitel kann unter bestimmten Voraussetzungen abgeändert werden. Dies ist dann möglich, wenn der Unterschied zwischen altem und neuem Recht mehr als zehn Prozent ausmacht, und wenn die Abänderung für beide Parteien zumutbar ist. Was im Einzelnen zumutbar ist, wird sich erst nach langer Rechtsprechungspraxis zeigen. Fest steht jedoch schon jetzt, dass sich die Richter stark an dem Willen des Gesetzgebers orientieren müssen, der die Eigenverantwortung nach der Ehe ganz groß geschrieben hat.
Folgen auch für glücklich verheiratete Paare
Tina und Klaus sind glücklich verheiratet, an Scheidung ist für sie gar nicht zu denken. Sie führen eine sogenannte typische "Hausfrauenehe". Sie verzichtet auf die Karriere, um die beiden gemeinsamen Kinder zu betreuen, er verdient das Geld für die Familie. Doch die Diskussion um das neue Unterhaltsrecht macht Tina nachdenklich, schließlich macht sie sich schon länger Sorgen um den Wiedereinstieg in den Beruf nach der Kinderpause. Sie überlegt, ob sie eine Teilzeittätigkeit aufnehmen soll, um den beruflichen Anschluss nicht zu verlieren. Doch ihr Mann und ihre Kinder protestieren. Das wäre mit viel Stress für die Familie verbunden, zumal Klaus beruflich sehr eingespannt ist. Klaus will von der Unterhaltsrechtsreform nichts hören, er will sich vom Gesetzgeber nicht vorschreiben lassen, wie sie ihr Familienleben zu führen haben. Klaus schwört Tina, dass er sie finanziell nie im Stich lassen werde. Reicht so ein Schwur aus, wenn es später doch zu Scheidung kommt?
Tina kann sich nicht darauf verlassen, dass sie durch den Schwur ihres Mannes später in einem möglichen Unterhaltsprozess besser dasteht als ohne. Zum einen sind mündliche Abreden im Prozess schwer zu beweisen, zum anderen ist äußerst ungewiss, ob diese Absprache überhaupt über den Zeitpunkt der Scheidung hinaus gilt. Auch schon nach jetzigem Recht haben Absprachen, die in der Ehe getroffen wurden, nach der Scheidung keine Gültigkeit mehr.
Tina sollte also aufgrund der Reform des Unterhaltsrechts aktiv werden. Sie sollte mit ihrem Mann einen Ehevertrag vor einem Notar schließen, um sich die Rechte aus dem jetzt noch geltenden Unterhaltsrecht zu sichern. Denn nur mit einem solchen Vertrag können die Eheleute das jeweils geltende Recht für sich abändern. Für den Fall, dass kein Ehevertrag zustande kommt, sollte Tina wieder den Einstieg in den Beruf wagen, um den Anschluss nicht zu verlieren. Ansonsten würde sie im Scheidungsfall die beruflichen Nachteile, die eine lange Kinderpause mit sich bringt, überwiegend alleine tragen.
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Odin statt Jesus!
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