Ulrike Baureithel
Trinken wie ein Mann
NOTAUSGANG*A. L. Kennedy glänzt in ihrem bemerkenswerten Roman "Paradies"
über eine Alkoholikerin mit weltliterarischen Qualitäten
Intelligenz säuft, sagt der Volksmund, weshalb der Alkohol auch zu einem
veritablen Thema der Weltliteratur geworden ist: Schon die Bibel berichtet
von einem beschwipsten, spendierfreudigen König, der Esther die Hälfte des
Königreiches verspricht. Der im Kino kürzlich wieder entdeckte Charles
Bukowski wusste das Trinkritual ebenso zu besingen wie Ernest Hemingway.
In Tennessee Williams Klassiker Die Katze auf dem heißen Blechdach spielt
die Flasche gar die heimliche Hauptrolle, Jack London und Upton Sinclair
folgten den Alkoholspuren bis nach Alaska und in den amerikanischen Süden,
und hierzulande suchten Hans Fallada oder Joseph Roth die Wahrheit im
Rausch.
"Hütet Euch vor Dichtern, die nicht saufen! Sie bedeuten für die Literatur dasselbe, was die alten Jungfern für die Fortpflanzung des Menschengeschlechtes bedeuten.
Sie sind ein Greuel und eine große Gefahr. Wehe, wenn sie die Welt mit ihrem Laster strohtrockener Verse anstecken. Dann ist das Ende nahe herbeigekommen. Selbst Schiller trank Likör, aber, wenn er nicht trank, schrieb er diese bedenklichen Sachen, an denen heute noch sämtliche Gymnasiallehrer leiden. Shakespeare dagegen soff wie ein Loch.
Wie? Ihr fragt nach Belegen? Ja. Wenn ihrs nicht fühlt! Ich mache mich anheischig, bei jedem seiner Stücke zu sagen, was er damals gerade getrunken hat. Im Hamlet steckt viel Porter. Daher diese etwas schwermütige, aber immerhin sublim betrunkene Grundstimmung. Voll Whisky-Brandy ist Othello, doch mit einem Schuß Sherry. Ale, Ale und abermals Ale ist King Lear. Es ist das Hohelied des Ales. (...) Die ganze Literaturgeschichte, wohl gemerkt, so weit es sich um Verse handelt, ist nichts als eine große Tafel der Getränke."
(Otto Julius Bierbaum: Stilpe)