Wieviel «Gleichberechtigung» verträgt das Land?

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Psychologisierung des Alttags

LatexTester, Thursday, 22.12.2011, 23:50 (vor 5116 Tagen) @ Michael

Naja, bei all der unsinnigen Psychologisierung des Alltags bleibt ein
Trost: Die Kaufsucht endet entweder an der Kasse oder beim
Überziehungskredit...

Das ist das Niveau menschliche Schwächen und Eigenheiten zu thematisieren - eigentlich inventieren, phantasieren, dramatisieren -, diese zu pathologisieren, welches vor Jahren vornehmlich in den Frauenzeitschriften auftauchte (Machen Sie den Test - sind Sie eine gute Zuhörerin?) und inzwischen Mainstream der Psychologie geworden ist. Der diplomierte Psychologe wird zum Lifestyleberater und existenziellen Coach - alles bezahlt von der Kasse und dementsprechend schlägt sich die Trivialisierung von Leiden (Banalität der Mösen) in den Medien nieder. Es vergeht kaum noch ein Tag, an dem nicht, egal bei welchem Verbrechen, eine Psychotante in Fernsehen oder Zeitung auftaucht und vom unbekannten Täter eine tiefenpsychologische Ferndiagnose erstellt. Der Witz dabei ist doch, dass diese Form der "Wissenschaft" nicht nur stark an das esoterische Handauflegen und Fernheilen erinnert, sondern wahrscheinlich auch das Äquivalent darstellt.

Dazu passt auch, wenn Sprachstörungen, die bei einem Teil der kleineren Kinder schon immer aufgetreten sind, als behandlungsbedürftige Entwicklungsstörung hochgejazzt werden, auf dass all die weiblichen Logopäden sich in Lohn und Brot halten können. Denn die Sprachstörungen der Lautbildung, diese t/d- und p/b-Schwächen oder anderen minimalen Aussprachefehler, verwachsen sich innerhalb der ersten zwei Schuljahre. Exakt dieses Zeitfenster der Entwicklung soll mit dramatisierenden Pressemeldungen aber in klingende Münze umgewandelt werden. Das ist ein gigantischer Markt und Eltern müssen sich bald entscheiden, für welche Entwicklungsdefizite sie ihr Kind beim Therapeuten anmelden. Dienstags lieber zum Logopäden oder zum Bewegungstraining? Montags oder freitags die sozialen Potentiale entwickeln lassen. Dafür Judo oder Klavierunterricht ausfallen lassen, damit es klein Samantha oder Johann samstags noch zum Kinder-Yoga schaffen?

Entscheidend ist, dass nicht nur das Taschengeld der Kinder ein riesiges Reservoir der Begehrlichkeiten darstellt. Eine reine Gelddruckmaschine sind die Berufe, welche über die Krankenkasse abrechnen können. Denn welche Kasse wollte schon in der öffentlichen Kritik stehen, weil sie Leistungen für arme, arme Kinder verweigert?


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