Jesus war eine Frau...
Die Jungfräulichkeit der Gottesmutter
im biologischen Sinn
von Dr. Heinz-Lothar Barth
Heutzutage wird die Jungfräulichkeit der Gottesmutter immer wieder angegriffen, und zwar auch und gerade aus den eigenen Reihen der katholischen Christen. Am subtilsten und daher am gefährlichsten sind die zahlreichen Stellungnahmen solcher Theologen, die Maria zwar eine jungfräuliche Gesinnung zugestehen, die biologische Virginität ihr aber absprechen und einen irdischen Vater Jesu Christi zulassen wollen. Eine besondere Variante derartiger Entgleisungen konnte man jüngst lesen: Pfarrer Johann Brucker behauptete in einer Zuschrift an die ?Tagespost" vom 18. Januar 2001, mit der Betonung der Jungfrauengeburt habe das frühe Christentum nur aussagen wollen, Jesus sei wahrer Gott, nicht aber, daß er keinen irdischen Vater gehabt habe. Eine solche Differenzierung ist nur auf dem Boden einer einerseits
wirklichkeitsfremden, andererseits wunder feindlichen Exegese möglich, die vom philosophischen Idealismus der sog. ?Aufklärung" angekränkelt ist, und läßt sich durch ein Studium der Quellen mühelos widerlegen.
Im Matthäusevangelium heißt es ausdrücklich, daß Maria empfing, ohne mit Joseph ehelich verkehrt zu haben, und daß diese Empfängnis Werk des Heiligen Geistes war (Mt 1,18). Josephwird hierüber im Traum vom Engel belehrt (Mt 1, 20). Mit Verweis auf Is 7,14 in der Septuagintafassung betont der Evangelist anschließend noch einmal die biologische Jungfräulichkeit der Gottesgebärerin (Mt 1, 22 f.). Im selben Geist berichtet Lukas, Jesus heiße ?Sohn Gottes", weil er statt eines irdischen Erzeugers Gott selbst zum Vater habe, der Maria mit seiner Kraft überschatte (Luk 1, 34 f.). Andernfalls wäre der Heiland nicht Gottes wahrer Sohn, sondern nur von ihm adoptiert ? eine Häresie, die leider oft genug in der Kirchengeschichte gelehrt worden ist und heutzutage fröhliche Urständ feiert.
Auch eine andere, heute oft zu hörende Behauptung entbehrt jeder Grundlage: Angeblich sei nur den Evangelisten Matthäus und Lukas, nicht aber den anderen neutestamentlichen Autoren die Jungfräulichkeit Mariens bekannt gewesen. Selbst wenn diese darüber schwiegen, wäre eine solche ?conclusio ex silentio" (Schlußfolgerung aus dem Schweigen) nicht statthaft: Was für das frühe Christentum selbstverständlich war, mußte nicht von jedem einzelnen Autor wieder aufs neue betont werden. Jedoch schweigen mehrere andere Hagiographen in Wirklichkeit gar nicht, wenn man ihre Texte nur richtig zu lesen versteht! So wird in
Mk 6, 3 Jesus auffälligerweise nur als der ?Sohn Mariens" bezeichnet. Johannes kennt in seinem Prolog, der den traditionstreuen Gläubigen durch das Schlußevangelium der hl. Messe vertraut ist, eine geistige Jungfräulichkeit der Jünger Christi (Joh 1, 12 f.): ?Allen aber, die ihn aufnahmen, gab er Macht, Kinder Gottes zu werden, all denen, die an seinen Namen glauben, die nicht aus dem Blute noch aus dem Wollen des Fleisches noch aus dem Wollen des Mannes, sondern aus Gott geboren sind." (vgl. Joh 3, 5 f.) Diese spirituelle Jungfräulichkeit hat im Kontext der Menschwerdung desselben Christus nur dann Sinn, wenn auch dieser seinerseits jungfräulich ? und zwar hier im biologischen Sinn, denn Johannes argumentiert ja gerade antignostisch! - inkarniert wurde. Der Bonner Dogmatiker Karl-Heinz Menke (Fleisch geworden aus Maria, Regensburg 1999, 28-50) schlug vor kurzem sogar ? mit Berufung auf gewichtige antike Zeugen - vor, eine singularische Textform in Joh 1, 13 anzunehmen. Schon manche Theologen vor ihm hatten sich ebenso entschieden, von denen er eine Reihe nennt (a.0. 50 Anm. 61). In jüngerer Zeit hatte sich ebenso der nicht angeführte Neutestamentler Michael Theobald detailliert für die singularische Lesart ausgesprochen, wenn er sie auch partiell anders als Menke interpretierte (Die Fleischwerdung des Logos, Münster 1988, 238-247). Diese von der Mehrzahl der griechischen Handschriften und der lateinischen Vulgata abweichende Fassung würde dann so lauten: ?[...all denen, die an den Namen dessen glau-
ben,] der (= der menschgewordene Gottessohn) nicht aus dem Blute noch aus dem Wollen des Fleisches noch aus dem Wollen des Mannes, sondern aus Gott geboren wurde". Bei aller Attraktivität, die der Bezug auf Christus bietet, verbleiben allerdings noch - vor allem überlieferungsgeschichtliche -Zweifel, die hier nicht diskutiert werden können (siehe z.B. Bruce M. Metzger, A Textual Commentary an the Greek New Testament, 2. Aufl. Stuttgart 1994, 168 f.).
Schließlich ist auch dem hl. Paulus die biologische Jungfräulichkeit Mariens bestens bekannt. Angedeutet wird sie in Gal 4,4 (?Als die Fülle der Zeit gekommen war, entsandte Gott seinen Sohn, geboren aus dem Weibe..."), wo nur die menschliche Mutter und der ewige Vater, bei dem sich der Logos, die zweite göttliche Person, befindet, genannt werden. Hinzu kommen beispielsweise die christologischen Hymnen von Phil 2,6 ff. und Kol 1,14 ff. Sie zeigen deutlich, daß bei Paulus Jesus das Mensch gewordene Wort Gottes, der inkarnierte Logos ist, der keinen irdischen Vater haben kann. Die menschliche Natur hat dieser Logos hinzugenommen, der Träger der Person Jesu Christi ist und bleibt jedoch seine Gottheit. Diese Lehre, die heute oft nicht mehr beachtet wird, war noch von Papst Pius XII. eingeschärft worden (Enzyklika ?Sempiternus Rex", AAS 43/1951, 638). Mit aller wünschenswerten Klarheit geht sie auch aus dem ?Quicumque", dem sog. Athanasianischen Glaubensbekenntnis, hervor: ?Unus autem non conversione divinita-
tis in carnem, sed assumptione humanitatis in Deum" (?Einer aber ist er nicht aufgrund einer Verwandlung seiner Gottheit in Fleisch, sondern aufgrund der Aufnahme der Menschheit in Gott", DH 76). Wird dieser zentrale Aspekt der Christologie nicht mehr ernstgenommen, kommt es zu schlimmen Fehlentscheidungen über das Bewußtsein des Gottmenschen (siehe die berechtigte Kritik von David Berger, Theologisches 31, 1-2/2001, 40 f.; siehe ferner Verf., Wußten Jesus und Maria nicht, wer er war? Una Voce Korrespondenz 30,1/2000, 28-53).
Ganz im Einklang mit der biblischen Offenbarung und der kirchlichen Tradition konnte die Lateransynode von 649 auf dem biologischen Fundament der Jungfräulichkeit Mariens bestehen, die sich dann natürlich auch und vor allem im geistig-geistlichen Bereich auswirkte. Papst und Bischöfe hielten fest, Maria habe das göttliche ?Wort", den Logos, ?der vor allen Zeiten aus Gott, dem Vater, geboren wurde, in den letzten Zeiten ohne Samen (griechisch: asporos, lateinisch: absque semine) aus Heiligem Geist empfangen und unversehrt geboren" (DH 503). Deutlicher geht es wohl nicht mehr!
Selbstverständlich darf man den Heiligen Geist oder Gottvater nicht in einem menschlichen Sinn zum Erzeuger
Jesu machen. Alles, was an Jesus menschlich war, ging ? von seiner Seele abgesehen, die wie immer direkt von Gott stammte ? ausschließlich auf seine jungfräuliche Mutter zurück. So heißt es wiederum im ?Quicumque": « Deus est ex substantia Patris ante saecula genitus, et homo est ex substantia matris in saeculo natus; perfectus Deus, perfectus homo ex anima rationali et humana carne subsistens > (« Gott ist er, weil er aus der Substanz des Vaters vor den Zeiten gezeugt ist, und Mensch ist er, weil er aus der Substanz der Mutter in der Zeit geboren ist; vollkommener Gott und vollkommener Mensch, bestehend aus vernunftbegabter Seele und menschlichem Fleisch", DH 76). Der Hl. Geist verlieh Maria lediglich die Fruchtbarkeit kraft eines übernatürlichen Aktes. Biologisch gesehen kann man heute die Vorgänge um Jesu Empfängnis im Schoß seiner jungfräulichen Mutter sogar viel besser einordnen als in früheren Jahrhunderten. Denn mittlerweile weiß man, daß der Frau bei der Zeugung neuen Lebens eine größere genetische Bedeutung zukommt, als man lange Zeit meist angenommen hatte, so daß das Fehlen eines menschlichen Vaters weniger Fragen aufwirft. Daher ist die heute, u.a. auch von Pfarrer Brucker vorgetragene Behauptung, in Antike und Mittelalter habe man an die Jungfrauengeburt glauben können, in unserem Zeitalter aber verbiete dies der Stand der naturwissenschaftlichen Forschung, ein Zeichen von Unwissenheit oder gar von Unredlichkeit. Man kann ja schließlich sogar nachweisen, daß jenes für die ganze christliche Botschaft
grundlegende Wunder schon spätestens im 2. Jahrhundert von gebildeten Juden und Heiden ähnlich wie heute angegriffen worden ist. Damals wehrten sich gegen diese vom Standpunkt der christlichen Wahrheit aus blasphemischen Attacken z.B. die christlichen Gelehrten Justin (im Dialog mit dem Juden Tryphon) und Origenes (in seiner Schrift gegen Kelsos) (siehe A. Ziegenaus, Art. ?Jungfräulichkeit", Marienlexikon 3/1991, 469 und 472 f.). Die Argumente waren oft dieselben wie heute: Nihil sub sole novum! (Nichts Neues unter der Sonne! VULG. Ecclesiastes 1,9)
Wenn nun Jesus in seiner menschlichen Natur biologisch allein von seiner Mutter abhing, dann gehen seine 46 Chromosomen, die er als wahrer Sohn Adams besitzt, auch ausschließlich auf sie zurück. Abgesehen vom anderen Geschlecht liegt also eine völlige genetische Identität vor.
Dies hat Folgen für die Mariologie, die heute noch gar nicht ganz ausgelotet sind; einigen Ansätzen bin ich, im Anschluß an eine hervorragende Untersuchung von P. Gerard Mura, anderswo selbst nachgegangen (Ipsa conteret ? Maria die Schlangenzertreterin: Philologische und theologische Überlegungen zum Protoevangelium, Ruppichteroth 2000, 144 ff.).
Um das männliche Geschlecht Jesu zu ermöglichen, bedurfte es des göttlichen Mitwirkens insofern, als ein X-Chromosom der Mutter in ein Y-Chromosom umzubilden war. Moderne Naturwissenschaft steht, richtig betrieben, nicht dem Glauben im Weg, sondern stützt ihn.
Aus Mitteilungsblatt der Priesterbruderschaft St. Pius X.
für den deutschen Sprachraum Nr. 267 März 2001
Omnia instaurare in Christo