Frauen als TäterInnen: Sexueller Missbrauch von Kindern (BRD = Tabuthema!)
5.4.5 Frauen als Täterinnen (S. 164)
„Wenn wir etwas darüber erfahren wollen, in welchem Umfang Frauen tatsächlich an der sexuellen Ausbeutung von Kindern beteiligt sind, scheint es unumgänglich, auf Ideologien und verkrusteten Theorien basierende Denk- und Wahrnehmungsverbote außer Kraft zu setzen und den unvoreingenommenen Blick auf die Problematik zu wagen.
Entsprechende Untersuchungen stehen aus, wären aber allein schon deshalb dringend erforderlich, damit Opfern wie Täterinnen Hilfe zuteil werden kann.“ (Heyne 1993, S. 277).
Dieser Appell zum Thema Frauen als Täterinnen sexueller Gewalt verdeutlicht, dass diesbezüglich zunächst eine Aufweichung von Ideologisierungs- und Tabuiersierungsprozessen angestrebt werden muss, um eine vermehrte Sensibilisierung und Problematisierung der Thematik zu erzielen. Während in der Wissenschaft lange Zeit die Meinung vorherrschte, dass sexuelle Gewalt ausschließlich von Männern begangen werde und diese vorwiegend an Mädchen, kam man in den letzten Jahren zur Erkenntnis, dass auch Frauen sexuelle Gewalt gegen Kinder ausüben. Dieses Faktum der weiblichen Täterinnenschaft wird jedoch in der Literatur nach wie vor als ein „Tabu im Tabu“ (Zemp & Pircher 1996) dargestellt, da (Allen 1991; Elliott 1992):
* … sich sexuelle Gewalt durch Frauen kaum mit unserer soziokulturellen Vorstellung von weiblichem – und mütterlichem – Umgang mit Kindern vereinbaren lässt und daher zu großer Erschütterung führt.
* … dies der Anschauung widerspricht, dass Frauen keine Aggressivität aufbringen – und schon gar nicht eine sexuelle Aggression.
* … es einen groben Gegenpart zum feministischen Ansatz darstellt, der den Ursprung sexueller Gewalt in der männlichen Sozialisation („Alle Macht geht von den Männern aus“) sieht und daher eine Thematisierung von Frauen als Täterinnen ausgespart bleibt.
* … sich einfach viele Menschen nicht vorstellen können, dass eine Frau überhaupt dazu in der Lage ist, ein Kind sexuell zu missbrauchen. Es wird in diesem Zusammenhang häufig danach gefragt, wie sie dies denn tun könne (Elliott 1992). So bemerkte etwa Mathis (1972) „Dass sie [die Mutter; Anm. d.V.] ein hilfloses Kind zu sexuellen Spielen verführen sollte, ist undenkbar, und selbst wenn sie es täte – welcher Schaden kann ohne Penis schon angerichtet werden?“ (Mathis 1972, S. 53f).
Selbst wenn die Tatsache der sexuellen Gewalt durch Frauen eingestanden und nicht von vornherein verleugnet wird, lässt sich häufig die Tendenz der Bagatellisierung des Verhaltens der Frauen feststellen. Die Handlung wird als weniger schädigend betrachtet oder nur mildere Formen sexueller Gewalt zur Kenntnis genommen (Heyne 1993). Es gelingt kaum, europäische oder österreichische Studien über Sexualstraftäterinnen ausfindig zu machen, da dieser Themenbereich aus den oben genannten Gründen in Europa erst seit ein paar Jahren aufgegriffen wurde. Ebenso weichen die Ergebnisse und Zahlen in den bestehenden Untersuchungen zu sehr voneinander ab, um ein deutliches Bild der Realität wiedergeben zu können. Es wird in der Literatur in Bezug auf die Gesamtzahl der Sexualstraftäterinnen dabei eher von einer „Minderheit“ (ein bis ca. 20%) gesprochen (Elliott 1992; Friedrich 1998).
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- Frauen als TäterInnen: Sexueller Missbrauch von Kindern (BRD = Tabuthema!) -
Yussuf K,
30.10.2011, 02:00
- Frauen als TäterInnen: Sexueller Missbrauch von Kindern (BRD = Tabuthema!) - Kurti, 30.10.2011, 02:19
- Artikel in der SZ - MC Henrich, 30.10.2011, 03:28