Wieviel «Gleichberechtigung» verträgt das Land?

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Wer erklärt mir BMFSFJ-Rechenbeispiel?

Narrowitsch, Berlin, Monday, 05.09.2011, 16:51 (vor 5227 Tagen)

Der Unterhäupling im Frauengedönsminiserium, Dr.Kues, tönt und gibt bekannt:

BMFSFJ Internetredaktion

Pressemitteilung Nr. 68/2011
Veröffentlicht am 30.08.2011
Thema: Gleichstellung

Dr. Kues: "Logib-D schafft faire Bezahlung und Wettbewerbsvorteile für das
Unternehmen"

Parlamentarischer Staatsekretär zeichnet Unternehmen aus

Der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesministerium für Familie, Senioren,
Frauen und Jugend, Dr. Hermann Kues, hat heute (Mittwoch) erstmals 24 Unternehmen
aus ganz Deutschland mit dem Label "Logib-D geprüft" ausgezeichnet. Die
prämierten Betriebe haben mit dem Analysetool Logib-D und einer anschließenden
Beratung ihr Vergütungssystem auf mögliche Entgeltunterschiede zwischen Frauen
und Männern in ihrer Belegschaft untersucht. Ziel ist es, eine faire Bezahlung
ihrer Beschäftigten sicherzustellen.

Dagegen kann Mann ja nun wirklich nichts haben.Denn:

"Unternehmen können es sich angesichts des zunehmenden Fachkräftemangels nicht
leisten, auf gut ausgebildete Frauen zu verzichten"

Irgendwie signalsiert mir meine weibliche Seite, mein Gefühl also,dass nach Ansicht des Ministeriums trotz Fachkräftemangels Unternehmen es sich leisten können sollten, auf gut ausgebildete Männer zu verzichten oder deren Anwerbung nur mäßig zu betreiben. Wäre es anders, hätte es Dr.Kues gewiss ganz im Sinne gendergerechter Sprache erwähnt. Allerdings sind wir längst gewohnt, dass sich das Gedönsministerium in erster Linie immer um das Wohlergehen von Unternehmen kümmert. Sehr löblich:

"Die heute ausgezeichneten Unternehmen
nutzen Logib-D, um mögliche Entgeltunterschiede ausfindig zu machen. Das macht
deutlich: Sie legen Wert auf eine faire Behandlung ihrer Beschäftigten und haben erkannt, dass eine gerechte Bezahlung auch Vorteile für das Unternehmen selbst hat. Die Betriebe können sich so als attraktive Arbeitgeber präsentieren und haben damit einen Wettbewerbsfaktor, der entscheidend sein kann."

Seltsamerweise hörte ich jedoch von Dr. Kues noch nie von den Wettbewerbsvorteilen die AA den Unternehmen bieten, wenn sie arbeitslose Leihsklaven via Leihfirmen vermieten. Bemerkenswert jedenfalls, wie das Frauenministerium dem Wirtschaftsministerium innovativ zur Seite springt. Mag sein, der eine Verein ist überfordert, der andere hat noch Kapazitäten frei und stellt sie ersterem zur Verfügung:

Das Programm Logib-D ist ein Angebot des Bundesfamilienministeriums mit dem
Unternehmen Entgeltunterschiede zwischen Frauen und Männern schnell und anonym
identifizieren können. Das Programm hilft, die Ursachen zu erkennen und
betriebliche Lösungen für eine faire Bezahlung zu entwickeln. Die mit dem Siegel "Logib-D geprüft" ausgezeichneten Unternehmen haben ihre Entgelt- und
Personalstrukturen eingehend analysiert und einen Beratungsprozess erfolgreich
abgeschlossen.

Nun ist mir zwar schleierhaft, ob und wie eine einzige Schraube mittels Siegel "Logbib-D geprüft" verkauft werden kann, doch Beratungsprozessen, die das BMFSFJ initiiert, lässt meine männliche Seite, also der Verstand, alle Alarmglocken läuten. bedauerlich, bedauerlich verstehe ich nicht viel von der Instrumentalisierung von Statistiken für den guten Zweck. Unter Beispielbrichtfindet sich ein Exempel statistischer Grundlage für mögliche Entgeldungleichheit. Viele Diagramme und Kurven, die mir auf den ersten Blick einleuchten. Trotzdem wäre ich einem Profi für einen Blick auf das ganze und eine kurze aber fundierten Interpretation dankbar.

Vielleicht kann ich endlich einmal eine Aktion aus diesem Hause bewundern, an der es nichts zu mäkeln gibt.

© [image]

--
Extemplo simul pares esse coeperint, superiores erunt-

Den Augenblick, sowie sie anfangen, euch gleich zu sein, werden sie eure Herren sein.

Kann das überhaupt jemand?

Jürgen, Berlin, Monday, 05.09.2011, 17:15 (vor 5226 Tagen) @ Narrowitsch

Sie legen Wert auf eine faire Behandlung ihrer Beschäftigten
und haben erkannt, dass eine gerechte Bezahlung auch Vorteile für das
Unternehmen selbst hat. Die Betriebe können sich so als attraktive
Arbeitgeber präsentieren und haben damit einen Wettbewerbsfaktor
, der
entscheidend sein kann."

Also aus unternehmerischer Sicht wäre mir solch ein Quark (wie oben geschrieben) völlig egal. Die Leute meckern über BLÖD, aber sie lesen sie trotzdem, also kann ein "guter Ruf" kein Argument sein.

Ganz im Gegenteil, mir wäre es deutlich lieber, wenn ich möglichst viele Frauen beschäftigen könnte, die für die berühmten 23% weniger arbeiten würden. Leider ist das garnicht so einfach, solche Frauen zu finden, obwohl es sie massensweise geben soll. Also aus ökonomischer Sicht ist der Ruf zweitranging, denn alleinig das "Ergebnis" zählt!

Die Software halte ich für Dünnschiss. Warum lassen sich die Menschen bloss wieder so für blöd verkaufen.

machen "wir" doch einen eigenen Rechner auf....

Michael, Monday, 05.09.2011, 17:44 (vor 5226 Tagen) @ Narrowitsch

das ist doch ganz einfach:

(Rezept):

Man nehme eine Firma, in dem die Entscheidungsträger meist weiblich sind, weil diese ja vornehmlich arbeiten gehen und nicht zuhause Körperpflege betreiben und dumpfbackenzeitschrift wie "Uschi" "Doof im Spiegel" etc, lesen. Dann zählen wir die gesamten Gehälter zusammen. Rühren kräftig rum und schon
Stellen wir fest:
Frauen verdienen viel mehr als Männer.
Schwupps ist die Benachteiligung fertig.
So am Rande, mit tollen Begriffen erklären wir dann "GAP" und was von unbereinigt gefasselt im kleingedruckten, das Ganze hübsch serviert, so dass keiner wirklich versteht, was gemeint ist.

(Sarkasmus aus)

Typisch Genderismus/Feminismus. In einer Menge, in der ein bestimmter Teil in der Anzahl im Maximum weniger und in der Laufzeit kürzer vorhanden ist, wird sich immer ein unterschied zu Gunsten der Mehrheit ergeben. Das ist wie 1 und 1 zusammen zählen.

Tatsächlich ließen sich hierdrauf bei passender Auslegung eine eindeutige Benachteilgung der Männer herausrechnen.

Denn eine Person, die geringer Berufserfahrung hat, weniger Überstunden oder Sonderschichten macht, hinzu Kinderjahre geschenkt, 7 Jahre länger lebt, keine Zwangsdienste hatte, darf niemals soviel verdienen. Von der im GRUNDGESETZ garantierten TARIFAUTONOMIE mal ganz abgesehen, denn hier greift der Staat ein.

Dummschula von der alten leier hätte wohl in ihrer Trächtigkeit und im Wartezimmer beim Frauenarzt nicht soviel Omma lesen sollen. Dann würde ihr mal ein Licht aufgehen. Im ganzen schadet sie ihren Damen höchst selbst. Denn die Betriebe werden wohl froh sein, wenn sie einen Grund haben DIE GEHÄLTER DER MÄNNER DEN DER FRAUEN ANPASSEN ZU DÜRFEN.

Gott, wer befreit uns von diesen dummen qouten Puten.

machen "wir" doch einen eigenen Rechner auf....

Bero, Monday, 05.09.2011, 18:01 (vor 5226 Tagen) @ Michael

Gott, wer befreit uns von diesen dummen qouten Puten.

Keiner, es rettet uns kein höh'res Wesen. Do it yourself! Spätestens bei der nächsten Wahl!

Heureka: Das Geheimnis der sagenumwobenen 23%Marke!

Jürgen, Berlin, Monday, 05.09.2011, 18:01 (vor 5226 Tagen) @ Michael

Denn eine Person, die ..... 7 Jahre länger lebt ......

Das kann aber die Ursache für den gefühlten Lohnunterschied sein!

Frauen und Männer verdienen genau gleich, aber bei Frauen teilt man den Lebensverdienst durch "Lebensjahre Mann"+ 7 Zusatzjahre !

Beispiel:

Mann = 100.000 EUR ./. 65 Jahre = 1.538,46 EUR/Lebensjahr
Frau = 100.000 EUR ./. (65+7) Jahre = 1388,89 EUR/Lebensjahr

... das sind nicht ganz 10%, aber kommt immerhin der 23%Marke verdächtig nahe.

Schlussfolgerung

Jürgen, Berlin, Monday, 05.09.2011, 18:23 (vor 5226 Tagen) @ Jürgen

Der Umkehrschluss wäre aus mathematischer Sicht der, dass eine Frau die gefühlten 23% gefühlter Lohnungleichheit optimieren könnte, je kürzer sie lebt. Also z.B. wenn sie nur 50 Jahre alt wird, dann werden das immerhin (100.000 EUR ./. 50 Jahre) = 2.000 EUR/Lebensjahr! Deutlich mehr als beim Mann! Sie müsste sich dafür aber wiederum auch etwas mehr anstrengen, damit sie diesen Verdienst (durch eigene Arbeit) auch erreicht. Wir wissen aber auch, dass die Praxis genau anders aussieht.

Der 23%-Mehr-Euro für Frauen wird bereits geprägt!

Yussuf K, Ankara, Tuesday, 06.09.2011, 02:16 (vor 5226 Tagen) @ Jürgen

Die Lohndiskriminierung in Höhe von 23% geht mit einem Sieg der Frauenbewegung dem Ende entgegen. Benachteiligte Hausfrauen sollen demnächst die Differenz in Form eines neuen Zahlungsmittels ausgezahlt bekommen. Wenn als die grün-weißen KraussMaffei-Geldtransporter wieder unterwegs sind, dann bitte nicht wundern: Die gefühlten legendären 23% sind dann bereits Geschichte!

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Der 23%-Mehr-Euro für Frauen wird bereits geprägt!

Rainer ⌂, Tuesday, 06.09.2011, 09:11 (vor 5226 Tagen) @ Yussuf K

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Kazet heißt nach GULAG jetzt Guantánamo

Bewertung

Isegrim, Tuesday, 06.09.2011, 23:56 (vor 5225 Tagen) @ Narrowitsch

Leider habe ich das verwendete Modell nicht dokumentiert gefunden. Das Ganze ist für mich also eine Blackbox, die Daten schluckt und irgendetwas ausspuckt.

Ich habe leider auch nicht viel Zeit, nach der Dokumentation des mathematische (Regressions-)Modells zu suchen. Sollte diese allerdings nicht verfügbar sein, so spricht das nicht gerade für die Seriösität - wissenschaftliches Arbeiten ist etwas anderes.
Es gab mal eine Dokumentation zu dem Schweizer Ansatz, die über Sons of Perseus verlinkt war, in welcher das Modell beschreiben war.
Das hier genutzte Modell baut wohl darauf auf.

Laut Eigenaussage gilt: "Logib-D stellt eine wesentliche Fortentwicklung der Schweizer Ursprungsversion Logib (Logib-CH) dar".

Es gibt eine ganze Reihe von Dingen, die bei dieser LOGIB-D-Geschichte zu kritisieren sind (und in der Vergangenheit von mir bereits an dem schweizer Modell kritisiert wurden):

1) "potentielle Erwerbserfahrung"

Die Erwerbserfahrung wird in dem Ansatz im Beispiel durch "potentielle Erwerbserfahrung" approximiert. Diese wird berechnet nach:

potentielle Erwerbserfahrung = Alter - Ausbildungsjahre* - sechs Jahre bis zur Grundschule

* Abzug für Ausbildungsjahre:

ohne Ausbildung = 10 Jahre

Ausbildung unbekannt = 12 Jahre

Berufsausbildung / Abitur = 13 Jahre

weiterführende Berufsausbildung = 15,5 Jahre

Diplom Fachhochschule / Bachelor = 17 Jahre

Hierbei kommt es aber bei der Betrachtung von Männern und Frauen zu systematischen Verzerrungen: da Frauen häufiger längere Pausen in ihrer Erwerbsgeschichte aufgrund von Kindererziehungszeiten haben, als Männer, wird ihre Berufserfahrung systematisch überschätzt.

Man kann wohl auch Erwerbsunterbrechungen berücksichtigen, wenn man will - laut Aussage von der Website.

Dabei blieben aber weiterhin z.B. Studiendauern, Berufswechsel etc. unberücksichtigt (nehme ich an, nachdem ich mir ihre Testdaten angeschaut habe).

Zudem bedeuten "5 Jahre Berufserfahrung" nicht dasselbe wie "5 Jahre Berufserfahrung und 10 Jahre Unterbrechung". Bei einigen Berufen ist "10 Jahre Unterbrechung" gleichbedeutend mit "keine Berufserfahrung" unabhänig davon, wie lange vor der Unterbrechung in dem Beruf gearbeitet wurde...

2) Beruf bzw. Studienfach

Der tatsächlich ausgeübte Beruf bzw. das Studienfach bleibt unberücksichtigt.

Dies führt ebenfalls zu systemytischen Verzerrungen, da Frauen häufiger als Männer Berufe/Studienfächer ergreifen, bei denen Entlohnung und Berufsaussichten schlechter sind.

Da hier nur das Ausbildungsniveau berücksichtigt wird, landen Kunsthistoriker und Physiker in derselben Gruppe. Dasselbe gilt für Techniker und Floristen.

3) Flexibilität, Reisetätigkeit, Boni

Obige Größen bleiben unberücksichtigt. Hier können ebenfalls systematische Verzerrungen auftreten: Männer arbeiten z.B. häufiger im Sales-Bereich, wo Boni und Verkaufszahlen direkt gekoppelt sind. Nach einem ganz transparenten System können hier sehr hohe Vergütungen erzielt werden, ohne das eine Form von Diskriminierung vorliegt. Die Tatsache, dass Frauen eher weniger Verdienst und Sicherheit wählen, Männer hingegen eher Chance auf hohen Verdienst auf Kosten von Sicherheit, sorgt für Verzerrungen, wenn ich erfolgsabhängige Boni unberücksichtigt lasse.

Auch bei häufiger Reisetätigkeit kann man von höheren Vergütungen ausgehen - und Reisetätigkeit ist abermals wieder mit Geschlecht korreliert.

Wie Schichtarbeit, Wochenendzuschläge etc., welche ebenfalls mit dem Geschlecht korreliert sind, berücksichtigt werden, bleibt unklar.

4) Tarifliche/Außertarifliche Beschäftigung

Bei tariflicher Beschäftigung gibt es keine geschlechtsspezifische Bezahlung. Hier kann entsprechend (ceteris paribus) auch keine Diskriminierung vorliegen.

Männer sind aber häufiger als Frauen außertariflich beschäftigt, und außertarifliche Beschäftigung bedeutet meist auch ein höheres Einkommen - gerade in großen Firmen.

Eventuell vergleicht man also gar nicht "Männergehälter vs. Frauengehälter" sondern "Tarifgehälter vs. Außertarifliche Gehälter".

5) Überstunden

Ebenfalls unklar bleibt, wie Überstunden berücksichtigt werden.

Männer machen im Schnitt mehr Überstunden als Frauen: hier könnte, je nach verwendetem Modell eine systematische Verzerrung bestehen.

Insbesondere, da die Testdaten-Datei, die man von der Website herunterladen kann, zwar Spalten für "Bezahlte Jahresarbeitsstunden (ohne Überstunden)" und "Bezahlte Überstunden (im Jahr)" besitzt, aber keine für die gerade bei Lohnverhalndlungen ungleich wichtigeren unbezahlten Überstunden (sofern man diese überhaupt erheben kann).

6) Teilzeitarbeit

Ich weiß nicht recht, wie die Wochenarbeitszeit einfließt, aber bei dem schweizer Vorgänger-Modell war man (implizit) von Folgendem ausgegangen: halbe Arbeitszeit=halber Lohn (ceteris paribus).

Das ist aber ziemlich unsinnig, wenn man sich die tatsächlichen Verhältnisse in Unternehmen anschaut. Nach ein paar Jahren auf einer 50%-Stelle verdient man weniger als 50% eines (an sonsten identischen) Vollzeitbeschäftigten.

Frauen arbeiten aber weitaus häufiger in Teilzeit als Männer.

Summa summarum

Das Ganze scheint wirklich besser geworden zu sein im Vergleich zu dem älteren schweizer Modell. Zudem: zu Mäkeln gibt es immer etwas.

Ein "one size fits all" Modell ist immer schwierig und das schönste Modell ersetzt nicht Erfahrung im Umgang mit Daten, der Interpretation der Ergebnisse, dem Umgang mit Ausreißern, Daten-Artefakten (z.B. Ost/West-Gefälle und dergleichen) usw..

Um politische Forderungen (auch Firmen-intern) abzuleiten ist das, was ich bisher von LOGIB-D gesehen habe allerdings ungeeignet.

Aber das schreiben sie ja auch mehr oder weniger auf der Seite selbst:

Zu beachten ist, dass diese bereinigte Entgeltlücke den "unerklärten Rest" der Entgeltdifferenz darstellt und nicht mit Diskriminierung gleichzusetzen ist.<<

p.s.:

Wenn jemand die mathematische Dokumentation von dem Ding findet: immer her damit.

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