1 BvR 420/09: Väter, ran an die Gerichte u. Jugendämter!
Beschluss des Ersten Senats vom 21. Juli 2010
- 1 BvR 420/09 -
Es verletzt das Elternrecht des Vaters eines nichtehelichen Kindes aus Art. 6 Abs. 2 GG, dass er ohne Zustimmung der Mutter generell von der Sorgetragung für sein Kind ausgeschlossen ist und nicht gerichtlich überprüfen lassen kann, ob es aus Gründen des Kindeswohls angezeigt ist, ihm zusammen mit der Mutter die Sorge für sein Kind einzuräumen oder ihm anstelle der Mutter die Alleinsorge für das Kind zu übertragen.
Karlsruhe – Ledige Väter haben nach der neuesten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes ein Recht auf gemeinsame elterliche Sorge: Was Aufenthalt, Ausbildung oder Religion des Kindes betrifft, dürfen Väter nun gleichberechtigt mit der Mutter entscheiden.
Die Karlsruher Richter erklärten die bisherige Regelung des Sorgerechts für verfassungswidrig, wonach unverheiratete Väter nur mit Zustimmung der Mutter ein gemeinsames Sorgerecht für die Kinder erhalten können. Dies verstoße gegen das grundgesetzlich geschützte Elternrecht des Vaters, heißt es in dem am Dienstag (3. August) veröffentlichten Beschluss (Aktenzeichen: 1 BvR 420/09).
«Zusammengefasst heißt das, dass der Alltag des Kindes künftig wieder stärker von Mutter und Vater geprägt wird>, sagt Josef Linsler, Vorsitzender des Interessenverbands Unterhalt und Familienrecht. Bei folgenden Punkten können Väter nun Mitsprache einfordern:
Mitbestimmung beim Aufenthaltsrecht: Väter können den Wohnort des Kindes künftig mitbestimmen. «Waren die Fronten verhärtet, konnten Mütter früher mit ihrem Kind einfach weit weg ziehen. Das geht nun nicht mehr>, erklärt Linsler. Nun können Väter dagegen Einspruch einlegen und gegebenenfalls juristisch prüfen lassen, ob ein Ortswechsel mit dem Wohl des Kindes in Einklang gebracht werden kann.
Informationsrecht bei Schulfragen: Väter sind dazu berechtigt, sich über die Leistungen ihres Kindes in der Schule zu informieren. «Väter haben Anspruch darauf, sich vom Lehrer das Zeugnis geben zu lassen, wenn es die Mutter nicht tut>, so Linsler. Sie dürften mitentscheiden, auf welche Schule das Kind gehen soll und Elternsprechstunden besuchen. Gemeinsam entschieden werden muss jetzt auch, wenn das Kind auf eine neue Schule wechseln soll.
Informationsrecht bei Gesundheitsfragen: Väter dürfen vom Arzt Auskunft über den Gesundheitszustand des Kindes verlangen. Konnten Ärzte früher dem Vater die Information verweigern, geht dies nun nicht mehr. «Väter haben das Recht zu erfahren, wie es ihrem Kind geht.> Weiterhin müssen sie zum Beispiel Operationen zustimmen.
Recht auf Vermögenssorge: Ein Konto für das Kind eröffnen konnten Väter bislang auch – allerdings wurde das Geld von der Mutter verwaltet. Diese Regelung fällt nun weg. Ab sofort ist der Vater für das Konto selbst verantwortlich.
Mitbestimmung bei religiöser Erziehung: Ob das Kind evangelisch oder katholisch getauft wird, ist eine gemeinsame Entscheidung von Mutter und Vater. «Können sie sich nicht einigen, muss das gerichtlich festgestellt werden>, erklärt Ingeborg Rakete-Dombek, Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Familienrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV) in Berlin.
Keine neuen Pflichten: Väter dürfen ab sofort mehr, müssen aber nicht mehr leisten. «Das Einzige, was sie wie bisher müssen, ist die Vaterschaft anerkennen. Außerdem schulden sie dem Kind bis zum Ende der Ausbildung Unterhalt, wenn des Kind nicht von ihnen persönlich betreut wird>, sagt Rakete-Dombek. Die Rechte auf Mitbestimmung, Information oder Vermögenssorge können Väter in Anspruch nehmen, wenn sie wollen. Verpflichtet werden könnten sie dazu aber nicht.
So kommen ledige Väter an ihr Sorgerecht
Berlin – «Um an seine Rechte als Vater zu gelangen, muss dieser zunächst einmal die Vaterschaft anerkennen>, erklärt Fachanwältin Ingeborg Rakete-Dombek, die auch Vorsitzende der Arbeitsgruppe Familienrecht im Deutschen Anwaltverein in Berlin ist. Dies geschehe beim zuständigen Jugendamt, am Wohnort des Kindes. Dort wird auch die sogenannte Sorgeerklärung abgegeben, die öffentlich beurkundet werden muss. Das Jugendamt prüft den Antrag. Verweigert die Mutter ein gemeinsames Sorgerecht, kann der Vater seinen Antrag beim Familiengericht überprüfen lassen – dies war nach der bisherigen Rechtssprechung nicht möglich.
Die Sorgeerklärung kann gemeinsam durch die Eltern oder einzeln abgegeben werden. Die gemeinsame elterliche Sorge wird jedoch erst rechtswirksam, nachdem beide Eltern dies erklärt haben. «Mit dem BVG-Urteil kann jetzt der unverheiratete Vater auch die Alleinsorge beantragen>, sagt Fachanwältin Rakete-Dombek. Im Vordergrund würde aber weiterhin immer das Kindeswohl stehen. Das Gericht müsse dann klären, ob die Mutter ungeeignet oder schlechter als der Vater geeignet sei, für das Kind zu sorgen.