Und die Männer
Meinung aus der Berliner Zeitung
Leitartikel
Und die Männer?
Jutta Kramm
Es ist ein hübsches Ritual, einmal im Jahr, zum 8. März, etwas zur Lage der Frauen in diesem Land zu schreiben. Doch seitdem sich die Erkenntnis durchgesetzt hat, dass immer weniger Frauen Kinder bekommen und die demografische Entwicklung allmählich erschreckende Ausmaße annimmt, wird über die Frauen tagtäglich viel gesagt, geschrieben, gesendet. Deshalb soll hier einmal über das andere Geschlecht gesprochen werden. Reden wir, zum Frauentag, über den Mann, fragen: Warum eigentlich wollen die deutschen Männer keine Kinder? Und warum tun sie noch immer so wenig in der Familie?
Tun sie das, die Männer? Tun sie so wenig in der Familie? Der gute Umsatz der Baumärkte spricht eine andere Sprache. Männer leisten viel in der Familie und noch mehr für die Familie.
Es ist schon merkwürdig, dass im aktuellen Disput keiner diese Fragen ausspricht. Schon in der Unterlassung zeigt sich, dass im gesellschaftlichen Bewusstsein weiterhin die Frauen für die Liebesarbeit und die Kinder verantwortlich sind: Die Mütter, so heißt es wohl deshalb stets, wollten endlich Wahlfreiheit erhalten, ob sie ihr Kleinkind zu Hause betreuen oder rasch wieder arbeiten gehen und das Kind deshalb in eine Krippe geben wollen. Die Frauen, so sagt man, wünschten sich mehr Teilzeitjobs und familienfreundliche Arbeitsplätze.
Dafür gibt es zwei Gründe:
Der erste Grund ist, dass Frauen von ihrer Natur her Spaß am Betüteln haben. Kinder, vor allem die kleinen mit dem Babyspeck, sind ihr Hobby.
Der zweite Grund ist, dass Frauen ganz entschieden Wert darauf legen, dass man ihnen dieses Hobby nicht entzieht.
All das ist selbstverständlich wahr, es entspricht auch dem deutschen Alltag: Nur etwa fünf Prozent der Väter nehmen bei uns Elternzeit; für Wäsche waschen und Putzen sind in der Regel in deutschen Haushalten immer noch die Frauen zuständig; wenn das erste Kind geboren ist, verlängert sich die außerhäusige Arbeitszeit des Mannes, während sich die der Frau langfristig verkürzt.
Was das bedeutet steht hier: http://www.wgvdl.com/forum/index.php?id=12360
und hier
http://dip.bundestag.de/btd/16/013/1601360.pdf
Und es zeigt sich, dass die zeitliche Belastung der Männer durch Kinder stärker steigt, als bei Frauen. Denn da das Geldscheißerchen noch nicht erfunden ist, muss irgendwer die Kohle ranschaffen, welche die Familie verbraucht. Und daher:
Zugleich gibt in Umfragen jeder vierte deutsche Mann zwischen 20 und 39 Jahren (also im besten zeugungsfähigen Alter) an, dass er keine Kinder haben möchte. Bei den Frauen sind es bedeutend weniger - 15 Prozent. Die Frauen beklagen aber in Umfragen zum Thema unerfüllter Kinderwunsch viel häufiger als Männer, nicht den richtigen Partner gefunden zu haben.
Offenbar sind es also gar nicht die Frauen, die in einen Gebärstreik getreten sind, sondern die Männer, die einen Zeugungsstreik betreiben. Sie fürchten, das wiederum sagen sie in Umfragen, den Verlust von Freiheit und Lebensqualität. Verweigern die Männer möglicherweise die Fortpflanzung, weil sie ihr altes Leben, ihre alten Gewohnheiten, ihre Privilegien nicht aufgeben möchten? Jahrzehntelang konnte sich ein Mann darauf verlassen, dass sich sein Leben nicht bloß deswegen verändern würde, weil seine Frau ein Kind bekam. Er konnte arbeiten gehen, sich Geld und Ansehen erwerben, den Feierabend genießen. Das Leben blieb wie es war , der Nachwuchs bereicherte es sogar. Er behielt seine Unabhängigkeit.
Hat sich sein Leben nicht verändert, oder wurde es nicht bloß um eine weitere Stufe anstrengender?
Konnte der Mann Geld und Ansehen erwerben und den Feierabend genießen?
Behielt der Mann seine Unabhängigkeit?
Spätestens nach der Scheidung und dem Verlust des Sorgerechts wird die Wahrheit offenbar: der Mann wird zum Sklaven.
All das ist nicht mehr: Ein junger Mann, der sich heute mit seiner Partnerin dafür entscheidet, ein Kind zu zeugen, kann mit viel Lebensfreude rechnen.
Untersuchungen zeigen, dass die Lebensfreude und Lebensqualität mit Kind sinken. Wenn die Kinder größer werden, verdrängt man die schlimme Zeit. Sie wird verklärt, so wie manche Kriegsteilnehmer die Zeit im Krieg verklären. Die Vergangenheit wäre sonst nichts als eine Folge von Arbeit und Mühe.
Aber er muss auch davon ausgehen, dass es vorbei ist mit seiner großen Freiheit. Denn immer seltener sind die jungen Frauen bereit, für ein Kind ihr Leben vollständig umzukrempeln. Die meisten Frauen sind viel zu gut ausgebildet, viel zu erfolgreich und viel zu selbstbewusst, als dass sie sich ihre Unabhängigkeit einfach wegnehmen lassen würden. Im Job sind sie längst eine ernstzunehmende Konkurrenz für den Mann, und zu Hause erwarten sie genauso seine gleichwertige Mitarbeit. Kinder haben, eine partnerschaftliche Beziehung eingehen - das bedeutet also viel stärker als noch vor wenigen Jahrzehnten auch für die Männer etwas abzugeben, es bedeutet mehr Verantwortung. Es heißt Windeln wechseln, nachts den kleinen Schreihals trösten, am Elternnachmittag Ostereier färben, nach Dienstschluss noch die Hausaufgaben kontrollieren, nebenbei womöglich ein gutes Abendessen kochen - eben all das, was mit Kindern Spaß macht und manchmal auch nicht, was aber auf jeden Fall Zeit raubt, die Freiheit einschränkt. Es bedeutet Pflichten haben, die jahrzehntelang - übrigens in Ost wie West - die Frauen trugen. Der Vaterschaft kann man sich viel weniger entziehen als früher. Selbst von Männern, die ihre Familie verlassen, wird nun großes Engagement für die Kinder erwartet.
Nun gut, wenn der Nutzen für den potentiellen Vater gleich geblieben, der Preis aber gestiegen ist, dann werden sich sicherlich weniger Väter für ein Kind entscheiden. Steigender Preis, sinkende Nachfrage, das ist das ökonomische Einmaleins.
Es spricht viel dafür, dass die Paare und vor allem das einst sogenannte starke Geschlecht mit dieser anderen Rolle, mit den neuen emotionalen und zeitlichen Herausforderungen nicht zurechtkommen. Doppelbelastung, wer wüsste das besser als die Frauen, will schließlich gelernt sein. Die Frauen haben sich die Emanzipation erkämpft, sie sind dabei gut vorangekommen. Nun müssen sie wohl ein wenig warten, bis die Männer damit zurecht- kommen.
Berliner Zeitung, 08.03.2007
Nein, die Männer werden sich nur mit solchen Frauen verpaaren, bei denen nicht mit einer Doppelbelastung zu rechnen ist.
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Barbarus hic ergo sum, quia non intellegor ulli.