Wieviel «Gleichberechtigung» verträgt das Land?

Archiv 2 - 21.05.2006 - 25.10.2012

233.682 Postings in 30.704 Threads

[Homepage] - [Archiv 1] - [Archiv 2] - [Forum]

"Fuersorglichkeit kann auch maennlich sein"

Maesi @, Thursday, 01.03.2007, 23:55 (vor 6862 Tagen)

Hallo zusammen

Im Manndat-Forum war ein Spiegel-Artikel verlinkt mit einem Interview (siehe Link) bezueglich Kinderkrippen.

In der Einleitung heisst es, der Interviewte ( Hans Bertram, Soziologe und Berater von Ministerin von der Leyen) erklaere, wieso Kinder davon (naemlich von den Kinderkrippen) meistens profitieren.

Leider schwadroniert auch Bertram nur vom elterlichen Nutzen (insbesondere der Muetter) und eben nicht von den Kindern. Lediglich einmal geht er ueberhaupt auf die Kinder ein, indem er postuliert:

'Man kann grundsaetzlich sagen, dass die Krippenbetreuung einen sehr positiven Effekt hat, wenn zu den Eltern, also nicht nur zwischen den Muettern und ihren Kindern sondern auch zwischen Vaetern und Kindern, tiefe und gute Bindungen bestehen.'

Bertram verknuepft zwei Dinge zwischen denen es keinen direkten Zusammenhang gibt, naemlich die Existenz von Kinderkrippen und den positiven Effekt guter elterlicher Bindungen zu ihren Kindern. Letzteres wird wohl niemand ernsthaft bezweifeln; wie jedoch Kinderkrippen in der Realitaet (und nicht bloss in den Phantasmagorien von Soziologen) die Bindungen der Eltern zu ihren Kindern vertiefen koennen, ist wahrscheinlich nicht bloss mir schleierhaft. Bertram versucht logischerweise gar nicht irgendeinen kausalen Zusammenhang zu konstruieren, da sonst jedermann sofort einsaehe, wie schwachsinnig der waere. Hier kann ich einfach nur noch den Kopf schuetteln ob solch einer unzusammenhaengenden Argumentation.

Weiter faehrt er fort:

'Wenn es zu Hause moeglicherweise vielerlei Probleme gibt, hat die Betreuung immer noch einen positiven Effekt so lange sie qualitativ gut ist.'

Ein billiger Allgemeinplatz. Wenn es naemlich grosse Probleme zuhause gibt und die Kinder massiv darunter leiden, muesste man ueberlegen, ob die betr. Eltern ueberhaupt erziehungsfaehig sind und deren Kinder nicht womoeglich bei einer Pflegefamilie besser aufgehoben sind. Ob Kinderkrippen in diesen (IMHO noch immer sehr seltenen) Faellen die richtige Loesung sind, wage ich zu bezweifeln. Gezielte massgeschneiderte Unterstuetzung solcher Eltern waere nicht bloss sinnvoller sondern auch wesentlich billiger - die Kindeswegnahme ist immer nur die letzte Loesung, wenn sich alle Alternativen im konkreten Einzelfall als untauglich erwiesen haben.

Weiter unten verweist er auf die 14 Monate Regelung, die seiner Ansicht nach die guten Bindungen ermoeglichten. Auch das ist lediglich ein Scheinargument, denn diese Regelung bedeutet lediglich, dass in dieser Zeit ein Teil des Erwerbsausfalles bezahlt wird. Mit Kinderkrippen hat das wiederum ueberhaupt nichts zu tun.

Durch die gezielte und gewollte moeglichst schnelle Wiedereinbindung von Muettern mit Kindern in den Arbeitsprozess foerdert man aber geradezu die Notwendigkeit in der Familie, zwei Einkommen zu erwirtschaften, denn die zusaetzlichen Arbeitskraefte wirken sich natuerlich auf das Lohnniveau aus. Insbesondere wenn man den Arbeitnehmern die fuer die Finanzierung der Kinderkrippen notwendige Kohle mittels erhoehter Steuern wieder aus der Tasche zieht, wodurch Familien mit nur einem Einkommen in den unteren Lohnklassen natuerlich schnell unter das Existenzminimum fallen. Wurde Kinderbetreuung vorher gratis innerhalb der Familie erbracht, wird sie heute professionalisiert, wodurch sofort das Finanzamt seine Haende aufhaelt und direkte und indirekte Steuern sowie Sozialabgaben auf solche Wirtschaftsleistungen kassiert, die natuerlich wiederum irgendwie erwirtschaftet werden muessen.

Herr Bertram sagt im Interview ferner etwas weinerlich:

'Dass ploetzlich diejenigen, die für den Ausbau der Kinderbetreuung sind, mit dem Vorwurf konfrontiert werden, sie wuerden nichts für die Kinder tun, nicht an die Kinder denken, sondern nur an die oekonomische Entwicklung, das finde ich an der gegenwaertigen Situation unertraeglich.'

Dieser Vorwurf wird durch Herrn Bertrams Interview vollauf bestaetigt. Die wenigen Passagen, die sich ueberhaupt mit Kindern beschaeftigen, koennen keinerlei Zusammenhang zwischen positiven Eltern/Kind-Bindungen und der Existenz von Kinderkrippen aufzeigen. Herr Bertram haette die Gelegenheit gehabt, einen solchen herzuleiten; das hat er aber nicht einmal auf die direkte Frage der Spiegel-Reporterin hin getan. Den Vorwurf konnte er offenbar nicht entkraeften. IMHO ist nicht der Vorwurf als solcher unertraeglich sondern die Tatsache, dass er offensichtlich wahr ist. Aber wahrscheinlich waere ein Kinderpsychologe sowieso wesentlich kompetenter als ein Soziologe, die Auswirkungen frueher Abschiebung von Kindern in Krippen auf die Kindesentwicklung zu kommentieren. Insofern wurde hier die faschle Person interviewt. Dass diese unwissende Person allerdings Berater der Familienministerin ist, sagt einiges auch ueber das Ministerium aus.

Der Rest des Interviews ist soziologisches Gelaber, das Kinder kaum mehr erwaehnt (geschweige denn auf deren Beduerfnisse eingeht) sondern sich mit historischen Entwicklungen der Familie in der Gesellschaft befasst. Auch dazu gaebe es das eine oder andere zu sagen. Z.B. weshalb die heutigen Muetter ebensoviel Zeit fuer den Haushalt aufwenden wie in den 60er Jahren, obwohl Vaeter heute (angeblich) wesentlich mehr Zeit darin investieren als vor ueber 40 Jahren, gleichzeitig die durchschnittliche Kinderzahl in der Familie abgenommen hat und obendrein die Haushaltsfuehrung seither weiter rationalisiert wurde. Solche Phaenomene sollten einem Soziologen eigentlich zu denken geben, tun sie aber offenbar nicht. Abgesehen davon ist Haushaltsarbeit und Kinderbetreuung keineswegs dasselbe. Herr Bertram vergleicht somit Aepfel mit Birnen. Aber das nur nebenbei.

Der Titel des Artikels ist allerdings eine Zumutung. Fuersorglichkeit gegenueber Frau und Kindern war zu allen Zeiten auch maennlich. Allerdings aeusserte sich die maennliche Fuersorglichkeit meist wesentlich anders als weibliche. Der Titel dokumentiert somit lediglich die Ignoranz der Verfasserin gegenueber den maennlichen Formen von Fuersorglichkeit - diese Ignoranz aber ist in der heutigen Gesellschaft mit ihrer abgehobenen Muetterduseligkeit und Vaeterdiffamierung eher die Regel als die Ausnahme.


Gruss

Maesi

Bertrams Interview


gesamter Thread:

 

powered by my little forum