"Zur Wohngemeinschaft degradiert"
Familiendebatte
"Zur Wohngemeinschaft degradiert"
Von Stephan Löwenstein, Berlin
21. Februar 2007
Allmählich legt sich die Aufregung im unionsinternen Streit über zusätzliche Krippenplätze für Kleinkinder. Das macht den Blick frei auf den Nervus Rerum: Wie soll das bezahlt werden? Das sei, heißt es in der SPD, der "Pferdefuß" an dem schönen Vorschlag der Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen (CDU), die Zahl der Krippenplätze bis zum Jahr 2013 auf 750.000 zu verdreifachen. "Wenn die Ministerin sagt, wo sie die drei Milliarden Euro hernimmt und wie sie sie verteilen will, dann sind wir schon weiter," sagt die Fachsprecherin der SPD-Fraktion, Christel Humme. Der Parteivorsitzende Beck hatte schon am Wochenende auf einem Landesparteitag in Bremen gesagt: "Versprechungen zu machen, die nicht gedeckt sind, hilft keinen Millimeter weiter."
Damit treffen die Sozialdemokraten einen Nerv der Ministerin, weil Frau von der Leyen erklärtermaßen Finanzierungsfragen erst später in großem Zusammenhang klären will: wenn alle familienpolitischen Leistungen überprüft werden. Eine entsprechende Kommission war zu Jahresbeginn eingesetzt worden; mit verwendbaren Ergebnissen wird nicht vor der zweiten Jahreshälfte gerechnet. Entsprechend will die CDU-Grundsatzprogrammkommission jetzt nicht auf die sozialdemokratischen Sticheleien eingehen. Bis zur Vorstellung des Programms im Sommer werde ein abgestimmtes Finanzierungskonzept vorliegen, heißt es.
Ob diese Entlastung eintritt, ist mehr als umstritten
Auf einen Ausbau der Kinderbetreuung hatten sich Union und SPD im Grundsatz schon im Koalitionsvertrag festgelegt. Konkret wird dort allerdings nur auf das von der rot-grünen Vorgängerregierung beschlossene Tagesbetreuungsausbaugesetz (TAG) rekurriert. Es sieht vor, dass 230.000 zusätzliche Betreuungsplätze bis zum Jahr 2010 für Kinder unter drei Jahren geschaffen werden. Als Kosten wurden in dem damaligen Gesetzentwurf letztlich 1,5 Milliarden Euro veranschlagt, die von den Kommunen zu tragen sind. Finanziert werden sollte das laut dem damaligen Gesetzentwurf durch die Entlastung der Kommunen aus der Zusammenlegung von Sozial- und Arbeitslosenhilfe. Schon, ob diese Entlastung tatsächlich eintritt, ist mehr als umstritten. Der Vorschlag von Frau von der Leyen verdoppelt das im TAG veranschlagte Ziel - und daher auch die Kosten.
Dass die SPD die CDU in der Finanzierungsfrage bloßzustellen sucht, hängt damit zusammen, dass Frau von der Leyen ihrerseits der SPD die Butter vom Familienbrot zu nehmen droht. Just für Anfang März ist eine sozialdemokratische Offensive geplant, in der es - eben - um Betreuung gehen soll und um die Finanzen. Frau Humme nennt die Stichworte Freibeträge und steuerliche Förderung von Ehe und von Kindern. Die SPD will einen Rechtsanspruch für alle Kinder vom zweiten Lebensjahr an auf einen beitragsfreien Kita-Platz formulieren.
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Es ist kein Merkmal von Gesundheit, wohlangepasstes Mitglied einer zutiefst kranken Gesellschaft zu sein