Wieviel «Gleichberechtigung» verträgt das Land?

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Kompletter Text von Prof. Amendt zu Vaterschaftstests

Christine ⌂, Wednesday, 21.02.2007, 15:46 (vor 6495 Tagen)

Wie Phillip H. heute morgen hier berichtet hat, wurde der Text auf der Homepage von "Die Welt" entfernt.
Nun habe ich den Professor angeschrieben und die Freigabe des Textes erhalten.

Gruß - Christine
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Zweierlei Maß für Frauen und Männer
Gastkommentar Abtreibung und Vaterschaftstest / Von Gerhard Amendt
Von Gerhard Amendt

Was treibt die Bundesministerin der Justiz dazu, Männern unbedingt strafbares Verhalten anhängen zu wollen? Dem Klagenden beim Bundesverfassungsgericht blieb nichts anderes übrig, als heimlich seine Vaterschaft zu testen, weil zurzeit für Väter nur notwehrähnliche Handlungen möglich sind. Vielleicht schlägt in der Schärfe der Justizministerin eine traditionelle weibliche Sicht von Geschlechterrollen durch: Männern ist einfach mehr zuzumuten als Frauen? Früher vor allem im Berufsleben, demnächst beim Zumessen von Strafmaßen.

Männlichkeit, Väterlichkeit und Vaterschaft sind so schützenswert wie Mutterschaft, Mütterlichkeit und Weiblichkeit. Und hierzu zählt die Schwangerschaft - sei sie gewollt oder nicht. Schützenswertes sollte allerdings für Männer wie Frauen gleichermaßen gelten. Dann wäre die Intimität der ungewissen Vaterschaft so schützenswert wie eine Abtreibung. Stattdessen will die Ministerin Strafen für gar zu neugierige Männer verhängen. Andererseits aber ist die Abtreibung straffrei. Obwohl sie rechtlich eine strafwürdige Handlung ist. Für abtreibende Frauen gilt aber, dass auf Strafe wegen der Nähe der Entscheidung zur weiblichen Kernidentität verzichtet wird. Viele sind darüber entsetzt, nicht weil die Frauen straffrei ausgehen, sondern weil sie fürchten, dass damit der Schutz des Lebens Schaden nehmen könnte. Statt zu strafen, lässt der Staat abtreibende Frauen amtlich beraten und übernimmt in den meisten Fällen sogar die Finanzierung, obwohl er das nur bei nachgewiesener Bedürftigkeit tun sollte.

Vielleicht hat sich diese Routine nicht ganz ungewollt eingestellt, weil man zu Recht davon ausgeht, dass, wer zahlt, zuständig ist und somit auch die Verantwortung an ihm hängen bleibt. Man könnte auch sagen: Die Frauen sollen sich keine Gedanken machen, das tun die anderen für sie. Ob das fürsorglich oder bevormundend ist, muss jeder und jede für sich entscheiden.

Mit diesem Hinweis auf eine seltsame Ungleichheit in der Sicht auf Männer und Frauen wird keineswegs ein salomonischer Deal ins Auge gefasst, um die Strafvernarrtheit der Ministerin zu erweichen. Etwa dergestalt, dass keiner die Frage nach der Strafbefreiung bei der Abtreibung stellt, wenn sie heimliche Vaterschaftsanalysen außer Verfolgung stellt - obwohl die Abtreibung Leben verhindert, während die Verletzung der informationellen Selbstbestimmung das nicht annähernd tut. Um keinen pragmatischen Deal geht es, sondern allein um den Wunsch, das Missverhältnis beim Wahrnehmen von Männern und Frauen zu beleuchten.

Die gegen die Männer gerichtete Strafwut scheint symbolisch hoch aufgeladen. Männer sollen über die Klärung der Vaterschaft hinaus irgendwie in die Knie gezwungen werden. Das hat selbst jene Männer, die beim Anblick von Frauen nur Unschuld vermuten, ziemlich hart getroffen. Ein Aufschrei geht quer durch die Parteien: Nicht mit uns! Indes warten einige noch ab, weil sie männliche Selbstverleugnung noch immer mit männlicher Tugend verwechseln und Empörung nur äußern, wenn Frauen ihnen zuvor das gestattet haben.

Was aber bringt die Justizministerin so in Fahrt, dass sogar ihr Ruf als hervorragende Juristin beschädigt wird? Liegt es vielleicht daran, dass ihr Gefühl für Gerechtigkeit in der Politik hier auf Frauen begrenzt bleibt? Allzu überraschend wäre es nicht, zumal in den letzen Jahren in der Politik die Bevorzugung von Frauen mit der Schmähung der Männer korrespondierte. Nun wird diesmal der Strom der Männermissachtung sichtbar. Es ist wie mit dem Krug, der so lange zum Brunnen geht, bis er bricht. Denn was soll das Gerede von Gleichheit und Gerechtigkeit, wenn es vielmehr um Zerstörungswünsche gegen Männer geht, ja, um zweierlei Maß?

Die Versessenheit auf Strafe für Männer, die ihrer Frau misstrauen, erhält dann plötzlich einen verstehbaren Sinn. Keinen angenehmen, aber einen sehr realen und vor allem einen ernst zu nehmenden. Diese Verachtung für das männliche Geschlecht gerät dem Verachtenden nicht zum Vorteil. Und geht es im Kern nicht sogar darum, dass man Männer beim heimlichen Vaterschaftstest strenger als Frauen bei der Abtreibung behandeln soll? Wenn das nicht eine neue Erscheinungsweise des traditionsreichen Geschlechterarrangements und ein höchst unliebsamer Refrain auf das Vorurteil ist, nach dem man Frauen nicht ernst nehmen soll! Ist das der vertrackte Sinn der Debatte?

Der Autor ist Professor für Geschlechter- und Generationenforschung an der Universität Bremen
Artikel erschienen am 19.02.2007

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Es ist kein Merkmal von Gesundheit, wohlangepasstes Mitglied einer zutiefst kranken Gesellschaft zu sein


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