Wieviel «Gleichberechtigung» verträgt das Land?

Archiv 2 - 21.05.2006 - 25.10.2012

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Der recycelte Mann

Christine ⌂, Saturday, 17.02.2007, 19:28 (vor 6872 Tagen)

Die geplante Reform des Unterhaltsrechts rührt tief an traditionelle Geschlechterrollen.
Gerade Frauen werden ihre Langzeitbeziehungen in Zukunft anders gestalten als bisher

Vielleicht hat die außereheliche Affäre des CSU-Prominenten Horst Seehofer, der demnächst eine Geliebte mit Kind zu versorgen hat, den Anstoß gegeben. Oder es haben ein paar nachdenkliche Ehefrauen genauer nachgerechnet, was nach einer Scheidung für sie übrig bliebe. Jedenfalls ist um die geplante Reform des Unterhaltsrechts für Geschiedene neuer Streit entbrannt. Diese Reform rührt an grundsätzliche Vorstellungen von Gerechtigkeit. Wer über die Reform redet, spricht über das Tauschsystem Langzeitbeziehung. Und da werden die Karten zwischen Männern und Frauen gerade neu gemischt.

Nach dem Entwurf zum neuen Unterhaltsrecht sollen die Unterhaltsansprüche geschiedener Ehefrauen an ihren Exmann in Zukunft nicht mehr Vorrang besitzen. Sie sollen vielmehr mit den Ansprüchen der neuen Lebenspartnerin konkurrieren - ob verheiratet oder nicht -, wenn diese ein Kind betreut. Noch vor den Frauen haben zudem alle minderjährigen Kinder des Mannes, auch die aus der neuen Beziehung, ein Recht auf Unterhalt vom Vater. Das neue Gesetz würde somit die Stellung geschiedener Frauen verschlechtern.

Dazu eine Beispielrechnung aus dem Justizministerium: Nach geltendem Recht muss ein Ehemann mit einem bereinigten Nettoeinkommen von 2.280 Euro seiner arbeitslosen Exfrau und ihren beiden gemeinsamen Kleinkindern monatlich 1.066 Euro überweisen - auch wenn er eine neue Partnerin mit Baby hat. Nach neuem Recht würde die Exfrau mit den beiden Kindern nur noch 791 Euro bekommen, die neue Partnerin mit Kind erhielte 499 Euro.

Das neue Recht greift bei jenem Scheidungsklassiker, der allergrößtes Verletzungspotenzial enthält: Nach einer langen Beziehung verlässt der Mann die Ehefrau wegen einer Jüngeren und gründet mit dieser eine zweite Familie. Die erste Ehefrau bleibt zurück. Sie hat wegen der Kinder auf eine Karriere verzichtet, steht jetzt allein, arbeitslos und verbittert da und muss auch noch mitansehen, wie jeder weitere Zeugungsakt des Mannes ihren Unterhalt - und damit ihren Lebensstandard - schmälert. Explosiver geht es nicht.

Es gibt aber auch den umgekehrten Fall, und der treibt wiederum die Männer auf die Barrikaden: Die Frau verlässt den Mann. Nach der Scheidung lässt sie sich noch jahrzehntelang vom Exmann alimentieren, ohne sich dem kalten Wind des Arbeitsmarktes auszusetzen. Der Geschiedene kann sich eine zweite Ehe schlichtweg nicht mehr leisten und steckt in der Unterhaltsfalle fest.

Solche Horrorszenarien von himmelschreiender Ungerechtigkeit werden in privaten Kreisen oft kolportiert. Wie oft sie eintreten, ist statistisch aber nicht festzustellen. Jedenfalls ist der tatsächlich gezahlte Unterhalt des Mannes viel geringer, als es das Klischee von Scheidungen à la Boris Becker vermuten lässt. Nach einer Studie des Bundesfamilienministeriums von 2003 verlieren Frauen nach der Scheidung im Durchschnitt ein Drittel ihres Einkommens, die Männer büßen nur mehr als ein Zehntel ein. Diese Werte sind je nach Haushaltsgröße gewichtet. Nur jede zehnte Geschiedene hat überhaupt Anspruch auf Unterhalt - weil der Mann meist zu wenig verdient, um nach dem Eigenbedarf und den Unterhaltszahlungen für die Kinder überhaupt noch Geld übrig zu haben.

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Es ist kein Merkmal von Gesundheit, wohlangepasstes Mitglied einer zutiefst kranken Gesellschaft zu sein

Der recycelte Mann

Krischan der Echte, Saturday, 17.02.2007, 20:04 (vor 6872 Tagen) @ Christine

Zwei Dinge gilt es m.E. hervorzuheben:

Für geschiedene Männer wird sich nicht viel ändern. Ich finde es bemerkenswert, daß dies in der taz so deutlich hervorgehoben wird.

Gut finde ich allerdings, daß Frauen mit dem neuen Unterhaltsrecht einen triftigen Grund haben, tatsächlich für ein eigenes Einkommen zu sorgen: Sie werden von den Fakten dazu gezwungen.

Ferner die neuen Umstände vielleicht auch dazu sorgen, daß die Scheidung nicht mehr so schnell eingereicht wird und vielleicht etwas mehr dazu beigetragen wird, eine kriselnde Ehe noch mal zu retten.


Grüße,

Krischan

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Der Feminismus rennt froh und munter
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Versenken wir das lila Boot

Der recycelte Mann

Rainer ⌂, Saturday, 17.02.2007, 21:09 (vor 6872 Tagen) @ Krischan der Echte

Hallo

Für geschiedene Männer wird sich nicht viel ändern. Ich finde es
bemerkenswert, daß dies in der taz so deutlich hervorgehoben wird.

Da gehört auch nicht viel dazu, das zu erkennen;-)

Gut finde ich allerdings, daß Frauen mit dem neuen Unterhaltsrecht einen
triftigen Grund haben, tatsächlich für ein eigenes Einkommen zu sorgen:
Sie werden von den Fakten dazu gezwungen.

Das glaube ich nicht. Nach jetzigem Recht ist der lebenslange Unterhalt für die Ex die Ausnahme. In der Paxis ist er Standart.

Ferner die neuen Umstände vielleicht auch dazu sorgen, daß die Scheidung
nicht mehr so schnell eingereicht wird und vielleicht etwas mehr dazu
beigetragen wird, eine kriselnde Ehe noch mal zu retten.

Da wird sich nichts ändern, ist dem Staat auch egal. Den Staat drücken nur die Zahlungen von Unterhaltvorschuss, der in vielen Kommunen schon der dickste Brocken im Haushalt ist.

Eine Unterhaltsverpflichtung dämpft immer die Energie des Verpflichteten. Das bedeutet nicht, das er sich total querstellt, er ist allerdings weit weniger bereit durch Leistung sein Einkommen zu verbessern, eher umgekehrt. Innerhalb der ersten 2 Jahre nach der Trennung verlieren 50% der Männer ihren Arbeitsplatz. Ob diese Männer arbeiten oder nicht, ändert meist nichts an dem ihnen belassenen Einkommen. "Warum soll ich dann noch arbeiten" ist die Schlussfolgerung. Mit dem neuen Unterhaltsrecht glaubt man die Zahlungsmoral der Männer bessern zu können.

Wenn ich mir die neuen Kinderunterhaltsberäge ansehe bezweifle ich das Ganze. Wenn der Durchschnitt zum Mangelfall wird, stimmt etwas nicht.

Ich selbst habe mich auf solche Rechnereien nie eingelassen und habe den Unterhalt total verweigert.

Es wäre interessant zu wissen, welcher volkswirtschaftliche Schaden durch die schlechte Motivation der Unterhaltsverpflichteten und auch den Rechtstreitereien entsteht. Alle staatlichen Stellen und die Rechtsanwälte schöpfen ja keinen Wert, sie verbrauchen nur.

Das Ganze kommt mir vor wie die kuriosen Annahmen zur Berechnung der Planetenbahnen um das geozentrische System zu bestätigen. Es ergibt oft ungeahnte Einblicke in "moderne" Diskussionen, wenn man solche alten Streitereien studiert.

Rainer

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Kazet heißt nach GULAG jetzt Guantánamo

Der recycelte Mann

Krischan der Echte, Sunday, 18.02.2007, 13:12 (vor 6871 Tagen) @ Rainer

Es wäre interessant zu wissen, welcher volkswirtschaftliche Schaden durch
die schlechte Motivation der Unterhaltsverpflichteten und auch den
Rechtstreitereien entsteht. Alle staatlichen Stellen und die Rechtsanwälte
schöpfen ja keinen Wert, sie verbrauchen nur.

Oh, da kommt einiges zusammen. Auf dieser sehr empfehlenswerten Seitesind die Zahlen eines Unterhaltsemmigranten zu finden. (Ich meine, den Link sogar hier im Forum gefunden zu haben.)

Grüße,
Krischan

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Der recycelte Mann

Maxx, Zürich, Sunday, 18.02.2007, 13:50 (vor 6871 Tagen) @ Krischan der Echte

Hallo

Von den rund 150'000 Auswanderern landen etwa 10 % bei uns in der Schweiz. Die Vorteile liegen auf der Hand: Höheres Einkommen, niedrigere Steuern usw. Uns freuts... Nicht zuletzt auch, weil durch die Einwanderung deutschsprachiger der Prozentsatz der Balkanesen, Musels und anderen unverständlich sprechenden sinkt und dadurch langsam auch wieder eine bessere Durchmischung in den Schulen entsteht und dadurch das Bildungsniveau angehoben wird. (Viele Deutsche kommen ja nicht als Singels, sondern mit der ganzen Familie).

Gruss
Maxx

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Two Beer or not two Beer (Django Edwards)

Der recycelte Mann

Rainer ⌂, Sunday, 18.02.2007, 14:03 (vor 6871 Tagen) @ Krischan der Echte

Hallo

Oh, da kommt einiges zusammen. Auf dieser sehr empfehlenswerten Seite
sind die Zahlen eines Unterhaltsemmigranten zu finden. (Ich meine, den Link
sogar hier im Forum gefunden zu haben.)

Wie sich die Zahlen ähneln. Bei mir verliert der Staat pro Jahr ca. 30.000 Eur an Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen. Und das seit 1996. Die Gelder, die seitdem andersherum fließen gar nicht gerechnet (Arbeitslosengeld, Fördergelder, u.s.w.)

Rainer

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Der recycelte Mann

Expatriate, Sued-Ost-Asien, Friday, 23.02.2007, 05:49 (vor 6867 Tagen) @ Rainer

Wie sich die Zahlen ähneln. Bei mir verliert der Staat pro Jahr ca. 30.000
Eur an Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen. Und das seit 1996.

Diese Zahlen kriege ich auch locker zusammen, seit 7 Jahren. Mit indirekten Steuern und angenommenen Gehaltserhoehungen kann sich das auch schnell noch verdoppeln.
Und wenn ich mir in D'land dann noch vorstellen muesste, von diesem Geld wuerde eine Frauenbeauftragte bezahlt werden, ohjeohje. Oder vielleicht sogar zwei, ich weiss ja nicht was die so verdienen, aber doll wirds wohl nicht sein. Ach du meine Guete, bei jeder Gehaltsabrechnung muesste man sich dann aegern.

Emanzenfrei und Spass dabei! Gong Xi Fa Cai!
Euer Expat

Ex-Vater = hochwertiger Abfall; Danke! (o.T.)

truhe, Wednesday, 21.02.2007, 01:15 (vor 6869 Tagen) @ Christine

Die geplante Reform des Unterhaltsrechts rührt tief an traditionelle
Geschlechterrollen.
Gerade Frauen werden ihre Langzeitbeziehungen in Zukunft anders gestalten
als bisher

Vielleicht hat die außereheliche Affäre des CSU-Prominenten Horst
Seehofer, der demnächst eine Geliebte mit Kind zu versorgen hat, den
Anstoß gegeben. Oder es haben ein paar nachdenkliche Ehefrauen genauer
nachgerechnet, was nach einer Scheidung für sie übrig bliebe. Jedenfalls
ist um die geplante Reform des Unterhaltsrechts für Geschiedene neuer
Streit entbrannt. Diese Reform rührt an grundsätzliche Vorstellungen von
Gerechtigkeit. Wer über die Reform redet, spricht über das Tauschsystem
Langzeitbeziehung. Und da werden die Karten zwischen Männern und Frauen
gerade neu gemischt.

Nach dem Entwurf zum neuen Unterhaltsrecht sollen die Unterhaltsansprüche
geschiedener Ehefrauen an ihren Exmann in Zukunft nicht mehr Vorrang
besitzen. Sie sollen vielmehr mit den Ansprüchen der neuen Lebenspartnerin
konkurrieren - ob verheiratet oder nicht -, wenn diese ein Kind betreut.
Noch vor den Frauen haben zudem alle minderjährigen Kinder des Mannes,
auch die aus der neuen Beziehung, ein Recht auf Unterhalt vom Vater. Das
neue Gesetz würde somit die Stellung geschiedener Frauen verschlechtern.

Dazu eine Beispielrechnung aus dem Justizministerium: Nach geltendem Recht
muss ein Ehemann mit einem bereinigten Nettoeinkommen von 2.280 Euro seiner
arbeitslosen Exfrau und ihren beiden gemeinsamen Kleinkindern monatlich
1.066 Euro überweisen - auch wenn er eine neue Partnerin mit Baby hat.
Nach neuem Recht würde die Exfrau mit den beiden Kindern nur noch 791 Euro
bekommen, die neue Partnerin mit Kind erhielte 499 Euro.

Das neue Recht greift bei jenem Scheidungsklassiker, der allergrößtes
Verletzungspotenzial enthält: Nach einer langen Beziehung verlässt der
Mann die Ehefrau wegen einer Jüngeren und gründet mit dieser eine zweite
Familie. Die erste Ehefrau bleibt zurück. Sie hat wegen der Kinder auf
eine Karriere verzichtet, steht jetzt allein, arbeitslos und verbittert da
und muss auch noch mitansehen, wie jeder weitere Zeugungsakt des Mannes
ihren Unterhalt - und damit ihren Lebensstandard - schmälert. Explosiver
geht es nicht.

Es gibt aber auch den umgekehrten Fall, und der treibt wiederum die Männer
auf die Barrikaden: Die Frau verlässt den Mann. Nach der Scheidung lässt
sie sich noch jahrzehntelang vom Exmann alimentieren, ohne sich dem kalten
Wind des Arbeitsmarktes auszusetzen. Der Geschiedene kann sich eine zweite
Ehe schlichtweg nicht mehr leisten und steckt in der Unterhaltsfalle
fest.

Solche Horrorszenarien von himmelschreiender Ungerechtigkeit werden in
privaten Kreisen oft kolportiert. Wie oft sie eintreten, ist statistisch
aber nicht festzustellen. Jedenfalls ist der tatsächlich gezahlte
Unterhalt des Mannes viel geringer, als es das Klischee von Scheidungen à
la Boris Becker vermuten lässt. Nach einer Studie des
Bundesfamilienministeriums von 2003 verlieren Frauen nach der Scheidung im
Durchschnitt ein Drittel ihres Einkommens, die Männer büßen nur mehr als
ein Zehntel ein. Diese Werte sind je nach Haushaltsgröße gewichtet. Nur
jede zehnte Geschiedene hat überhaupt Anspruch auf Unterhalt - weil der
Mann meist zu wenig verdient, um nach dem Eigenbedarf und den
Unterhaltszahlungen für die Kinder überhaupt noch Geld übrig zu haben.

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