Weicheieralarm im Stadion
© ZEIT online 12.2.2007 - 10:18 Uhr
Weicheieralarm im Stadion
Echte Kerle gehen samstags ins Stadion. Doch seit sie auch Windeln wechseln müssen, schwächeln die Platzhirsche. Kommt jetzt die weiche Welle? fragt Christoph Seils in seinem wöchentlichen Bundesliga-Nachspiel.
Echte Kerle gehen samstags in Stadion. Mit Schal und Tröte, vor dem Spiel gibt es Bratwurst und Bier. Schlimm genug, dass es dort nur noch alkoholfreies aus Plastikbechern gibt. In der Nordkurve allerdings ist die Welt noch in Ordnung, da gibt es Sieger und Verlierer und was wichtiger ist, da gibt es noch Schwarz und Weiß.
Der Dortmunder Dede, der den Hamburger David Jarolim in der AOL-Arena mit der Blutgrätsche von der Beinen holte, ist ein "Mörder", und Schiedsrichter Babak Rafati, der den Bayern in der Allianz-Arena ein reguläres Tor wegen Abseits aberkannte, ist eine "schwarze Sau". In der Arena "Auf Schalke" ist Mittelstürmer Kevin Kuranyi jetzt ein "Fußballgott". Sechs Punkte Vorsprung, da darf in Sache Meisterschaft gehofft werde. Gleich nach dem Spiel sind die Schalker Fans in ihre Keller gerannt und haben die blau-weißen Meister-Girlanden von 2001 hochgeholt. Ein bisschen verstaubt sind sie schon, aber unbenutzt. Und aus der Eins lässt sich leicht eine Sieben machen. Nur der Strampler mit dem runden S04-Logo auf der Brust bleibt im Keller, aber der passt dem Filius sowieso nicht mehr.
Ja, im Stadion ist der Mann noch ein Mann und sobald der Nachwuchs die Guten von den Bösen unterscheiden kann, darf er mit. Im Stadion kann man ja auch `ne Menge über das Leben lernen, und Mutti darf auch mit, wenn sie vor jedem Spiel versichert, dass sie immer noch nicht weiß, wann Abseits ist. Doch das Kerle-Paradies ist in Gefahr, im Stadion besteht Weicheieralarm. Die Zeit der Alphatierchen ist vorbei, sagt Familienministerin Ursula von der Leyen, richtige Kerle können auch mal die Windeln wechseln.
Aber doch nicht am Samstagnachmittag. Da gehört Papi hinters Tor. Sonst wird das nie was mit der Meisterschaft. Schlimm genug, dass Frauen jetzt überall mitreden dürfen, aber vielleicht kann man sich mit der Ursula ja arrangieren. Von den drei Milliarden, die sie für die Kinderbetreuung beim Peer locker machen will, können in den Katakomben der Stadien ja Kinderkrippen eingerichtet werden. Kann ja dem deutschen Fußball-Nachwuchs nicht schaden, wenn sich die Bundesliga auch um die ganz kleinen kümmert. Fußballkinderkrippenpflicht wäre noch besser. Manuel Neuer hat ja schon mit fünf Jahren im Schalker Tor gestanden, jetzt hält er jeden Ball. Unverstellbar, wie stark der wäre, wenn der schon in Windeln dem blauweißen Leder hinterhergelaufen wäre. Frühe Fußballschule zahlt sich aus. Dann bräuchte man auch keine talentierten Kinder mehr in Polen, Nigeria oder Mexiko zu kaufen.
--
Es ist kein Merkmal von Gesundheit, wohlangepasstes Mitglied einer zutiefst kranken Gesellschaft zu sein
gesamter Thread: