Die Macht der Mütter
23. Januar 2007, Neue Zürcher Zeitung
Kasten: Belastete Vormundschaftsbehörden
Die Macht der Mütter
Vereinigung geschiedener Väter beklagt Indifferenz der Behörden
Wenn eine Mutter nicht will, dass sich ihr geschiedener Mann weiter um die Kinder kümmert, hat der Vater kaum Möglichkeiten, sein Besuchsrecht durchzusetzen. Mehr noch als diesen Missstand beklagt der Zürcher Verein Mannschafft die Rolle der Behörden.
cn. Kurz nach der Geburt des gemeinsamen Kindes verlässt eine Frau ihren Mann, um alleine auf Weltreise zu gehen. Anderthalb Jahre später kommt sie zurück, um es erneut mit dem Familienleben zu probieren. Es klappt nicht, die Frau verreist erneut und lässt den Mann mit dem Kleinkind zurück. Als sie nach einiger Zeit wieder heimkommt, hat sie ihre Muttergefühle entdeckt und fordert das Sorgerecht für das Kind. Der Mann, der sein Kind in den ersten Jahren allein aufzog und dafür sein Arbeitspensum halbierte, darf es nun alle zwei Wochen besuchen.
Mütter und Behörden als Urteilsinstanz
Die Geschichte, die anmutet wie eine moderne Legende, erfunden von einem frustrierten Vater, ist nur eines von vielen Beispielen aus dem Erfahrungsschatz des Kinderpsychologen Allan Guggenbühl. An einer Medienorientierung in Zürich, zu welcher der Verein Mannschafft, eine Interessengemeinschaft geschiedener Männer, geladen hatte, kritisierte der Kinderpsychologe die gängige Scheidungspraxis. Väter könnten die Beziehung zu ihren Kindern nur aufrechterhalten, wenn die Mütter dies auch zuliessen.
Häufig erlebt Guggenbühl, dass sich die Mutter und die zuständige Vormundschaftsbehörde als beurteilende Instanz über die erzieherischen Fähigkeiten des Vaters gebärden. Da werde dann beklagt, dass das Kind vor dem Spaziergang keine Mütze angezogen und Fertigpizza gegessen habe oder dass sich Vater und Kind nur Eishockeyspiele am Fernseher angeschaut hätten. Auch von Müttern gern vorgebrachte Einwände wie: das Kind wolle den Vater gar nicht besuchen, könne nach den Besuchen nicht schlafen und sei danach häufig krank, würden von den Behörden selten kritisch hinterfragt. Solange ein Vater mit seinem Kind anständig umgehe, postulierte Guggenbühl, dürfe ihm der Kontakt aber nicht verweigert werden. Das Kind habe das Recht auf eine Beziehung zum Vater - auch wenn dieser nicht perfekt sei.
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Es ist kein Merkmal von Gesundheit, wohlangepasstes Mitglied einer zutiefst kranken Gesellschaft zu sein