Wieviel «Gleichberechtigung» verträgt das Land?

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Dissens e.V. - Stellungnahme zum Spiegelartikel

Christine ⌂, Friday, 19.01.2007, 17:21 (vor 6898 Tagen)

In einem Artikel des Nachrichtenmagazins "Der Spiegel" werden die Gender Mainstreaming-Strategie, das Pilotprojekt "Neue Wege für Jungs", die Bundesregierung, die Bundesministerin Frau von der Leyen und auch Dissens e.V. angegriffen. Eine erste Stellungnahme der Geschäftsführung von Dissens e.V. hier:

Unter der Überschrift: "Der neue Mensch" schreibt René Pfister im "Spiegel" 1/2007 einen Artikel über die Umsetzung der Gender Mainstreaming-Strategie durch die Bundesregierung und stellt darin bizarre und unzutreffende Behauptungen auf.
Der Autor beschreibt Gender Mainstreaming fälschlicherweise als ein "Erziehungsprogramm", das nicht nur die Lage der Menschen, sondern die Menschen selbst ändern solle. In Wirklichkeit ist Gender Mainstreaming eine Strategie, die auf Veränderung von Politik und Verwaltungshandeln zielt.
Der Autor versucht die vielen bei der Umsetzung der Gender Mainstreaming-Strategie aktiv mitarbeitenden weiblichen und männlichen MitarbeiterInnen von Verwaltungen, Ämtern und Institutionen zu diskreditieren, in dem er willkürlich herausgegriffene Beispiele aus einzelnen Studien anführt. Diese sollen so als seltsame Auswüchse einer scheinbar absurden Verwaltungstätigkeit erscheinen. Über die Gesamtaussagen der Studien und die Motive der auftraggebenden Verwaltungen erfahren die LeserInnen nichts.
Der Autor kritisiert das Bildungsprojekt "Neue Wege für Jungs", durch die Jungen und junge Männer an diejenigen Pflege- und Sozialberufe herangeführt würden, die zu geringe Karriereaussichten bieten würden. Der Grund ist, dass er die Zielrichtung von "Neue Wege für Jungs" absichtlich oder unabsichtlich missversteht: Dort geht es um die Reflektion von Geschlechterrollen, die Erweiterung von Berufsperspektiven für Jungen und um die Erweiterung von sozialen und pflegerischen Kompetenzen für Jungen, damit Jungen sich nicht weiterhin selbst aus bislang als "weiblich" angesehenen Berufsfeldern ausschließen.
Als Beispiel für Gender Mainstreaming in der Praxis kommt der Autor unter anderem auf Dissens e.V. zu sprechen und schreibt etwa, Ralf Puchert, einer der Dissens e.V. - Geschäftsführer/innen, habe es sich zur Lebensaufgabe gemacht, einen anderen Mann zu "formen". Dissens e.V. quäle Jungen mit einer Pädagogik, die ihre Identität zerstören solle. Diese polemisierende Darstellung verfälscht die Arbeit von Dissens e.V. - dies lässt sich nur als Abwehr des Autors gegen die in den letzten Jahrzehnten durch die Arbeit von Dissens e.V. und vielen anderen Männern und Frauen entwickelten emanzipatorischen Männlichkeits- und Weiblichkeitsentwürfe lesen. Diese versucht Pfister zu diffamieren und der Lächerlichkeit preiszugeben.

Wir möchten die Gelegenheit nutzen, die Berichterstattung richtig zu stellen. Dabei beschränken wir uns an dieser Stelle auf die Kritik an der Jungenarbeit von Dissens e.V. und gehen nicht weiter auf die ähnlich tendenziösen und verfälschenden anderen Teile des Artikels ein. Dies haben andere bereits getan, und auch wir werden dies an geeigneter Stelle nachholen.

Dissens e.V. ist ein Fachträger für geschlechterdifferenzierte pädagogische Arbeit mit Jungen. Schwerpunkt der Angebote des Arbeitsbereichs Jungenarbeit sind verschiedene Hilfsangebote für Jungen im Rahmen der Hilfen zur Erziehung.

Wir führen auch Seminare im Rahmen der geschlechtsspezifischen politischen Jugendbildungsarbeit durch, darunter die Antidiskriminierungstrainings "Alle sind gleich - alle sind verschieden" sowie gelegentlich Projekttage und -wochen für Schulklassen, in aller Regel in enger Zusammenarbeit mit Mädchenarbeitsfachträgern.

Es geht in der Jungenarbeit von Dissens e.V. um die Erweiterung von Geschlechtervorstellungen und um die Infragestellung von tradierten und die Jungen häufig in ihrem Potential einengenden Männlichkeitsbildern.

Unsere pädagogische Arbeit beruht auf der Wertschätzung von Jungen und zielt einerseits darauf die Handlungskompetenzen, insbesondere in Bezug auf Sozialkompetenz, zu erweitern und andererseits dominantes und gewalttätiges Verhalten von Jungen zu begrenzen. Insbesondere bei den Hilfen zur Erziehung wird jeder einzelne Junge auf Grundlage seiner Ressourcen und seines Förderbedarfs gestärkt. In kurzzeitpädagogischen Bildungsmaßnahmen der politischen Jugendbildung wird in Jungengruppen vorwiegend zu "Rollenerweiterung" von Jungen gearbeitet.

Insgesamt fördert die Arbeit von Dissens e.V. soziale Gerechtigkeit und Lebensqualität von Frauen und Männern.

Bitte unbedingt hier weiterlesen

--
Es ist kein Merkmal von Gesundheit, wohlangepasstes Mitglied einer zutiefst kranken Gesellschaft zu sein

Dissens e.V. - Stellungnahme zum Spiegelartikel

Max, Fliegentupfing, Friday, 19.01.2007, 17:44 (vor 6898 Tagen) @ Christine

Völlig obsolet. Es hat keine Geschlechterpolitik zu geben und aus. Die Geschlechter gehen keine Regierung und keine Bürokratie was an. Männer und Frauen gab es schon lange, bevor irgendeinem linken Soziologenhirn "Gender" eingefallen ist. Was hier, hinter Nebelrhetorik verborgen, probiert wird, ist klar:
Die Verheerungen, die eine rücksichtslose "Befreiung der Frau" aus ihrer tradierten und über Jahrtausende gewachsenen "Rolle" mit sich bringen, sollen dadurch abgeschwächt werden, daß "neue Männer" in die Bresche springen, die mutwillig und einseitig von Mumukraten gerissen wird, ohne Männer nach ihrer Meinung zu fragen.
Männer sollen sich verändern, weil das eben ohne veränderte Männer nicht geht. Und wenn sie nicht wollen, dann soll ihnen die Veränderung per Gesetz reingedrückt werden. Das ist und bleibt totalitär.
Da kann Dissens oder sonstwer so viele Stellungnahmen abgeben wie er will.

Läßt sich nicht so leicht verarschen - Max

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"Wenigstens bin ich Herr der Fliegen", sagte der stinkende Scheißhaufen.
(Baal Zebub/Beelzebub - wird übersetzt mit "Herr der Fliegen")

Dissens e.V. - Stellungnahme zum Spiegelartikel

Freddy, Friday, 19.01.2007, 20:54 (vor 6897 Tagen) @ Christine

Der Autor beschreibt Gender Mainstreaming fälschlicherweise als ein
"Erziehungsprogramm", das nicht nur die Lage der Menschen, sondern die
Menschen selbst ändern solle. In Wirklichkeit ist Gender Mainstreaming
eine Strategie, die auf Veränderung von Politik und Verwaltungshandeln
zielt.

Ich halte fest: Laut Dissens e.V. ist Gender Mainstreaming kein Erziehungsprogramm und will den Menschen auch nicht ändern. In Wirklichkeit will Gender Mainstreaming Politik und Verwaltungshandeln ändern.

Der Autor kritisiert das Bildungsprojekt "Neue Wege für Jungs", durch die
Jungen und junge Männer an diejenigen Pflege- und Sozialberufe
herangeführt würden, die zu geringe Karriereaussichten bieten würden. Der
Grund ist, dass er die Zielrichtung von "Neue Wege für Jungs" absichtlich
oder unabsichtlich missversteht: Dort geht es um die Reflektion von
Geschlechterrollen, die Erweiterung von Berufsperspektiven für Jungen und
um die Erweiterung von sozialen und pflegerischen Kompetenzen für Jungen,
damit Jungen sich nicht weiterhin selbst aus bislang als "weiblich"
angesehenen Berufsfeldern ausschließen.

Ist es den Mitgliedern von Dissens e.V. schon mal in den Sinn gekommen, daß das, was aus ihrer Sicht eine Erweiterung ist, für den Jungen eine Einschränkung sein könnte? Jungen haben heute mehr als früher die Möglichkeit (z.B. mit Hilfe des berühmten Internets), sich über Berufsmöglichkeiten zu informieren. Wenn jedoch nach einem entsprechenden Überblick ihre Wahl trotzdem auf einen traditionell männlichen Beruf fällt, warum kann man das dann nicht respektieren? Ich selbst würde zwar keinem Jungen oder jungen Mann, der mir etwas bedeutet, einen gefährlichen Beruf empfehlen. Daß es aber trotzdem in manchen Fällen nicht zu vermeiden ist (Feuerwehr z.B. muß es ja weiterhin geben), sehe ich ein, jedoch sollte diese männliche Opferbereitschaft eine angemessene gesellschaftliche Würdigung erfahren.

"Alle sind gleich - alle sind verschieden"

Ja was denn nun? Etwa beides?? Bitte keine kotradiktorischen Werbesprüche!

Es geht in der Jungenarbeit von Dissens e.V. um die Erweiterung von
Geschlechtervorstellungen und um die Infragestellung von tradierten und
die Jungen häufig in ihrem Potential einengenden Männlichkeitsbildern.

Die Frage, ob ihr eigenes(!) Männlichkeitsbild sie einengt, sollten die betroffenen Jungen selbst beantworten. Daß das traditionelle gesellschaftliche Männerbild eingeengt ist, steht außer Frage, aber das ist ein Problem der Leute, die dieses Bild vertreten und nicht ein Problem von Jungen, die dieses Bild vermutlich gar nicht kennen. Bei diesen Leuten, nicht bei den Jungen, müßte der Dissens e.V. ansetzen, wenn er Veränderungen erreichen will - offenbar herrscht hier Unklarheit über Ursache und Wirkung!

Unsere pädagogische Arbeit beruht auf der Wertschätzung von Jungen und
zielt einerseits darauf die Handlungskompetenzen, insbesondere in Bezug
auf Sozialkompetenz, zu erweitern und andererseits dominantes und
gewalttätiges Verhalten von Jungen zu begrenzen. Insbesondere bei den
Hilfen zur Erziehung wird jeder einzelne Junge auf Grundlage seiner
Ressourcen und seines Förderbedarfs gestärkt.

Offensichtlich will der Dissens e.V. bei der Erziehung von Jungen mitwirken. Da Gender Mainstreaming keine Erziehung ist (wie oben vom Dissens e.V. erklärt), frage ich mich, warum der Dissens e.V. mit eben jenem Gender Mainstreaming (von sich selbst oder anderen) in Verbindung gebracht wird.

Gruß
Freddy

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