ZDF 09.01.07 - 22:15h - 37° Wer ist mein Vater?
Behörden und Konsulate hat Christine K. aus Niedersachsen eingeschaltet, viel Zeit, Energie und Geld geopfert, um endlich ihren wirklichen Vater kennen zu lernen. "Es ist wie ein Trieb, gegen den ich nicht ankomme und der eine dauernde innere Unruhe in mir erzeugt", beschreibt die vierzigjährige allein erziehende Mutter ihren Gemütszustand. Der drängende Wunsch bestimmte ihr Leben immer mehr, als sich die Mutter, unter schweren Depressionen leidend, das Leben nahm. Da war Christine 14 , und es begann die eigentliche Suche: "Für mich wurde es danach um so wichtiger, meine Wurzeln väterlicherseits zu finden, einen Platz zu finden, wo ich eigentlich hingehöre."
Autor Broka Herrmann begleitete sie für die ZDF-Reihe 37º in den vergangenen sechs Monaten auf ihrer Suche, bis Christine K. endlich fündig wurde: "Mit butterweichen Knien und am ganzen Leib zitternd" stand sie dann, nach jahrzehntelanger Suche, vor der Tür des Hauses, in dem ihr Vater arbeitete. Tausende Kilometer entfernt von zuhause - an der galizischen Küste. Sie schien endlich angekommen am Ziel ihrer Wünsche. Sie war ganz nah dran, endlich zu erfahren, wie ihr Erzeuger zu ihr steht, nach dem sie sich so lange gesehnt hatte. Doch was sie dann erlebte, war eine einzige, neuerliche Kränkung...
Die Suche nach dem unbekannten Vater bestimmt das Leben vieler Menschen. Es ist anders, als wenn ein geliebter Vater stirbt. Grundfragen bleiben unbeantwortet: Hat er mich überhaupt gewollt? Würde er mich lieben, wenn er mich kennte? Würde er mich akzeptieren, wäre ich "sein" Kind?
Besonders die nie erklärte Abwesenheit des gegengeschlechtlichen Elternteils kann Kinder in bestimmten Wachstumsperioden schwer belasten. Jeder Mensch möchte ein Kind der Liebe sein und nicht eine Art Betriebsunfall. Verständlich, dass die Suche nach dem großen Unbekannten zum Zwang werden kann. Persönlichkeiten geraten aus dem Gleichgewicht, Identitäten entzieht es den Boden. In Christines Fall hat es sogar zu zeitweiligen psychotischen Zuständen geführt.
"Alle haben einen Papa, warum ich nicht?", fragte sich auch Karin S. aus Bochum als Mädchen. Ihre Mutter hatte den Vater zur Persona non grata erklärt und schob das Kind des Mannes, der in ihrem Leben keine Rolle mehr spielen sollte, zur Oma ab. "Meine Oma war meine Mutter, zu meiner eigentlichen Mutter gab es kein Gefühl", sagt Karin. Bei den Großeltern wuchs sie auf, zur Mutter hat sie noch heute kein normales Verhältnis. Erst bei ihrer Konfirmation fiel es ihr wie Schuppen von den Augen: sie ist vaterlos.
Ab da begann ihre Suche. 28 Jahre blieb sie im Unklaren darüber, wo ihr Vater ist, ein jahrzehntelanges Auf und Ab mit schweren Krisen, Verzweiflung, Resignation. Aber immer wieder angetrieben von "einem inneren Zwang", der, wie sie selbst beschreibt, schließlich sogar die Berliner Mauer überwand. In Ost-Berlin fand die Taxifahrerin den Vater am Arbeitsplatz, ein Fahrer wie sie. Es war nicht der James Dean, den sie sich mittlerweile zusammengeträumt hatte, sondern ein wirklicher Vater, der Fehler gemacht hat und sich dafür schämt, nie ein Lebenszeichen von sich gegeben zu haben. Der sich aber dann doch freute, dass sein Kind ihn gefunden hat und es in seine (neue) Familie aufnahm, auch wenn Karin da längst erwachsen war. "Seit ich meinen Vater gefunden habe, bin ich wie befreit wie erlöst", sagt Karin S.
Länge: 30 min
Regie: Broka Herrmann
--
Es ist kein Merkmal von Gesundheit, wohlangepasstes Mitglied einer zutiefst kranken Gesellschaft zu sein