Financial Times: Das Kreuz mit der Diskriminierung
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Das Kreuz mit der Diskriminierung
von Nina Klöckner (Hamburg)
Das neue Gleichbehandlungsgesetz erzürnt die Unternehmer. Verunsicherte Personalchefs legen Kriegskassen für Prozesskosten an und zögern bei Einstellungen. Längst nutzen Klageprofis das Gesetz als Einnahmequelle aus.
Bestimmt ist sie nicht nur vor Gericht eine Granate. Süß, wie sie sich an ihre Gesetze klammert. Leider ist das nur ein Foto, daneben folgender Text: "Bildhübsche dynamische Anwältinnen zwischen 25 und 35 Jahren mit deutlich zweistelligen Examina und akzentfreiem Englisch gesucht."
Noch nie hat die Frankfurter Kanzlei Greenfort auf eine Stellenanzeige so viele Reaktionen bekommen. Selbst Hochschulprofessoren richteten den Anwälten ihre Glückwünsche aus. "Es war ein bundesweiter Sturm, den wir so nicht erwartet hatten", sagt Daniel Röder, der für die Anzeige verantwortlich ist. Die Annonce war zwar ernst gemeint, formal jedoch eine Katastrophe. Mit voller Absicht. Kleingedruckt und am Rande wurden Interessenten über den Spaß aufgeklärt: "Wie viele Verstöße gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz würde ein solcher Anzeigentext enthalten? Wer es weiß, sollte sich bei uns als Rechtsanwalt (m/w) im Arbeitsrecht bewerben."
Nicht alle trauen sich, so spielerisch mit der neuen Verordnung umzugehen. Denn seit das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) Mitte August in Kraft getreten ist, herrscht bei den Unternehmen hierzulande vor allem eines: grenzenlose Verunsicherung. Unternehmen krempeln ihr Personalwesen um, erste Firmen stellen Geld zurück, um sich gegen drohende Klagewellen zu wappnen. Mancher Mittelständler traut sich erst gar nicht mehr, offene Stellen zu besetzen. Aus Angst vor teuren Fehlern. Kritik hagelt es von allen Seiten. "Das Gesetz wird keinen Mitarbeiter zusätzlich in Lohn und Brot bringen", sagt Peter Haas, Sprecher der Handwerkskammer Hamburg: "Eher dürfte das Gegenteil der Fall sein."
Das junge Gesetz der Großen Koalition hat es rasant zu Berühmtheit geschafft. Eigentlich war die Gleichstellung ja geregelt. Artikel 3 des Grundgesetzes sagt, niemand dürfe "wegen seines Geschlechts, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden". Allein zum Schutz von Behinderten gibt es 86 gesetzliche Vorschriften.
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Es ist kein Merkmal von Gesundheit, wohlangepasstes Mitglied einer zutiefst kranken Gesellschaft zu sein