Die Lektüre des BGB (Beck-Texte im dtv für 5 Euro), speziell der Einleitung hat mich sehr nachdenklich werden lassen.
"Frieden und Gerechtigkeit sind eins. Fehlt aber die Gerechtigkeit, was sind dann die Staaten anderes als Räuberbanden?" - Augustus Aurelius
"Niemand schafft größeres Unrecht, als der, der es in den Formen des Rechts begeht." - Platon
"Je korrupter der Staat, desto vielfacher die Gesetze." - Gaius Cornelius Tacitus
"Die Welt ist so gut gebaut, dass es gegen jedes Unrecht stärkere, es bezwingende Gegenkräfte gibt.
In allem Unrecht dauert das Recht fort, in aller Unwahrheit die Wahrheit, in allem Dunkel das Licht." - Mahatma Gandhi
Eine demokratische und rechtsstaatliche Gesellschaft ist darauf angewiesen, dass Legislative, Exekutive, Jurisdiktion und Presse institutionell getrennt sind. Die politische Meinungsbildung muss transparent sein, ebenso die politische Entscheidungsfindung und die Rechtsfindung vor Gericht.
Allgemein verbreitet ist die Vorstellung, dass der Gesetzgeber das Gesetz setzt, der Richter hingegen das Gesetz auslegt. Dem ist aber ganz und gar nicht so. Um das zu belegen zitiere ich Prof. Dr. Helmut Köhler aus seiner Einführung zum "Bürgerlichen Gesetzbuch":
"Die Bindung des Richters an das Gesetz besagt nach heutigem Verständnis, daß der Richter seine eigenen rechtspolitischen Vorstellungen nicht an die Stelle der Entscheidung des Gesetzgebers setzen darf. Die unmittelbare Bindung an das Gesetz endet freilich dort, wo das Gesetz keine ausreichende Antwort auf die sich stellende Rechtsfrage gibt, das Gesetz also lückenhaft ist. [...] Insbesondere kann sich mit dem Wandel der Anschauungen auch der Norminhalt wandeln. Der Richter ist unter diesen Umständen befugt, rechtsschöpferisch tätig zu werden, also Rechtsregeln zu entwickeln, die über das geschriebene Gesetz hinausgehen. [...] Bei dieser Tätigkeit ist er freilich immer noch an das 'Recht' gebunden, also an die Gesamtheit der in der Gesellschaft geltenden rechtlichen Wertungen und Prinzipien, insbesondere an die verfassungsmäßige Ordnung. Innerhalb der Zivilgerichte kommt naturgemäß dem obersten Gericht, heute dem Bundesgerichtshof, bei der Rechtsfortbildung die führende Rolle zu, weil es auch seine Aufgabe ist, für die Einheit der Rechtsprechung zu sorgen. [...] Soweit Normen des nationalen Rechts aufgrund von EG-Richtlinien erlassen wurden, sind Zweifelsfragen dem Europäischen Gerichtshof zur verbildlichen Auslegung vorzulegen. Damit soll eine einheitliche Rechtsanwendung innerhalb der Gemeinschaft sichergestellt werden.
Ist der Gesetzgeber mit den Ergebnissen der richterlichen Rechtsfortbildung nicht einverstanden, kann er korrigierend eingreifen. Tatsächlich verhält es sich aber meist so, daß der Gesetzgeber die Rechtsprechung zum Anlaß nimmt, das Richterrecht gesetzlich zu verfestigen und zu vertiefen. [...] Im Allgemeinen ist ein hohes Maß an Akzeptanz der Rechtsprechung in der Gesellschaft zu verzeichnen." [2]
Dieser kleine Abschnitt kann den Glauben der Bürger an die Gewaltenteilung in Deutschland nachhaltig erschüttern: Richter in Deutschland entwickeln also die Rechtsregeln, nach denen sie richten, selbst. Und der Gesetzgeber verfestigt das Richterrecht in Gesetzesform. Bislang war der Autor davon ausgegangen, dass Gesetze von einem demokratisch gewählten Parlament beschlossen werden. Jetzt erfährt er, dass es sich tatsächlich meist so verhält, dass nicht vom Volk gewählte Richter "rechtsschöpferisch" tätig werden, d.h. der Gesetzgeber bescheidet sich damit, Recht formal in Gesetze zu gießen, die vorher von den Richter praktisch gesetzt wurden. Das ist das Gegenteil von dem, was dem Volk vom Staatsbürgerunterricht in der Schule erzählt wird.
Als Beispiel für rechtsschöpferische Richter, also einer Recht setzenden Justiz, ist zunächst die "Düsseldorfer Tabelle" zu nennen. Dabei wird hinter verschlossenen Türen und ohne demokratische Kontrolle die Transferhöhe von Männern zu Frauen festgesetzt. Der Einwand, dass Frauen auch Unterhalt an ihre Exmänner zahlen, gilt nicht. Erstens zahlen nur sehr wenige Frauen Unterhalt, zweitens geht die Justiz sehr nachsichtig mit unterhaltspflichtigen Frauen um, wie im Abschnitt Unterhalt gezeigt wird, und drittens ist davon auszugehen, dass die Rechtsprechung geändert wird, sobald eine nennenswerte Zahl von Frauen Unterhalt zahlen müsste.
Ein aktuelles Beispiel ist das am 1. Januar 2009 in Kraft getretene neue Unterhaltsgesetz. Die Politik hat erkannt, dass geschiedene Männer beruhigt werden müssen, von denen nicht wenige (als so genannter Mangelfall) durch Scheidung pleite gegen oder zumindest am Existenzminimum leben. Und so hat der Gesetzgeber zumindest die Illusion für Männer geschaffen, dass die extensiven Unterhaltspflichten zumindest beschränkt und Frauen auf ein Mindestmaß Eigenverantwortung verpflichtet werden. Erika Andreß, Präsidentin des Hanseatischen Oberlandesgerichts, sieht aber in erster Linie Benachteiligungen für Frauen und Kinder durch das Gesetz.[3] Sie könnte deshalb das Gesetz in Bezug auf den Schutz von Frauen und Kindern das als "lückenhaft" ansehen. Und als Richterin, das kann dem Zitat oben entnommen werden, darf sie "rechtsschöpferisch" tätig werden. In einer Gesprächsrunde im Deutschlandradio wurde Isabelle Götz, Richterin am OLG München und stellv. Vorsitzende des Deutschen Familiengerichtstages, sehr konkret, wie Familienrichter die vom Gesetzgeber genannten Unterhaltszeitraum von drei Jahren verlängern können, "aus Gründen, die in der Person des Kindes oder in der Person der Mutter liegen".[4]
Es wird hier etwas ganz entscheidendes deutlich, was das Verhältnis von Staat und Familie betrifft:
a. Der Gesetzgeber beschließt ein Gesetz, das nach Verständnis unserer Rechtsordnung Allgemeingültigkeit besitzt;
b. Die RichterInnen finden darin "Lücken" (aus Gründen, die in der Person des Kindes oder in der Person der Mutter) und machen damit aus einer allgemeingültigen Regelung eine Einzelfallbetrachtung[3]
c. Die Einzelfallentscheidungen bieten nicht die Rechtssicherheit, die mit dem Gesetz versprochen wurden (wegen der 1001 Ausnahmenmöglichkeiten werden die Hoffnungen unterhaltsverpflichteter Männer auf Linderung der Unterhaltslasten sich wohl nicht erfüllen);
d. Wenn die Dinge aber so liegen, dass keine allgemeingültigen Regelungen formulierbar sind, stellt sich die Frage, warum man die Entscheidung über Familienangelegenheiten nicht den Familien überlässt;
e. statt auf Familienebene wird die Unterhaltsfrage von einer Instanz außerhalb der Familie entschieden, die darüber hinaus (im Gegensatz zum Parlament) keiner demokratischen Kontrolle unterliegt. Es stellt sich die Frage, warum ein Familienrichter, welcher den Familien des geschiedenen Paares fern steht, eine bessere Lösung finden sollte, als die Familien selbst;
f. Als Letztes ist noch die Frage zu stellen "Cui bono?" (Wem nützt es?)
Dafür ist es interessant zu betrachten, wie Gesetze im Familienrecht entstehen. Prof. Dr. Helmut Köhler hat im Zitat oben schon veranschaulicht, wie Richter "rechtsschöpferisch" tätig werden und der Gesetzgeber letztlich nur noch Richterrecht abnickt und in Gesetzesform bringt. Doch wie läuft das Gesetzgebungsverfahren genau? Gesetze werden in Deutschland von langer Hand auf dem Deutschen Familiengerichtstag und von Organisationen wie dem Deutschen Juristinnenbund vorbereitet. Diese Lobbyisten bestehen vor allem aus Feministinnen (Frauen) und JuristInnen. Die Juristen unter ihnen dürften mehr die Verdienstmöglichkeiten ihres Berufsstandes im Auge haben als die Autonomie der Institution Familie. Und Feministinnen sind auch keine Freundinnen der Familie, dem "gefährlichen Ort für Kinder" und "Institution der Unterdrückung und Vergewaltigung der Frau". Die Legislative wird so gesehen von Familienfeinden beherrscht. In der Exekutive sieht es so aus: Am 16. Oktober 1968 wurde die erste Frau deutsche Familienministerin. Mit nur einer Unterbrechung von drei Jahren ist das Familienministerium seit dem 26. September 1985 ununterbrochen in weiblicher Hand.[5] Am 18. Mai 1992 wurde die erste Frau deutsche Justizministerin. Mit nur einer Unterbrechung von 1 Jahr 9 Monaten ist das Justizministerium seit dem 27. Oktober 1998 ununterbrochen in weiblicher Hand.[5] Mit anderen Worten, die letzten 41 Jahre war Familienpolitik 38 Jahre fest in feministischer Hand und seit 11 Jahren auch die Justiz. Wer also eine familiengerechte Gesetzgebung und Justiz möchte, wird an dieser Konstellation etwas ändern müssen.
Die Lücken im Gesetz - vom Gesetzgeber absichtlich offen gelassen - sind das nächste Problem. Der Unbestimmte Rechtsbegriff "Kindeswohl" ist wohl der zentrale Begriff im Familienrecht, wegen seiner Unbestimmtheit gibt er aber keine ausreichende Antwort auf die Rechtsfragen im Familienrecht. Damit stellt der Gesetzgeber den Schutz (oder die Zerstörung) der Familien de facto in das Belieben der Richterschaft.
Der Wandel der Anschauungen, wodurch der "Norminhalt" der Gesetze gewandelt werden kann, ist ein weiterer spannender Hinweis. Die Politik muss nur ein Gender-Ministerium schaffen (dem "Ministerium für alle außer Männer" wurde Genderismus als "durchgängiges Leitprinzip und Querschnittsaufgabe" verordnet) und schon ist der Norminhalt von Art. 6 Art. 1 GG "gewandelt", oder sollte man sagen "abgewickelt"? Der "besondere Schutz der staatlichen Ordnung" ist damit für Ehe und Familie aufgehoben, ohne dass dies vom Parlament explizit beschlossen und somit für die Bürger dieser Gesellschaft nachvollziehbar wäre. Der Art. 6 Abs. 1 GG ist somit das, was Islamwissenschaftler "abrogiert" nennen.
Es ist dabei nicht ausgemacht, ob dieser Wandel der Anschauungen aus der "Mitte der Gesellschaft" kommt oder einer gut organisierten Lobbyarbeit von Feministinnen, Homosexuellen und Genderisten geschuldet ist. Die Familie als Lebensform wird abgewertet durch Förderung von Homosexualität und Scheidung, der Neudefinierung der Geschlechterbeziehungen über Genderismus und der damit verbundenen Gleichstellung von gleichgeschlechtlichen und nichtehelichen Lebensgemeinschaften. Besonders deutlich wird diese Entwicklung dokumentiert durch das von sehr langer Hand vorbereiteter Adoptionsrecht von lesbischen Paaren. Die natürliche Anschauung, dass ein Kind einen Mann als Vater und eine Frau als Mutter hat und für sein Wohlergehen auch beide braucht, wird schon lange geschleift durch die Förderung der Scheidung und der Glorifizierung der Alleinerziehenden (Mutter). Ist erst Akzeptanz dafür hergestellt, dass schon eine Frau alleine genug für ein Kind ist, dann ist es nur noch ein kleiner Schritt die Überzeugung gesellschaftlich durchzusetzen, dass auch zwei Frauen für das Kindeswohl gut sind und nicht schaden. Damit das nicht sexistisch aussieht, lässt man vereinzelt auch Adoptionen von homosexuellen Männern zu. Nirgends wird deutlicher als an diesem Beispiel, dass der in den Gesetzestexten verwendeten Begriff Kindeswohl eine Leerformel ist, die beliebig mit den Interessen der jeweiligen Interessengruppe gefüllt wird. Nennenswerte Bestrebungen, das Recht der Kinder auf einen (männlichen) Vater durchzusetzen, gibt es nicht. Etwaige Wortmeldungen in diese Richtung laufen Gefahr, mit der "Antidiskriminierungskeule" eine vom Genderismus dominierten "politischen Richtigkeit" niedergeknüppelt zu werden.
In Zusammenhang mit EU-Richtlinien ist an das Subsidiaritätsprinzip zu erinnern, ein Grundprinzip für demokratische Strukturen. Die Familie bestimmt die Lebenswirklichkeit der Menschen am unmittelbarsten, doch wird das, was unter Familien verstanden werden soll, immer weiter vom Bürger entfernt entschieden. Im Abschnitt Genderismus wurde gezeigt, dass diese familienfeindliche Ideologie über UN und EU eingeführt wurde. Das sind Entscheidungsebenen, worauf der einzelne Bürger keinen unmittelbaren Einfluss mehr hat, aber über die Familienpolitik sein privates Lebensumfeld bestimmt. Diese strukturelle Veränderung, dass der Bürger immer weniger Einfluss auf politische Entscheidungen hat, bedeutet einen Verlust von Demokratie und die Tatsache, dass der Bürger immer weniger sein privates Lebensumfeld frei gestalten kann, bedeutet einen Verlust von Freiheit.
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[2] "Bürgerliches Gesetzbuch", 60. Auflage 2007, Beck-Texte im dtv, 3-423-05001-2; Einführung von Prof. Dr. Helmut Köhler; Letzter Abschnitt "Die Fortbildung des Gesetzes"
[3] Unterhaltsrecht: "Das Gesetz geht zu Lasten der Kinder", Die Welt am 19. März 2009 a) "Das Gesetz ist eindeutig zum Nachteil der Frauen und auch der Kinder." b) "Jeder Fall ist jetzt eine Einzelfallentscheidung. Sie hängt davon ab, ob ein Kind gesund ist, ob es besonders ängstlich ist oder unter der Trennung der Eltern sehr leidet. Auch ehebedingte Nachteile sind für die Ex-Partner auszugleichen. Deshalb müssen wir uns oft mit hypothetischen Lebensläufen befassen und versuchen festzustellen, welche Karrierechancen eine Frau gehabt hätte, wenn sie nicht der Kinder wegen aus dem Beruf ausgestiegen wäre."
[4] Isabelle Götz, in: "Wer profitiert vom neuen Unterhaltsrecht?", Deutschlandradio - Kontrovers am 23. März 2009; BGH zu Unterhaltsrecht: Was bekommt die Ex-Frau? Was die Kinder, Süddeutsche am 17. März 2009; Unterhalt für Alleinerziehende: Harte Zeiten, Süddeutsche am 19. März 2009
[5] Wikipedia: a) Liste der deutschen Familienminister b) Liste der deutschen Justizminister
[6] Der Bundestag: Abgeordnete nach Berufen, WGvdL-Forum: Nur zur Information, von welchen Berufgruppen ihr verraten und verkauft werdet
[7] 60 Jahre Grundgesetz. Gibt es überhaupt etwas zu feiern?, Telepolis am 30. Mai 2009
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