Wieviel «Gleichberechtigung» verträgt das Land?

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Von obdachlosen Akademikern

pappa_in_austria, wien, Thursday, 26.11.2009, 17:17 (vor 5878 Tagen)

heute um 18:00

http://www.3sat.at/dynamic/sitegen/bin/sitegen.php?tab=2&source=/specials/120220/index.html

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Mir ging's mal richtig gut
Von obdachlosen Akademikern

Maik studierte Informatik und Physik und machte seinen "master of science" in Los Angeles. Zurück in Deutschland erhielt er als Controler durchnittlich 25.000 Mark im Monat, wohnte nur in den besten Hotels und sammelte Luxusuhren.
Jahrelang jagte er ohne Urlaub von Auftrag zu Auftrag. "Weihnachten, Silvester - alle Feiertage waren unsere liebsten Arbeitstage, weil wir dann endlich ungestört vom laufenden Betrieb arbeiten konnten."

Aus der Bahn geworfen
Der Kontakt zu seiner Familie brach ab, aber er vermisste nichts. "Erfolg ist wie ein Rausch." Seine Mutter wurde krank und starb. Maik wusste nichts davon. Er liebte seine Arbeit und trotzdem schlich sich langsam die ein oder andere Fehlleistung ein. Und dann, ganz plötzlich, kam "der Tag des großen Boom". Der Tag, an dem Maik sein Notebook und das Handy in eine Mülltonne warf und aus der Stadt verschwand.

Es dauerte ein gutes Jahr, bis er den ganzen angesammelten Wohlstand verbraucht hatte. Schließlich suchte er nach Jobs in Berlin und beantragte Hartz IV. Doch nach einem Besuch von "Sozialdetektiven" vom Bezirksamt, die ihm Betrug unterstellten, wollte er nicht mehr zum Jobcenter. Er verdiente sich sein Geld mit dem Sammeln von Pfandflaschen und baute sich ein Iglu aus Blattwerk und Zweigen. Fast zwei Jahre lang lebte er im Park.

Auf der Straße gelandet
Einst hatte Stefan alles. Ein super Abitur, einen Studienplatz mit Aussicht, Auszeichnungen als bester Student. Er verliebte sich in seine Nachbarin und sie bekamen zwei wunderbare Töchter. Heute wohnt Stefan in einer Einrichtung für Obdachlose. Manchmal kommt es ihm so vor, als hätte all sein Elend mit dem Fall der Mauer begonnen. Dann wieder ist er sicher: Seine Frau ist schuld. Sie hatte ihn jahrelang mit ihrem Vorgesetzten betrogen. Und ab und zu beschleicht ihn der Gedanke, er habe die ganze Katastrophe selbst verursacht.

Seine Mutter, vor der Rente eine erfolgreiche Landschaftsplanerin im Berliner Senat, findet bis heute keine Erklärung. "Er hat so viele Talente und sie alle vergeudet." Stefan hat sich fest vorgenommen, bald wieder in eine eigene Wohnung zu ziehen - damit ihn seine Töchter endlich wieder besuchen können.

Ein obdachloser Philosoph
Robert, 56 Jahre, studierte Religionswissenschaften. Zehn Jahre lang arbeitete er an einem Gymnasium in Marburg, aufgrund seiner Aufmerksamkeit und Sensibilität genoss er bei den Schülerinnen und Schülern immer ein besonderes Vertrauen. Dann verliebte er sich in eine Kunststudentin aus Berlin. Er folgte ihr, begann Ausstellungen zu organisieren und gründete eine Bluesband. "Ich dachte, man könnte auch ganz anders leben, von Kunst und Musik. Aber es ging dann doch nicht."

Obdachlosigkeit, das war ein allmählicher Prozess nach Jahren bei Freunden und in Wohngemeinschaften. Heute, sagt Robert, lebe er einen "umgekehrten Existenzialismus", immer auf der Suche nach Essen und einem Schlafplatz.

Die geheimen Ängste der bürgerlichen Mitte, "auf der Straße zu landen", werden immer häufiger wahr. Und welche der im Studium erlangten Fähigkeiten und Kenntnisse lassen sich auf der Straße noch anwenden? Wie finden sich Informatiker oder Wissenschaftler zurecht in einem rauen Alltag, der alle Zeit und Kraft erfordert für die Befriedigung der Grundbedürfnisse - Essen, Trinken, Schlafen.

Robert, Stefan, Maik - drei Menschen, die ihre bürgerliche Existenz verloren haben und mühselig das Überleben auf der Straße lernten. "Das Denken", sagt Robert, "hat mir nie geholfen". Und trotzdem fragt er sich oft: Wie konnte es so weit kommen? Gibt es einen Weg zurück in ein gesichertes Leben?

Auf berührende Weise beschreiben diese Porträts das Leben von drei obdachlosen Hochschulabsolventen, die versuchen, in ihrem von außen betrachtet "gestrandeten" Leben weiterhin das Besondere, eben "ihr Leben" zu sehen und sich nicht aufzugeben."


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