Wieviel «Gleichberechtigung» verträgt das Land?

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Die Macht-Ohnmacht-Balance

Beatrix, Thursday, 09.05.2002, 04:41 (vor 8615 Tagen)

Hallo Ihr!


In den nächsten Tagen werde ich gar keine Zeit zum Schreiben finden.
Ich würde aber gern noch ein paar Anmerkungen machen zum hier und andernorts mit unvermittelter Heftigkeit geführten Geschlechterkampf.

Selber Formulieren fällt mir schwer, so spät am Abend.
Mir bleibt daher nur, müde wie ich bin, hier andere Menschen für mich reden zu lassen und lediglich ein Buchzitat anzuführen, um meine Meinung zum Thema zu verdeutlichen.

Man möge es mir nachsehen. Der folgende Text hat mich sehr angesprochen und gibt auch meine Meinung wieder:

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.....Da jeder flüchtige Blick auf die Praxis der Verhaltensmuster zwischen Mutter und Kind einen davon überzeugen kann, wie stark diese von gegenseitigen Machtansprüchen durchmischt sind, bedarf der Machtfaktor hier keiner ausführlichen Illustration. Der Zusammenhang kann jedoch darüber aufklären, wie systematisch das Machtgefüge zwischen beiden von Geburt an aufgebaut und im Laufe der Jahre als feste Machtstruktur verinnerlicht wird. Hier bahnen sich jedoch in den letzten Jahrzehnten Umgestaltungen an, die erheblichen Einfluß auf die Macht-Ohnmacht-Balance im Elternsystem haben.

Das ausführlich beschriebene Triangulierungskonzept über die bereits im ersten Lebensjahr einsetzende Dreiecksbeziehung Mutter-Vater-Kind hat nicht zufällig die Familientheorie zu einem Zeitpunkt erweitert, als sich auch in der Praxis ein radikaler Wandel der frühen Vater-Kind-Beziehung anbahnte. Gemessen an den jahrhundertlang verfestigten Patriarchatsstrukturen und der konservativen Beharrungstendenz gesellschaftlicher Systeme konnte ihn niemand in dieser Geschwindigkeit ernsthaft erwarten. Paradox dazu vollzieht sich für viele Frauen der Wandel zu langsam. Ungeduld diktiert ihre Erwartungen, Reaktionen und Kampfschriften. Da empfiehlt sich der Satz von Sten Nadolny: " Ohne Langsamkeit kann man nichts machen, nicht einmal Revolution."

Aber sind die Konsequenzen des Wandels, so dringlich er eingefordert wird, auch schon recht bedacht? Es dürfte klar sein, daß durch das veränderte Rollenverständnis der Väter und ihre verbesserte Beziehungsqualität zu den Kindern eine Umverteilung zwischen mütterlicher und väterlicher Macht in der Eltern-Kind-Beziehung stattfindet. Diese Umverteilung könnte tatsächlich einen evolutionären Schritt für das Gleichgewicht des familiären Systems einleiten und die Polarität der Geschlechter zugunsten einer dualen Elternschaft abmildern. Aber die Stolpersteine liegen in den Verwerfungen, die die Familie unter dem Einfluß gesellschaftlicher Veränderungen erfaßt haben. Dadurch ist die Machtbalance, wie sie in der traditionellen Familie durch die klare Aufgabenteilung zwischen Müttern und Vätern garantiert war, aus dem Gleichgewicht geraten.

Vor allem die Frauenbewegung hat die Familie aus ihrer Ghettoisierung herausgeführt und als sozialen Ort kenntlich gemacht, in dem sich die Gesetze gesellschaftlicher Ordnung widerspiegeln und reproduzieren. Der Kampf um Gleichberechtigung in Kindererziehung, Partnerschaft, Sexualität, öffentlichen Rechten, politischer Mitentscheidung und Beruf hat die Grenzen zwischen Familie und Gesellschaft bis zur Auflösung verwischt. Damit sind zwangsläufig Turbulenzen in der Macht-Ohnmacht-Balance zwischen Müttern und Vätern aufgetreten, die völlig neue Anforderungen an die Erhaltung des Systems Familie stellen.

Eine solidarische Lösung läßt heute noch auf sich warten, weil beide, Mütter und Väter, durch die Entwicklung in einen verhängnisvollen Macht-Ohnmacht-Komplex geraten sind. Seine psychologische Besonderheit besteht darin, daß jeder einzelne nur seine eigene Ohnmacht erlebt und erleidet, während er seine Macht verleugnet und auf den anderen projiziert. Die dabei erzeugten Feindbilder sind unausrottbar, solange die innere Spaltung nicht aufgehoben und die eigene Macht nicht als identitätsstiftendes Selbstgefühl wahrgenommen wird.

Durch einen zweiten psychologischen Mechanismus kann der Macht-Ohnmacht-Komplex gefährlich eskalieren. Reale oder vermeintliche Ohnmachtserfahrungen verstärken den Gebrauch und besonders den Mißbrauch der eigenen Macht. Dadurch kommt es zwischen den Partnern zu einer Machtkonkurrenz, an deren Ende nicht selten die endgültige Zerstörung des Systems steht.

Für heutige Mütter existieren viele Gründe, sich ohnmächtig zu fühlen. Der Spagat zwischen Kindererziehung, Haushalt, Partnerschaft, Beruf und Selbstverwirklichung außerhalb familiärer und beruflicher Verpflichtungen ist der viel beklagte Angelpunkt mütterlicher Ohnmachtserfahrungen. Aber hinter dieser veräußerlichten Überforderung reicht die eigentliche Ohnmacht tiefer. Bei allen Erfolgen, die die Frauenbewegung in Familie und Gesellschaft erkämpft hat, läßt sich nicht leugnen, daß unsere gesamte Kultur noch weitgehend von der Herrschaftsideologie des Mannes geprägt wird. Und diese bleibt nicht äußerlich, sondern ist über viele Epochen ins Subjekt eingewandert und bestimmt von dort aus die Selbstwahrnehmung und die Auffassung von der Außenwelt. Die viel propagierte Gleichberechtigung der Frauen ist bei Lichte betrachtet nicht viel mehr als das Ergebnis von Zugeständnissen. Gleichberechtigung bleibt solange äußerlich, wie sie nicht durch das tiefere Bewußtsein einer Gleichwertigkeit getragen wird. Der Entwicklung dieses Bewußtseins bei Frauen stellen unsere Kultur und die verinnerlichten Bilder des Subjekts noch immer einen hartnäckigen Widerstand entgegen.

Charlotte Wiedemann analysierte die Ursachen für die geringe Machtkompetenz von Frauen auf der Politikerbühne. Sie machte dafür die "Frauenverachtung" hinter der Fassade weichspülerischer Gleichberechtigungsphrasen ihrer männlichen Kollegen fest und schreibt: "Verachtung ist ein sanftes Gift, es nistet in den Seelen der Frauen und ändert dort heimtückisch seinen Namen: Selbstzweifel." Selbstzweifel als Ausdruck mangelhaft erlebter Gleichwertigkeit bedeutet eine tiefe Demütigung und Verletzung des weiblichen Selbstgefühls. Hierin dürfte der eigentliche Grund für die mütterlichen Ohnmachtserfahrungen liegen.

Und der Vater? Ist er noch Herr und Gebieter im eigenen Haus, innerlich und äußerlich, noch Unterdrücker von Frauen und Kindern, zu dem er weiterhin stilisiert wird? An seine Macht glaubt jeder, obwohl sich seine Ohmacht längst herumgesprochen hat. Auch er kann den Drahtseilakt zwischen Beruf, Partnerschaft, Kindern und frei bleibender Zeit für sich reklamieren. Auch er fühlt sich überfordert. Aber auch bei ihm liegen die Gründe für seine Ohnmachtsgefühle tiefer. Von der patriarchalen Herrschaftsideologie haben sich die meisten offiziell abgekoppelt, und doch hat sie sie weiterhin fest im Griff. Es geht ihnen wie jenem zum Stereotyp gewordenen Ganoven, der aussteigen will, um ein "anständiges" Leben zu führen, aber die "Organisation" holt ihn immer wieder unerbittlich ein. Die Ohnmacht des Mannes und Vaters rührt daher, daß er sich gesellschaftlich einen anonymen Machtapparat männlich geprägter Herrschaftsansprüche ausgeliefert fühlt, gegen die jeder Widerstand zwecklos ist, so teilchenhaft, wie er sich erlebt. Wie soll er ihm gegenüber seine Identität und sein Selbtwertgefühl behaupten?

Die Krise des heutigen Vaterseins resultiert aber nicht nur aus seiner gesellschaftlichen Entfremdung, sondern in gleichem Maße aus dem Verlust an Autorität, Kompetenz und Zuständigkeit in der Familie bezüglich seiner ursprünglichen Funktionen als Beschützer und Ernährer. Der entthronte, in doppelter Weise verohnmächtigte Vater verliert Stück um Stück die Haltstrukturen, die ihn als Mann legitimieren.

Wer ist heute mächtiger, wer ist ohnmächtiger, Frauen oder Männer? Das ist die Frage. Sicher scheint nur: Die Macht der Frauen nimmt zu, die der Männer ab. Das wäre nur gerecht. Ohnmächtig sind beide, Mütter und Väter, und damit in ihrer Identität tief verunsichert. Die Macht-Ohnmacht-Balance zwischen Müttern und Vätern völlig aus dem Gleichgewicht geraten, eine einzige Katastrophe am Übergang ins nächste Jahrtausend? Wenn man die wachsenden Scheidungslawinen betrachtet und das Heer der vaterverlassenen Kinder, stehen die Zeichen tatsächlich auf Sturm. Deswegen muß man nicht gleich die Apokalypse beschwören. Jedes kreative Chaos hält Chancen offen..."

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Welche Chancen das nach Meinung des Autors sind - ja, wieder mal ein Mann, den ich zitiere -, das könnt Ihr hier nachlesen:

Horst Petri. Das Drama der Vaterentbehrung. Chaos der Gefühle - Kräfte der Heilung. Freiburg 1999 ISBN3-451-05217-2

So, genug getippt. Nun wünsch ich allen gute Nacht oder einen guten Morgen, außerdem einen schönen Feiertag und ein Superwochenende mit weiterhin herrlichem Frühlingswetter, mit üppigem Grün und blühenden Blumen.

Und vielleicht seh ich ja die eine oder den anderen am Wochenende bei Hippo wieder. :-)

ciao
Beatrix

Re: Die Macht-Ohnmacht-Balance

Georg, Thursday, 09.05.2002, 16:23 (vor 8614 Tagen) @ Beatrix

Als Antwort auf: Die Macht-Ohnmacht-Balance von Beatrix am 09. Mai 2002 01:41:18:

Hallo Ihr!
In den nächsten Tagen werde ich gar keine Zeit zum Schreiben finden.
Ich würde aber gern noch ein paar Anmerkungen machen zum hier und andernorts mit unvermittelter Heftigkeit geführten Geschlechterkampf.
Selber Formulieren fällt mir schwer, so spät am Abend.
Mir bleibt daher nur, müde wie ich bin, hier andere Menschen für mich reden zu lassen und lediglich ein Buchzitat anzuführen, um meine Meinung zum Thema zu verdeutlichen.
Man möge es mir nachsehen. Der folgende Text hat mich sehr angesprochen und gibt auch meine Meinung wieder:
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.....Da jeder flüchtige Blick auf die Praxis der Verhaltensmuster zwischen Mutter und Kind einen davon überzeugen kann, wie stark diese von gegenseitigen Machtansprüchen durchmischt sind, bedarf der Machtfaktor hier keiner ausführlichen Illustration. Der Zusammenhang kann jedoch darüber aufklären, wie systematisch das Machtgefüge zwischen beiden von Geburt an aufgebaut und im Laufe der Jahre als feste Machtstruktur verinnerlicht wird. Hier bahnen sich jedoch in den letzten Jahrzehnten Umgestaltungen an, die erheblichen Einfluß auf die Macht-Ohnmacht-Balance im Elternsystem haben.
Das ausführlich beschriebene Triangulierungskonzept über die bereits im ersten Lebensjahr einsetzende Dreiecksbeziehung Mutter-Vater-Kind hat nicht zufällig die Familientheorie zu einem Zeitpunkt erweitert, als sich auch in der Praxis ein radikaler Wandel der frühen Vater-Kind-Beziehung anbahnte. Gemessen an den jahrhundertlang verfestigten Patriarchatsstrukturen und der konservativen Beharrungstendenz gesellschaftlicher Systeme konnte ihn niemand in dieser Geschwindigkeit ernsthaft erwarten. Paradox dazu vollzieht sich für viele Frauen der Wandel zu langsam. Ungeduld diktiert ihre Erwartungen, Reaktionen und Kampfschriften. Da empfiehlt sich der Satz von Sten Nadolny: " Ohne Langsamkeit kann man nichts machen, nicht einmal Revolution."
Aber sind die Konsequenzen des Wandels, so dringlich er eingefordert wird, auch schon recht bedacht? Es dürfte klar sein, daß durch das veränderte Rollenverständnis der Väter und ihre verbesserte Beziehungsqualität zu den Kindern eine Umverteilung zwischen mütterlicher und väterlicher Macht in der Eltern-Kind-Beziehung stattfindet. Diese Umverteilung könnte tatsächlich einen evolutionären Schritt für das Gleichgewicht des familiären Systems einleiten und die Polarität der Geschlechter zugunsten einer dualen Elternschaft abmildern. Aber die Stolpersteine liegen in den Verwerfungen, die die Familie unter dem Einfluß gesellschaftlicher Veränderungen erfaßt haben. Dadurch ist die Machtbalance, wie sie in der traditionellen Familie durch die klare Aufgabenteilung zwischen Müttern und Vätern garantiert war, aus dem Gleichgewicht geraten.
Vor allem die Frauenbewegung hat die Familie aus ihrer Ghettoisierung herausgeführt und als sozialen Ort kenntlich gemacht, in dem sich die Gesetze gesellschaftlicher Ordnung widerspiegeln und reproduzieren. Der Kampf um Gleichberechtigung in Kindererziehung, Partnerschaft, Sexualität, öffentlichen Rechten, politischer Mitentscheidung und Beruf hat die Grenzen zwischen Familie und Gesellschaft bis zur Auflösung verwischt. Damit sind zwangsläufig Turbulenzen in der Macht-Ohnmacht-Balance zwischen Müttern und Vätern aufgetreten, die völlig neue Anforderungen an die Erhaltung des Systems Familie stellen.
Eine solidarische Lösung läßt heute noch auf sich warten, weil beide, Mütter und Väter, durch die Entwicklung in einen verhängnisvollen Macht-Ohnmacht-Komplex geraten sind. Seine psychologische Besonderheit besteht darin, daß jeder einzelne nur seine eigene Ohnmacht erlebt und erleidet, während er seine Macht verleugnet und auf den anderen projiziert. Die dabei erzeugten Feindbilder sind unausrottbar, solange die innere Spaltung nicht aufgehoben und die eigene Macht nicht als identitätsstiftendes Selbstgefühl wahrgenommen wird.
Durch einen zweiten psychologischen Mechanismus kann der Macht-Ohnmacht-Komplex gefährlich eskalieren. Reale oder vermeintliche Ohnmachtserfahrungen verstärken den Gebrauch und besonders den Mißbrauch der eigenen Macht. Dadurch kommt es zwischen den Partnern zu einer Machtkonkurrenz, an deren Ende nicht selten die endgültige Zerstörung des Systems steht.
Für heutige Mütter existieren viele Gründe, sich ohnmächtig zu fühlen. Der Spagat zwischen Kindererziehung, Haushalt, Partnerschaft, Beruf und Selbstverwirklichung außerhalb familiärer und beruflicher Verpflichtungen ist der viel beklagte Angelpunkt mütterlicher Ohnmachtserfahrungen. Aber hinter dieser veräußerlichten Überforderung reicht die eigentliche Ohnmacht tiefer. Bei allen Erfolgen, die die Frauenbewegung in Familie und Gesellschaft erkämpft hat, läßt sich nicht leugnen, daß unsere gesamte Kultur noch weitgehend von der Herrschaftsideologie des Mannes geprägt wird. Und diese bleibt nicht äußerlich, sondern ist über viele Epochen ins Subjekt eingewandert und bestimmt von dort aus die Selbstwahrnehmung und die Auffassung von der Außenwelt. Die viel propagierte Gleichberechtigung der Frauen ist bei Lichte betrachtet nicht viel mehr als das Ergebnis von Zugeständnissen. Gleichberechtigung bleibt solange äußerlich, wie sie nicht durch das tiefere Bewußtsein einer Gleichwertigkeit getragen wird. Der Entwicklung dieses Bewußtseins bei Frauen stellen unsere Kultur und die verinnerlichten Bilder des Subjekts noch immer einen hartnäckigen Widerstand entgegen.
Charlotte Wiedemann analysierte die Ursachen für die geringe Machtkompetenz von Frauen auf der Politikerbühne. Sie machte dafür die "Frauenverachtung" hinter der Fassade weichspülerischer Gleichberechtigungsphrasen ihrer männlichen Kollegen fest und schreibt: "Verachtung ist ein sanftes Gift, es nistet in den Seelen der Frauen und ändert dort heimtückisch seinen Namen: Selbstzweifel." Selbstzweifel als Ausdruck mangelhaft erlebter Gleichwertigkeit bedeutet eine tiefe Demütigung und Verletzung des weiblichen Selbstgefühls. Hierin dürfte der eigentliche Grund für die mütterlichen Ohnmachtserfahrungen liegen.
Und der Vater? Ist er noch Herr und Gebieter im eigenen Haus, innerlich und äußerlich, noch Unterdrücker von Frauen und Kindern, zu dem er weiterhin stilisiert wird? An seine Macht glaubt jeder, obwohl sich seine Ohmacht längst herumgesprochen hat. Auch er kann den Drahtseilakt zwischen Beruf, Partnerschaft, Kindern und frei bleibender Zeit für sich reklamieren. Auch er fühlt sich überfordert. Aber auch bei ihm liegen die Gründe für seine Ohnmachtsgefühle tiefer. Von der patriarchalen Herrschaftsideologie haben sich die meisten offiziell abgekoppelt, und doch hat sie sie weiterhin fest im Griff. Es geht ihnen wie jenem zum Stereotyp gewordenen Ganoven, der aussteigen will, um ein "anständiges" Leben zu führen, aber die "Organisation" holt ihn immer wieder unerbittlich ein. Die Ohnmacht des Mannes und Vaters rührt daher, daß er sich gesellschaftlich einen anonymen Machtapparat männlich geprägter Herrschaftsansprüche ausgeliefert fühlt, gegen die jeder Widerstand zwecklos ist, so teilchenhaft, wie er sich erlebt. Wie soll er ihm gegenüber seine Identität und sein Selbtwertgefühl behaupten?
Die Krise des heutigen Vaterseins resultiert aber nicht nur aus seiner gesellschaftlichen Entfremdung, sondern in gleichem Maße aus dem Verlust an Autorität, Kompetenz und Zuständigkeit in der Familie bezüglich seiner ursprünglichen Funktionen als Beschützer und Ernährer. Der entthronte, in doppelter Weise verohnmächtigte Vater verliert Stück um Stück die Haltstrukturen, die ihn als Mann legitimieren.
Wer ist heute mächtiger, wer ist ohnmächtiger, Frauen oder Männer? Das ist die Frage. Sicher scheint nur: Die Macht der Frauen nimmt zu, die der Männer ab. Das wäre nur gerecht. Ohnmächtig sind beide, Mütter und Väter, und damit in ihrer Identität tief verunsichert. Die Macht-Ohnmacht-Balance zwischen Müttern und Vätern völlig aus dem Gleichgewicht geraten, eine einzige Katastrophe am Übergang ins nächste Jahrtausend? Wenn man die wachsenden Scheidungslawinen betrachtet und das Heer der vaterverlassenen Kinder, stehen die Zeichen tatsächlich auf Sturm. Deswegen muß man nicht gleich die Apokalypse beschwören. Jedes kreative Chaos hält Chancen offen..."
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Welche Chancen das nach Meinung des Autors sind - ja, wieder mal ein Mann, den ich zitiere -, das könnt Ihr hier nachlesen:
Horst Petri. Das Drama der Vaterentbehrung. Chaos der Gefühle - Kräfte der Heilung. Freiburg 1999 ISBN3-451-05217-2
So, genug getippt. Nun wünsch ich allen gute Nacht oder einen guten Morgen, außerdem einen schönen Feiertag und ein Superwochenende mit weiterhin herrlichem Frühlingswetter, mit üppigem Grün und blühenden Blumen.
Und vielleicht seh ich ja die eine oder den anderen am Wochenende bei Hippo wieder. :-)
ciao
Beatrix

<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<
.....Da jeder flüchtige Blick auf die Praxis der Verhaltensmuster zwischen Mutter und Kind einen davon überzeugen kann, wie stark diese von gegenseitigen Machtansprüchen durchmischt sind, bedarf der Machtfaktor hier keiner ausführlichen Illustration. Der Zusammenhang kann jedoch darüber aufklären, wie systematisch das Machtgefüge zwischen beiden von Geburt an aufgebaut und im Laufe der Jahre als feste Machtstruktur verinnerlicht wird. Hier bahnen sich jedoch in den letzten Jahrzehnten Umgestaltungen an, die erheblichen Einfluß auf die Macht-Ohnmacht-Balance im Elternsystem haben.

Georg: Machtansprüche beruhen auf Angst und die Wissenschaft weiß heute vieles über das Entstehen von Ängsten. Die Ängste von Kindern dürften sich wenig geändert haben und was sich da "anbahnt" ist ja nicht zufällig, sondern mit allseitiger Unterstützung geschehen. Wenn Eltern Kompetenz verlieren, dann müssen wir eben die gesellschaftliche Entwicklung betrachten, mit all den Nachteilen die diese für Kinder gebracht hat. Das der Feminismus Wörtführer in diesen gesellschaftlichen Wandel war, wird niemand ernsthaft bestreiten.

Das ausführlich beschriebene Triangulierungskonzept über die bereits im ersten Lebensjahr einsetzende Dreiecksbeziehung Mutter-Vater-Kind hat nicht zufällig die Familientheorie zu einem Zeitpunkt erweitert, als sich auch in der Praxis ein radikaler Wandel der frühen Vater-Kind-Beziehung anbahnte. Gemessen an den jahrhundertlang verfestigten Patriarchatsstrukturen und der konservativen Beharrungstendenz gesellschaftlicher Systeme konnte ihn niemand in dieser Geschwindigkeit ernsthaft erwarten. Paradox dazu vollzieht sich für viele Frauen der Wandel zu langsam. Ungeduld diktiert ihre Erwartungen, Reaktionen und Kampfschriften. Da empfiehlt sich der Satz von Sten Nadolny: " Ohne Langsamkeit kann man nichts machen, nicht einmal Revolution."

Georg: Hier wird wieder die Verantwortung im wie üblich pauschal bei Männern gesucht, ohne den Einfluß von Frauen zu erwähnen. Es dürfte auch weniger an der Zeit liegen daß sich nichts bewegt, sondern an den Erwartungen, die männliche Interessen nicht berücksichtigen.

Aber sind die Konsequenzen des Wandels, so dringlich er eingefordert wird, auch schon recht bedacht? Es dürfte klar sein, daß durch das veränderte Rollenverständnis der Väter und ihre verbesserte Beziehungsqualität zu den Kindern eine Umverteilung zwischen mütterlicher und väterlicher Macht in der Eltern-Kind-Beziehung stattfindet. Diese Umverteilung könnte tatsächlich einen evolutionären Schritt für das Gleichgewicht des familiären Systems einleiten und die Polarität der Geschlechter zugunsten einer dualen Elternschaft abmildern. Aber die Stolpersteine liegen in den Verwerfungen, die die Familie unter dem Einfluß gesellschaftlicher Veränderungen erfaßt haben. Dadurch ist die Machtbalance, wie sie in der traditionellen Familie durch die klare Aufgabenteilung zwischen Müttern und Vätern garantiert war, aus dem Gleichgewicht geraten.

Georg: Zum Thema Macht habe ich mich geäußert. Die "Stolpersteine sehe ich eher in der Befriedigung des Egos, ohne Rücksicht auf die Folgen. Männer haben die alte Aufgabenteilung niemals in Frage gestellt und wer meint wir arbeiten weniger als Frauen, dem beweise ich hier das Gegenteil. Wer eine gleichmäßige Verteilung von Macht anstrebt, verfolgt den falschen Ansatz den das Streben nach Macht, macht die Menschen zu Feinden.

Vor allem die Frauenbewegung hat die Familie aus ihrer Ghettoisierung herausgeführt und als sozialen Ort kenntlich gemacht, in dem sich die Gesetze gesellschaftlicher Ordnung widerspiegeln und reproduzieren. Der Kampf um Gleichberechtigung in Kindererziehung, Partnerschaft, Sexualität, öffentlichen Rechten, politischer Mitentscheidung und Beruf hat die Grenzen zwischen Familie und Gesellschaft bis zur Auflösung verwischt. Damit sind zwangsläufig Turbulenzen in der Macht-Ohnmacht-Balance zwischen Müttern und Vätern aufgetreten, die völlig neue Anforderungen an die Erhaltung des Systems Familie stellen.

Georg: Hört sich mal wieder gut an, was die Frauen so alles in die Wege geleitet haben, leider fehlt auch hier wieder die kritische Distanz. Frauen machten immer wieder zu Unrecht die Familie zum Ort der Grausamkeiten und zu einen Ort an dem Frauen dahinvegitieren, ganz zu Schweigen von dem Schicksal die Kinder über Frauen bringen. Es handelt sich auch wohl kaum um einen Kampf um Gleichberechtigung, sondern darum alle Bedürfnisse von Frauen umzusetzen und auch die Bedüfnisse von Männern zu "bestimmen". Dies geschieht mit einem Propagandaaperat, der ein unglaubliches Ausmaß erreicht hat und alle Jahre wieder neue Männer kreiert.

Eine solidarische Lösung läßt heute noch auf sich warten, weil beide, Mütter und Väter, durch die Entwicklung in einen verhängnisvollen Macht-Ohnmacht-Komplex geraten sind. Seine psychologische Besonderheit besteht darin, daß jeder einzelne nur seine eigene Ohnmacht erlebt und erleidet, während er seine Macht verleugnet und auf den anderen projiziert. Die dabei erzeugten Feindbilder sind unausrottbar, solange die innere Spaltung nicht aufgehoben und die eigene Macht nicht als identitätsstiftendes Selbstgefühl wahrgenommen wird.

Georg: Die Ohnmacht von Frauen dürfte sich heute in Grenzen halten. Wie wenig Macht Männer mit Rückrat haben, beweist sich durch die öffentliche Diskusion, bei der sie nicht vertreten sind.
Durch einen zweiten psychologischen Mechanismus kann der Macht-Ohnmacht-Komplex gefährlich eskalieren. Reale oder vermeintliche Ohnmachtserfahrungen verstärken den Gebrauch und besonders den Mißbrauch der eigenen Macht. Dadurch kommt es zwischen den Partnern zu einer Machtkonkurrenz, an deren Ende nicht selten die endgültige Zerstörung des Systems steht.

Georg: Zustimmung.

Für heutige Mütter existieren viele Gründe, sich ohnmächtig zu fühlen. Der Spagat zwischen Kindererziehung, Haushalt, Partnerschaft, Beruf und Selbstverwirklichung außerhalb familiärer und beruflicher Verpflichtungen ist der viel beklagte Angelpunkt mütterlicher Ohnmachtserfahrungen. Aber hinter dieser veräußerlichten Überforderung reicht die eigentliche Ohnmacht tiefer. Bei allen Erfolgen, die die Frauenbewegung in Familie und Gesellschaft erkämpft hat, läßt sich nicht leugnen, daß unsere gesamte Kultur noch weitgehend von der Herrschaftsideologie des Mannes geprägt wird. Und diese bleibt nicht äußerlich, sondern ist über viele Epochen ins Subjekt eingewandert und bestimmt von dort aus die Selbstwahrnehmung und die Auffassung von der Außenwelt. Die viel propagierte Gleichberechtigung der Frauen ist bei Lichte betrachtet nicht viel mehr als das Ergebnis von Zugeständnissen. Gleichberechtigung bleibt solange äußerlich, wie sie nicht durch das tiefere Bewußtsein einer Gleichwertigkeit getragen wird. Der Entwicklung dieses Bewußtseins bei Frauen stellen unsere Kultur und die verinnerlichten Bilder des Subjekts noch immer einen hartnäckigen Widerstand entgegen.

Georg: Auch hier wieder die pauschale Behauptung, die Überforderung der Frauen wäre das Problem. Wie viele Frauen davon in keinster Weise betroffen sind, wird nicht erwähnt und auch nicht dargelegt, welchen Sinn die Selbstfindung macht. Wer zwingt Frauen "alles unter einen Hut zu bringen"

Charlotte Wiedemann analysierte die Ursachen für die geringe Machtkompetenz von Frauen auf der Politikerbühne. Sie machte dafür die "Frauenverachtung" hinter der Fassade weichspülerischer Gleichberechtigungsphrasen ihrer männlichen Kollegen fest und schreibt: "Verachtung ist ein sanftes Gift, es nistet in den Seelen der Frauen und ändert dort heimtückisch seinen Namen: Selbstzweifel." Selbstzweifel als Ausdruck mangelhaft erlebter Gleichwertigkeit bedeutet eine tiefe Demütigung und Verletzung des weiblichen Selbstgefühls. Hierin dürfte der eigentliche Grund für die mütterlichen Ohnmachtserfahrungen liegen.

Georg: Es mag sein, daß viele Politiker Frauen in Warheit verachten, denn sie werden seit langem erpresst. Wer sich heute erlaubt Frauen in der Politik zu kritisieren lebt gefährlich und der Stempel Frauenfeind ist gleich zur Stelle. Diese Fakten und die Angst vor Frauen die rücksichtslos eigene Interessen vertreten wenn sie die Möglichkeit haben, lassen Männer vorsichtig sein.

Und der Vater? Ist er noch Herr und Gebieter im eigenen Haus, innerlich und äußerlich, noch Unterdrücker von Frauen und Kindern, zu dem er weiterhin stilisiert wird? An seine Macht glaubt jeder, obwohl sich seine Ohmacht längst herumgesprochen hat. Auch er kann den Drahtseilakt zwischen Beruf, Partnerschaft, Kindern und frei bleibender Zeit für sich reklamieren. Auch er fühlt sich überfordert. Aber auch bei ihm liegen die Gründe für seine Ohnmachtsgefühle tiefer. Von der patriarchalen Herrschaftsideologie haben sich die meisten offiziell abgekoppelt, und doch hat sie sie weiterhin fest im Griff. Es geht ihnen wie jenem zum Stereotyp gewordenen Ganoven, der aussteigen will, um ein "anständiges" Leben zu führen, aber die "Organisation" holt ihn immer wieder unerbittlich ein. Die Ohnmacht des Mannes und Vaters rührt daher, daß er sich gesellschaftlich einen anonymen Machtapparat männlich geprägter Herrschaftsansprüche ausgeliefert fühlt, gegen die jeder Widerstand zwecklos ist, so teilchenhaft, wie er sich erlebt. Wie soll er ihm gegenüber seine Identität und sein Selbtwertgefühl behaupten?

Georg: Zu Beginn wird hier wieder suggeriert, Männer seien Unterdrücker. Diese nachweislich falsche Behauptung kann anscheinend nicht unterdrückt werden und zeigt wieder einmal mehr den Versuch, Männern schlecht zu reden. Es muß auch nicht weiter kommentiert werden, daß die Ursachen für männliches Verhalten wieder in einen Patriachat gesehen werden, das für Feministinnen immer noch existiert. Das sich Männer überfordert fühlen liegt mehr daran, daß sie immer neue Rollen spielen sollen. Da diese Rollen den männlichen Bedürfnissen oft wiedersprechen, wurden viel Männer verunsichert, aber diese Entwicklung scheint langsam gestoppt.

Die Krise des heutigen Vaterseins resultiert aber nicht nur aus seiner gesellschaftlichen Entfremdung, sondern in gleichem Maße aus dem Verlust an Autorität, Kompetenz und Zuständigkeit in der Familie bezüglich seiner ursprünglichen Funktionen als Beschützer und Ernährer. Der entthronte, in doppelter Weise verohnmächtigte Vater verliert Stück um Stück die Haltstrukturen, die ihn als Mann legitimieren.

Georg: Richtig ist in der Tat, daß die durch Männer entwickelte Technik heute ein Leben ermöglicht, wo Frau kaum noch vom Mann abhängig ist. Der Gedanke der Männer war wohl nicht sich dadurch selbst zu eliminieren, dachten sie doch andere Werte zu haben. Frauen denen die Technik und die Fertigkeiten von Männer ein bequemes Leben ermöglicht, weisen immer öfter darauf hin, daß es auch ohne Männer geht. Irgendwie lustig.

Wer ist heute mächtiger, wer ist ohnmächtiger, Frauen oder Männer? Das ist die Frage. Sicher scheint nur: Die Macht der Frauen nimmt zu, die der Männer ab. Das wäre nur gerecht. Ohnmächtig sind beide, Mütter und Väter, und damit in ihrer Identität tief verunsichert. Die Macht-Ohnmacht-Balance zwischen Müttern und Vätern völlig aus dem Gleichgewicht geraten, eine einzige Katastrophe am Übergang ins nächste Jahrtausend? Wenn man die wachsenden Scheidungslawinen betrachtet und das Heer der vaterverlassenen Kinder, stehen die Zeichen tatsächlich auf Sturm. Deswegen muß man nicht gleich die Apokalypse beschwören. Jedes kreative Chaos hält Chancen offen..."

Georg: Wir schreiben unsere eigene Apokalypse und die verheerende Entwicklungen in den Familien werden Wirkung zeigen. Kreatives Chaos nein, sondern Zerstörung von Kultur und Werten, die nicht nur gute Seiten hatte, aber wenigsten ein Mindestmaß an Orientierung bot.
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Re: Sobald...

XRay, Monday, 13.05.2002, 11:55 (vor 8611 Tagen) @ Beatrix

Als Antwort auf: Die Macht-Ohnmacht-Balance von Beatrix am 09. Mai 2002 01:41:18:

...Patriarchat auftauchte wusste ich, es handelt sich hier um ein Märchen...

Re: Die Macht-Ohnmacht-Balance

Maesi, Saturday, 18.05.2002, 13:33 (vor 8606 Tagen) @ Beatrix

Als Antwort auf: Die Macht-Ohnmacht-Balance von Beatrix am 09. Mai 2002 01:41:18:

Hallo Du

Der Zusammenhang kann jedoch darüber aufklären, wie systematisch das Machtgefüge zwischen beiden von Geburt an aufgebaut und im Laufe der Jahre als feste Machtstruktur verinnerlicht wird. Hier bahnen sich jedoch in den letzten Jahrzehnten Umgestaltungen an, die erheblichen Einfluß auf die Macht-Ohnmacht-Balance im Elternsystem haben.

Der im obigen Absatz angesprochene 'systematische Aufbau des Machtgefueges' ist Teil der Sozialisierung des Kindes. Ein Kind erziehen zu wollen, ohne dass es irgendwelche Machtstrukturen zu spueren bekommt, ist unmoeglich und IMHO auch unsinnig. Tag fuer Tag wird das Kind mit Macht konfrontiert aber auch selber ausueben. Der richtige Umgang mit Macht (sowohl selbst ausgeuebter als auch empfundener Macht) und mit Machtstrukturen ist ein wesentlicher Bestandteil der Sozialisation.
Der rasante technologische, wirtschaftliche, politische und soziale Wandel bleibt natuerlich nicht ohne Wirkung auf die zwischenmenschlichen Beziehungen; das war schon immer so. Und es beeinflusst auch nicht nur die Eltern-Kind-Beziegungen. Neu ist lediglich, dass der Wandel so rasant ist, und die ganze Welt auf die eine oder andere Weise davon beeinflusst wird.

Das ausführlich beschriebene Triangulierungskonzept über die bereits im ersten Lebensjahr einsetzende Dreiecksbeziehung Mutter-Vater-Kind hat nicht zufällig die Familientheorie zu einem Zeitpunkt erweitert, als sich auch in der Praxis ein radikaler Wandel der frühen Vater-Kind-Beziehung anbahnte. Gemessen an den jahrhundertlang verfestigten Patriarchatsstrukturen und der konservativen Beharrungstendenz gesellschaftlicher Systeme konnte ihn niemand in dieser Geschwindigkeit ernsthaft erwarten.

Hier muss man sich fragen, was mit 'jahrhundertelang' gemeint ist. Die einmalige Mutter-Kind-Beziehungsthese stammt aus dem 18. Jhd und geht auf den Genfer Philosophen J.J. Rousseau zurueck. Diese Ideen entfalteten ihre Wirkung erst im 19. Jhd. in der (gross-)buergerlichen Gesellschaft, in der den Frauen die Rolle der Erzieherinnen und Vorsteherinnen des ehelichen Haushalts zugewiesen wurden. Gesetzlich wurde diese Rollenverteilung erst mit der Einfuehrung des Zivilrechts nach der franzoesischen Revolution und zu Beginn des 19. Jhd. flaechendeckend (z.B. Code Napoleon) eingefuehrt.
Wer es sich im Mittelalter und in der Renaissance- bzw. Barockzeit irgendwie leisten konnte, gab die Kinder einer Amme in Pflege bis sie ein pflegeleichtes Alter erreicht haben. In den aermeren (und zahlenmaessig wesentlich groesseren) Schichten, hatten die Kinder schon frueh in der Familie fuer den Broterwerb (v.a. Landwirtschaft) mitzuarbeiten; eine strikte Rollenteilung in einen erziehenden und einen broterwerbenden Elternteil gab es schlichtweg nicht. Da die raeumliche Trennung zwischen Arbeits- und Wohnort nur im Ausnahmefall existierte und die Kinder somit dauernd in Kontakt mit beiden Elternteilen standen, wurde die Erziehung bzw. was man heute darunter versteht von beiden Elternteilen geleistet.

Aber sind die Konsequenzen des Wandels, so dringlich er eingefordert wird, auch schon recht bedacht? Es dürfte klar sein, daß durch das veränderte Rollenverständnis der Väter und ihre verbesserte Beziehungsqualität zu den Kindern eine Umverteilung zwischen mütterlicher und väterlicher Macht in der Eltern-Kind-Beziehung stattfindet. Diese Umverteilung könnte tatsächlich einen evolutionären Schritt für das Gleichgewicht des familiären Systems einleiten und die Polarität der Geschlechter zugunsten einer dualen Elternschaft abmildern. Aber die Stolpersteine liegen in den Verwerfungen, die die Familie unter dem Einfluß gesellschaftlicher Veränderungen erfaßt haben. Dadurch ist die Machtbalance, wie sie in der traditionellen Familie durch die klare Aufgabenteilung zwischen Müttern und Vätern garantiert war, aus dem Gleichgewicht geraten.

Die Frage, ob die Konsequenzen des Wandels abgeschaetzt werden koennen, ist unrealistisch. Natuerlich koennen die Konsequenzen auf laengere Sicht (z.B. > 20 Jahre) gar nicht abgeschaetzt werden, weil es durchaus moeglich ist, dass innerhalb dieses Zeitraums Faktoren hinzukommen, die heute noch gar nicht existieren bzw. aus heutiger Sicht extrem unwahrscheinlich sind. Langfristige Prognosen sind deshalb immer mit sehr grossen Unsicherheiten behaftet. Gerade der heute rasch fortschreitende Wandel macht auch mittelfristige Voraussagen sehr unsicher.
Im obigen Abschnitt wird ausserdem verschwiegen, dass die Familie (Mutter, Vater, Kinder) eher auf dem Rueckzug ist. Die Gruppe der kinderlosen Erwachsenen nimmt stetig zu. Ich bestreite nicht, dass viele Vaeter sich heute staerker um ihre Kinder kuemmern; gleichzeitig gibt es aber auch mehr Vaeter, die von der Mutter den Kindern vorenthalten werden. IMHO ist hier, zumindest kurzfristig, eher eine Polarisierung zu verzeichnen. Insgesamt wird die Bedeutung (nicht nur der klassischen) Familie weiter abnehmen, sofern hier nicht ein unerwarteter gesellschaftlicher Wandel eintritt.

Vor allem die Frauenbewegung hat die Familie aus ihrer Ghettoisierung herausgeführt und als sozialen Ort kenntlich gemacht, in dem sich die Gesetze gesellschaftlicher Ordnung widerspiegeln und reproduzieren. Der Kampf um Gleichberechtigung in Kindererziehung, Partnerschaft, Sexualität, öffentlichen Rechten, politischer Mitentscheidung und Beruf hat die Grenzen zwischen Familie und Gesellschaft bis zur Auflösung verwischt. Damit sind zwangsläufig Turbulenzen in der Macht-Ohnmacht-Balance zwischen Müttern und Vätern aufgetreten, die völlig neue Anforderungen an die Erhaltung des Systems Familie stellen.

Na, das sind jetzt aber gewagte Thesen. Dass die 'Frauenbewegung die Familie aus ihrer Ghettoisierung herausgefuehrt hat', muesste erst noch anhand von konkreteren Beispielen belegt werden. Ich persoenlich halte das fuer ideologischen Humbug. Gemeint ist wohl eher, dass die Frauenbewegung die Muetter aus einer gewissen gesellschaftlichen Isolation herausgeholt hat; z.B. indem Muetter heutzutage viel oefter einer (meist Teilzeit-) Erwerbstaetigkeit nachgehen. Dies war aber schon in der Mitte des 19. Jhd. so, als die meisten Muetter ebenfalls erwerbstaetig waren (wenn auch aus purer wirtschaftlicher Not). Die verstaerkte Abkapselung der Familie vom Rest der Gesellschaft, was man vielleicht als gewisse Ghettoisierung bezeichnen koennte, ist ein Produkt der Nachkriegszeit mit ihrem Ideal der Kleinfamilie (Mutter, Vater und ein bis zwei Kinder).
Desweiteren fuehrt der Autor aus, dass die Frauenbewegung die Familie 'als sozialen Ort kenntlich gemacht' habe, in dem sich 'die Gesetze gesellschaftlicher Ordnung wiederspiegeln und reproduzieren'. Richtig ist, dass die Frauenbewegung durchaus auf bestimmte Missstaende in den Familien hingewiesen hat (z.B. Haeusliche Gewalt, gewisse gesetzliche Diskriminierungen von Ehefrauen); allerdings wurden diese Verdienste durch einseitige ideologische Betrachtungen groesstenteils wieder zunichte gemacht. Die bestehenden Probleme wurden zwar erkannt (und nicht selten stark ueberbewertet), einen Loesungsansatz konnte gerade die Frauenbewegung aber auch nicht bieten.
Die Turbulenzen in den Familien bzw. die Neudefinition der Rollen der Muetter und Vaeter stellen tatsaechlich neue Anforderungen an die Erhaltung der Familien. Die Gretchenfrage wagt jedoch kaum jemand zu stellen. Naemlich: wollen wir noch Familien? Wenn ja, wie wichtig sind uns Familien ueberhaupt noch? Diese Fragen kann nicht die Politik beantworten sondern nur jeder einzelne von uns. Meist werden naemlich schoene Reden gehalten ueber die herausragende Bedeutung der Familien; diese Reden sind jedoch unnuetz, wenn nicht auch danach gelebt wird. Leider werden im Alltag aber ganz andere Prioritaeten gesetzt (z.B. Karriere, Hedonismus, Selbstverwirklichung). Die Familie hat, ausser in schoenen Lippenbekenntnissen, kaum mehr Platz.

Eine solidarische Lösung läßt heute noch auf sich warten, weil beide, Mütter und Väter, durch die Entwicklung in einen verhängnisvollen Macht-Ohnmacht-Komplex geraten sind. Seine psychologische Besonderheit besteht darin, daß jeder einzelne nur seine eigene Ohnmacht erlebt und erleidet, während er seine Macht verleugnet und auf den anderen projiziert. Die dabei erzeugten Feindbilder sind unausrottbar, solange die innere Spaltung nicht aufgehoben und die eigene Macht nicht als identitätsstiftendes Selbstgefühl wahrgenommen wird.

Noch nie wurde das Adjektiv 'solidarisch' so oft angewandt wie heute; und noch nie war Solidaritaet so schwierig zu leben. Nicht etwa, weil wir schlechtere Menschen als unsere Vorfahren sind; sondern vielmehr weil in unserer Zeit bedingt durch die Wohlfahrt eine Mehrheit der Bevoelkerung nicht mehr auf die persoenliche Solidaritaet der anderen Menschen angewiesen ist; wichtige Problemfelder, die frueher Solidaritaet der einzelnen Menschen erforderlich machten, wurden institutionalisiert (z.B. Altersvorsorge, Arbeitslosenunterstuetzung, Unterstuetzung bei Krankheit und Invaliditaet, etc.) und vom Individuum weg an diese Institutionen delegiert. Diese sozialen Fortschritte in der Gesellschaft machten die Solidaritaet teilweise ueberfluessig.
Die teilweise recht philosophischen Betrachtungen ueber Macht-Ohnmacht-Komplexe sind zwar akademisch durchaus interessant, haben IMHO im Alltag aber lediglich theoretische Bedeutung. Keinesfalls koennen daraus Maximen abgeleitet werden, aufgrund denen der Staat griffige Massnahmen (z.B. erzieherischer Art oder gar mittels Verboten und Geboten) ergreifen koennte. Diese staatlichen Massnahmen muessten IMHO sehr weitgehend sein, was aber wiederum dem Paradigma des freien Individuums in unserer Demokratie diametral entgegensteht.
Solche Ueberlegungen loesen denn meist auch lediglich Empfehlungen aus, die niemand zu beachten verpflichtet ist. Wer hier vom Staat Hilfe erwartet, ist IMHO in einer Demokratie schlecht aufgehoben und sollte sich wohl eher in einen paternalistisch (oder von mir aus auch maternalistisch) bevormundenden Staat begeben, der definitionsgemaess aber gar keine echte Demokratie sein kann, da ja nicht das Volk (demos) der Souveraen ist, sondern die Ideologie noch ueber dem Volk steht.

Reale oder vermeintliche Ohnmachtserfahrungen verstärken den Gebrauch und besonders den Mißbrauch der eigenen Macht. Dadurch kommt es zwischen den Partnern zu einer Machtkonkurrenz, an deren Ende nicht selten die endgültige Zerstörung des Systems steht.

Zustimmung

Die viel propagierte Gleichberechtigung der Frauen ist bei Lichte betrachtet nicht viel mehr als das Ergebnis von Zugeständnissen. Gleichberechtigung bleibt solange äußerlich, wie sie nicht durch das tiefere Bewußtsein einer Gleichwertigkeit getragen wird. Der Entwicklung dieses Bewußtseins bei Frauen stellen unsere Kultur und die verinnerlichten Bilder des Subjekts noch immer einen hartnäckigen Widerstand entgegen.

Interessant ist, dass ein 'tieferes Bewusstsein einer Gleichwertigkeit' gefordert wird. Verantwortlich gemacht dafuer, dass das noch nicht geschehen sei, werden 'unsere Kultur und die verinnerlichten Bilder des Subjekts'.
Erstens einmal halte ich die Unterstellung, die Mehrheit der Frauen (interessanterweise werden Maenner nicht erwaehnt) betrachteten sich selbst gegenueber den Maennern als nicht gleichwertig, fuer unhaltbar.
Zweitens ist mir schleierhaft, auf welche Aspekte unserer Kultur bzw. welche verinnerlichten Bilder der Autor sich bezieht, wenn er diese als Ursache fuer eine angebliche Nicht-Gleichwertigkeit der Frau gegenueber dem Mann im weiblichen Bewusstsein heranzieht.

Charlotte Wiedemann analysierte die Ursachen für die geringe Machtkompetenz von Frauen auf der Politikerbühne. Sie machte dafür die "Frauenverachtung" hinter der Fassade weichspülerischer Gleichberechtigungsphrasen ihrer männlichen Kollegen fest und schreibt: "Verachtung ist ein sanftes Gift...

Tja, wie man(n) sich auch gibt, es ist immer falsch. Interessanterweise sind es laut Wiedemann fuer einmal nicht die Machos, die die Frauen angeblich von politischen Karrieren abhalten sondern jene soften Politiker, die von Gleichberechtigung reden (und die doch von der Frauenbewegung so sehr herbeigewuenscht wurden).
Wenn ich jedoch in den Parteien die Geschlechterverteilung bei den Mitgliedern betrachte, dann sehe ich, dass Frauen eindeutig untervertreten sind. Logischerweise wirkt sich dies dann auch bei den politischen Mandaten aus. Die meisten (fast alle) gewaehlten Politiker haben eben ein Parteibuechlein; der erste Schritt fuer eine politische Karriere ist somit der Eintritt in eine Partei. Der Eintritt in eine Partei wiederum ist eine bewusste Entscheidung des Individuums. Diese einfachen Zusammenhaenge werden jedoch konsequent ignoriert. Viel lieber konstruiert man dann diese Thesen vom boesen Mann, der mal mit List und Tuecke, mal mit roher Gewalt den politischen Aufstieg von Frauen vereitelt. So kann das eigene Weltbild gerettet und muss nicht aufgrund von Tatsachen hinterfragt werden.

Und der Vater? Ist er noch Herr und Gebieter im eigenen Haus, innerlich und äußerlich, noch Unterdrücker von Frauen und Kindern, zu dem er weiterhin stilisiert wird? An seine Macht glaubt jeder, obwohl sich seine Ohmacht längst herumgesprochen hat. Auch er kann den Drahtseilakt zwischen Beruf, Partnerschaft, Kindern und frei bleibender Zeit für sich reklamieren. Auch er fühlt sich überfordert. Aber auch bei ihm liegen die Gründe für seine Ohnmachtsgefühle tiefer. Von der patriarchalen Herrschaftsideologie haben sich die meisten offiziell abgekoppelt, und doch hat sie sie weiterhin fest im Griff...

Der Vater wurde (und wird) ausschliesslich von feministischen Kreisen als Unterdruecker von Frauen und Kindern (die Kinder scheinen uebrigens auch in der Frauenbewegung immer ein Anhaengsel von Frauen zu sein) stilisiert.
Regelmaessig wird von patriarchalen Herrschaftsideologien oder aehnlichem geschwafelt ohne genauer zu erlaeutern, was damit gemeint ist. Voellig ignoriert wird, dass zu allen Zeiten sowohl Frauen wie Maenner gesellschaftlichen Zwaengen und v.a. auch existentiellen Sachzwaengen unterlagen, die deren Leben weitestgehend bestimmten. Die Freiheit des Mannes zu tun, was ihm beliebt ist genauso eine Chimaere, wie die angebliche Unterdrueckung der Frau durch den Mann. Die Unfreiheit der einzelnen Menschen wurde durch ganz andere Faktoren bewirkt als durch die Geschlechtszugehoerigkeit.
Dass immer wieder geschichtliche Fakten ignoriert werden, macht die Apologeten von solch seltsamen Thesen auch nicht glaubwuerdiger.

Die Krise des heutigen Vaterseins resultiert aber nicht nur aus seiner gesellschaftlichen Entfremdung, sondern in gleichem Maße aus dem Verlust an Autorität, Kompetenz und Zuständigkeit in der Familie bezüglich seiner ursprünglichen Funktionen als Beschützer und Ernährer. Der entthronte, in doppelter Weise verohnmächtigte Vater verliert Stück um Stück die Haltstrukturen, die ihn als Mann legitimieren.

Die Krise des Vaterseins (sofern eine Krise ueberhaupt besteht) kommt IMHO daher, dass das Vatersein (bzw. auch das Muttersein) zu einer politischen Frage hochstilisiert wird. Vatersein ist aber etwas sehr persoenliches, und wenn Vaeter (oder Muetter) mit ihrer Rolle unzufrieden oder darin verunsichert sind, handelt es sich eben um ein persoenliches Problem. Erst indem diese Rollen politisiert und die Vaeter und Muetter von den Meinungsmachern herabgesetzt und/oder idealisiert werden, ergibt sich daraus auch eine politische Dimension.
Insbesondere die Frauenbewegung hat sich darin hervorgetan, Vaeter und Muetter in ihren jeweiligen Rollen in globo zu diffamieren und/oder manchmal auch zu idealisieren. Ein typisches Beispiel dafuer ist, wenn Vaeter pauschal als unnuetz erklaert oder zu blossen Samenspendern degradiert werden.

Wer ist heute mächtiger, wer ist ohnmächtiger, Frauen oder Männer? Das ist die Frage. Sicher scheint nur: Die Macht der Frauen nimmt zu, die der Männer ab. Das wäre nur gerecht. Ohnmächtig sind beide...

Nein, das ist eben nicht die Frage. Genau durch das Stellen von solchen Fragen erzeugt man eine Schuetzengrabenmentalitaet. Macht ist eben lediglich marginal vom biologischen Geschlecht abhaengig. Wesentlich wichtiger sind andere Einflussfaktoren. Erst indem man die geschlechterbedingten Einfluesse so sehr ueberbewertet, evoziert man den Geschlechterkampf, um ihn alsogleich mit Krokodilstraenen zu beweinen.

Wenn man die wachsenden Scheidungslawinen betrachtet und das Heer der vaterverlassenen Kinder, stehen die Zeichen tatsächlich auf Sturm. Deswegen muß man nicht gleich die Apokalypse beschwören. Jedes kreative Chaos hält Chancen offen..."

Die zahlreichen Scheidungen haben wohl viele Ursachen; die meisten Scheidungsgruende sind IMHO persoenlicher Natur und koennen somit auf politischer Ebene gar nicht behoben werden. Und selbst eine Scheidung bedeutet nicht notwendigerweise eine Katastrophe fuer die jeweils Beteiligten. Hier koennte am ehesten noch durch eine kindergerechtere Rechtsprechung bzw. Beratung (v.a. durch die Jugendaemter) von staatlicher Seite eingewirkt werden. Jedoch: wenn zwischen den Eltern keinerlei Willen zu einer einvernehmlichen Loesung mehr besteht, koennen auch die besten Richter und Jugendamtsmitarbeiter nichts mehr ausrichten. Dann spielen persoenliche Qualitaeten und Charaktereigenschaften bei den Ex-Ehegatten eine herausragende Rolle. Wichtig ist oftmals auch, Verwandte und Bekannte zu meiden, die zusaetzlich noch den Scheidungskrieg anfachen.

Gruss

Maesi

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