Wieviel «Gleichberechtigung» verträgt das Land?

Archiv 1 - 20.06.2001 - 20.05.2006

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Zurechtgerückt ..

Beatrix, Sunday, 17.03.2002, 02:44 (vor 8668 Tagen)

...wurde von dem Gewaltforscher H.J. Lenz Joachims Müllers Wahrnehmung der Gewaltproblematik und ihrer Behandlung bei der Tagung über männliche Opfererfahrungen.

Ich hatte Joachims Tagungsbericht gelesen und mich nicht mal darüber gewundert. Ich bin es ja schon so sehr gewohnt, daß in seinen Berichten die Frauen die Bösen sind und daß das ganze als Geschlechterkrieg dargestellt wird, daß es mir schon gar nicht mehr auffällt. Und daß das Referat von Herrn Gmünden über seine Diss zum Thema 'Gewalt in Beziehungen' und das anschließende Referat von der Gewaltforscherin Dr. Schröttle zum Polarisieren reizen, das kann ich ja auch verstehen.

Aber ich habe schon immer die Fokussierung auf die Gewalttätigkeit von Frauen in heterosexuellen Beziehungen einerseits und die Vernachlässigung dieses Thema in der bundesdeutschen Familienpolitik als zu einseitig empfunden. Hier wird einfach ein (zugegebenermaßen vernachlässigter)Aspekt von Gewalt herausgegriffen und isoliert ans Licht der Öffentlichkeit gezerrt. Und ich hatte einfach immer mehr das Gefühl, daß es Joachim mehr um die Kampfansage gegenüber Frauenpolitikerinnen ging als um Hilfe für die Opfer.

Deshalb freue ich mich, daß Arne uns in seinem letzten e-zine auch mal die Ansicht anderer _männlicher_ Gewaltexperten mitteilt, und daß ich mich mit dieser Ansicht so gut identifizieren kann.

Ein Geschlechterkampf ist einfach der falsche Ansatz!
Um die Opfer muß es gehen!
Die sollten im Vordergrund der Betrachtung stehen!
Damit ihnen geholfen wird.

Deshalb befürworte ich auch die aktuelle Berichterstattung in den Medien, an der Joachim ja auch einen gewissen Anteil hat. Sein Engagement in Sachen Aufklärung heiße ich ausdrücklich gut.

Ich möchte nun mal die Stellen aus der Richtigstellung von Meier und Lenz zitieren, die mir am besten gefallen haben:

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"Am Ende der Tagung stand bei der großen Mehrheit aller Beteiligten (Männer
wie Frauen) die Einsicht (die viele wohl schon mitgebracht hatten und durch
die Tagung bestätigt fanden), dass gegenseitige Wahrnehmung und gegenseitige Eingeständnisse von (durch wen auch immer zugefügten) Verletzungen und Verletzlichkeiten dem Frauen und Männern gemeinsamen Ziel, Gewalt (gegen wen auch immer) in der Gesellschaft abzubauen, näher bringt als eine Fortsetzung alter Grabenkämpfe zwischen Feministinnen und "Maskulinisten" mit Aufrechnungen hinüber und herüber.

Jedes Opfer von Gewalt, sei es Frau oder Mann, Junge oder Mädchen, jung oder alt, ist eines zu viel und hat zunächst einmal Anspruch auf Hilfe.

Diesen Aspekt ins Bewusstsein zu rücken und dabei bisher blinde oder noch wenig ausgeleuchtete Flecken besonders in den Blick zu nehmen, war Ziel unserer Tagung."

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*Rotstift nehm und dick unterstreich*

Ein Bereich des Gewaltschutzes ist die Prävention. Da sollte IMHO schom im Kindergarten angesetzt werden. Jungen müssen auch mal Opfer sein dürfen, ohne sich dessen zu schämen. Sie sollten über ihre Opfererfahrungen berichten dürfen, ohne Angst, ausgelacht zu werden!
Und sie sollten lernen, sich angemessen zu wehren.
Die asiatischen Kampfsportarten scheinen in der Hinsicht eine sehr akzeptable Ethik zu haben.Ich kenne zwar keine davon in der Praxis, aber soviel ich weiß, wird ausschließlich in Notwehr und nach vorheriger Warnung des Aggressors/ der Aggressorin gehandelt.

Gut finde ich neue Ansätze in der Jungenarbeit. Ich beobachte in den letzten Jahren den Trend, daß viele Jugendzentren, v.a. in Großstädten neben den inzwischen eingebürgerten Schwerpunktprogrammen für Mädchen jetzt auch verstärkt spez. Angebote für Jungen machen.
Peter Thiel berichtet ja auch in seinen Männer-News regelmäßig über Fortbildungsangebote in der Jungenarbeit.
Auch auf eine website über die dringend notwendigen männlichen Erzieher bin ich schon vor längerer Zeit mal gestoßen: [link=http://www.planet-interkom.de/home/markus.ziegler/home.htm" target="blank]Männer in der professionellen Erziehung[/link]

Da steht z.B. u.a. über die Rolle des Betreuers in Wohneinrichtungen für Kinder:
"Jungen fordern dennoch Eigenschaften vom Betreuer ein, die meiner Meinung nach der Rolle eines Vaters zuzuschreiben wären. Die Jungen suchen Schutz und Geborgenheit. Sie wollen sicher gehen, dass hinter ihnen jemand steht und für sie im Falle eines Falle auch zur Seite steht und auch einmal Präsenz zeigt (z.B. wenn sie in der Schule geärgert oder gar
bedroht werden)."

"Zuerst glaube ich einmal, dass Männer Jungen besser in ihrem Sein und in ihrer Entwicklung verstehen können, sie haben es ja selbst erlebt, als Frauen. In der Wohngruppe erleben die Jungen den Erzieher in seiner Gesamtheit. Jungen kommen mit ihren Anliegen zu allererst zum männlichen Betreuer, zumindest dann, wenn es um persönliche Dinge geht.
Veraussetzung ist natürlich ein Vertrauensverhältnis, welches behutsam aufgebaut werden muss."

"Jungen kommen auch mit ihren Sorgen und Ängsten, Themen bei denen es um Schwächen und Versagen geht. Oft ist es auch nur ein einfaches Gespräch, aber man kann den Jungen vermitteln, dass er mit seinen Sorgen nicht alleine gelassen wird. In der männlichen Bezugsperson finden Jungen jemanden, an dem sie sich festhalten können, um selbst loszulassen
(Schwäche zu zeigen, Emotionen zeigen...) bis Jungen aber bereit sind, sich einem Erwachsenen in beschriebener Weise anzuvertrauen braucht es viel Zeit, welche man den Kindern auch geben muss und sie nicht dazu drängen darf."

Ich habe das selber auch so erlebt, da mein Exmann in so einer Einrichtung arbeitet. Der Männeranteil beim Betreuungspersonal ist dort übrigens in den letzten Jahren kontinuierlich gestiegen. Die Zusammenarbeit der Teams hat sich seitdem positiv verändert.

Auch in den Grundschulen brauchen wir dringend sowohl männliche Lehrer als auch Lehrerinnen, die mehr Verständnis für das Verhalten von Jungen zeigen und besser geschult sind, damit umzugehen. Nach dem Motto "Wehret den Anfangen" könnte gerade in den ersten Schuljahren mancher Chaot und hoffnungsloser Fall,- der später permanent den Unterricht stört, schwache leistungen zeigt, Aggressions- und Suchtverhalten zeigt - rechtzeitig auf die richtige Bahn zurückgelenkt werden. Ich schätze mal, den meisten dieser Jungen hat es in jungen Jahren in erster Linie an Zuwendung, Verständnis und richtiger Förderung gefehlt.

Was die Erziehung von Jungen betrifft, finde ich das Buch von St. Biddulph immer noch am besten:
[link=http://www.amazon.de/exec/obidos/ASIN/3895305057/qid=1016321049/sr=1-1/ref=sr_1_0_1/028-3991417-8710143" target="blank]Jungenbuch[/link]

Mir hat es geholfen, mehr Verständnis für Jungen aufzubringen und meine Sicht von Jungen zu verändern.
Manches kann ich aber nicht beurteilen, da ich selber eine Tochter habe und auch im Freundeskreis nur Mädchen sind.

In den Schulen brauchen wir außerdem mehr Trainings im Bereich Konfliktlösung, Mobbingabwehr und Ichstärkung. Das läßt sich zum einen in Projektwochen und Fortbildungen sowohl für Lehrer/innen als auch für Schüler/innen realisieren, zum anderen können dabei auch Multiplikator/innen ausgebildet werden, die das erworbenen Wissen ind ie Klassen tragen. Außerdem sollten alle Schulen mind. ein schulpsychologische Fachkraft haben.

Das neueste Angebot für Kinder und Jugendliche in Not ist die online-Beratung, die von manchen Beratungsstellen angeboten wird. In Schulen und Jungedzentren wird darauf hingewiesen. Am sich dort Hilfe zu holen, brauchen die Kids ein Kennwort. So wird verhindert, daß Eltern oder Freunde mitlesen können. Die Online-Beratung wird sehr gut angenommen, da für viele Kids die Hemmschwelle wegfällt, einem persönlichen Gegenüber etwas Belastendes anzuvertrauen. Es ist viel einfacher, sich auf anonymere art etwas von der Seele zu reden.

Für erwachsene Männer sollten mehr Einrichtungen wie das Talisman Männerbüro in Trier oder das Männerbüro in Berlin eingerichtet werden.

Interessant und wünschenswert wäre vielleicht auch eine Organisation "Frauen gegen Frauengewalt", die ähnlich arbeiten könnte wie vergleichbare Vereine für Männer, nämlich sowohl aufklärend als auch beratend und helfend. Dort könnte ich mir auch Vorträge über die Gefahren und Schäden von Eltern-Kind-Entfremdung und Kindesentzug vorstellen.
Schade, daß ich selber sooooo wenig Zeit habe, sonst würd ich da sicher mitmachen.

So, genug Vorschläge für heute.
Ich kann das nur so in den Raum stellen, hab jedoch keine Zeit zu einer Diskussion darüber. Ich bitte auch Maesi und Norbert um Nachsicht, da ich nicht die Zeit gefunden habe - und wohl auch nicht so bald finden werde - ihre letzten Antworten an mich wieder zu beantworten.

ciao
Beatrix

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