Die SZ über Alice Schwarzer
Neulich war in der Süddeutschen Zeitung ein langer Artikel über Alice Schwarzer und die nun 25jährige Emma.
Die SZ ist ja immer kritisch, aber müssen die die arme Frau so entsetzlich hart anpacken, ja geradezu in der Luft zerreissen?
Ok. Das war natürlich ironisch. Es handelt sich natürlich um einen verlogenen Jubelartikel, der an manchen Stellen auch noch sexsitische Gewalt gegen Männer augenzwinkernd gutheisst und in gewohnt feministischer Manier Tatsachen verdreht.
Aber lest selbst:
DIE SEITE DREI
Mittwoch, 23. Januar 2002
Die Frau mit dem Heft in der Hand: Wenn ich mich klonen könnte ...
Die Amme der Emma
Nur eine von fünf Frauen liest sie, aber die meisten kennen sie: Alice Schwarzers Kind feiert Geburtstag25 Jahre aus dem Leben einer Frauenzeitschrift
Von Elisabeth Bauschmid
Köln, im Januar Diese Geburtstagsfeier in einem teuren Fischlokal in der Brüsseler Altstadt werden die Ober ihr Leben lang nicht vergessen. Da war an einem Januarabend 1977 laut und fröhlich eine Schar Weiber eingeschwärmt, hatte sich satt gegessen an der Spezialität des Hauses (Hummer) und hatte, lärmend und lästerlich, die Geburt eines Mädchens begossen. Emma hieß das Kind, sah im Vergleich zu seinen hochglanzbunten Schwestern ziemlich grau und mickrig aus, und keiner hätte einen Pfennig drauf gewettet, dass dieses blasse, aber sehr ungezogene Geschöpf überhaupt so etwas wie eine Überlebenschance haben würde. Aber es gedieh. Ja, Emma, Alice Schwarzers Zeitschrift von Frauen für Frauen, die sich inzwischen zur Zeitschrift für Menschen, Männer inclusive, gemausert hat, wird am nächsten Wochenende 25 Jahre alt.
Nicht mehr so grau wie einst ist sie, und auch nicht mehr so dünn. Die Themen Terror, Frauen in Afghanistan, Ganztagsschule sind politisch, nicht speziell frauenpolitisch; wenn sie auch konsequent unter der anderen, der feministischen Perspektive behandelt werden. Emma gibt sich jung. Die Porträts sind nicht mehr allein den Heroinen der feministischen Bewegung gewidmet. Für die Titelgeschichte des Jubiläumshefts ließ sich das Supergirl des neuen deutschen Films Franka Potente von Alice Schwarzer interviewen.
Rapunzel im Wehrturm
Emmas Leserschaft ist jung, sagt Alice Schwarzer, als sie im Kölner Frauenzentrum über die Zukunft ihrer Zeitung und der Frauen überhaupt doziert. Schwarzer, die Erfinderin, Gründerin, Herausgeberin, erste Redakteurin und viel beschäftigte Schreiberin von Emma empfängt an diesem Tag nicht in der Redaktion, sondern im Kölner FrauenMediaTurm. Das ist ein mittelalterlicher, am aufgelassenen Hafen gelegener Wehrturm, der im Lauf der Geschichte mehrmals zerstört und wieder aufgerichtet, zuletzt aber von der Frauenbewegung erobert wurde. Frauenwissen wird in diesem Archiv gehortet. Gleichzeitig läuft eine Ausstellung über 30 Jahre Frauenbewegung mit Fotos und Erinnerungen an gewesene Heldentaten an den Kampf gegen den Paragraphen 218, gegen das Abtreibungsverbot, an die Anti-Pornographie-Kampagne. Dazu hinter Glas wie anderswo der Knopf für den Feuerlöscher sind entscheidende Objekte der Bewegung zu besichtigen: der Hexenbesen und für den Notfall eine große Heckenschere zur Beseitigung des kleinen Unterschieds.
Erschöpft ist man von den steilen Turmstufen, fühlt sich ein wenig wie bei der Eroberung des Grals oder wenigstens wie bei Rapunzel. Wartet geduldig, bis Alice Schwarzer empfängt zum Interview, für das sie sich, obwohl sie eigentlich gar keine Zeit hat, immer gehetzt ist zwischen zwei Redaktionsschlüssen, dann alle Zeit nimmt. Wie kaum eine Zweite beherrscht die Schöpferin der Emma die Kunst, jeden Besucher mit ihrem Charme derart einzuwickeln, dass sich alsbald das Gefühl einstellt, man sei für sie der interessanteste Gesprächsparnter seit langem.
So ufert ein zielgerichtetes Interview aus zum Geplauder über Gott und die Welt: über Katja Mann; über die absichtsvoll unverständliche Sprache der so genannten Genderstudies; über die intellektuellen Moden an den Universitäten, ein Thema, das sie besonders erbost: Konstruktion, Dekonstruktion, nun ja, Beauvoir hat den schlichten Satz gesagt, man wird nichts als Frau geboren, man wird dazu gemacht; jetzt gibt es dafür einen neuen Begriff. Als würde man das Rad neu erfinden. Über Angela Merkel sie hat einen Fehler gemacht, sie hat so getan, als spiele es keine Rolle, dass sie eine Frau ist und darüber, ob sie, Alice Schwarzer, weiter als funktionsloses Individuum leben wolle, oder nicht doch eine Partei gründen wenn ich mich klonen könnte....
Der kleine Unterschied hieß Schwarzers berühmtestes Buch, das 1977 erschien. Mit dem Honorar, 250000 Mark, gründete die damals 34-Jährige im Kampf gegen den Abtreibungsparagrafen bekannt gewordene Journalistin Emma. Ein ziemlich tollkühnes Unternehmen war das; unter zweistelligen Millionensummen fingen auch schon damals die professionellen Blattentwickler nicht einmal zu denken an. Die erste Emma wurde in einer Auflage von 300 000 Exemplaren gedruckt; eine Dopinghöhe, die sehr schnell sank und sich in den letzten Jahren auf eine relativ stabile, zwischen 54000 und 56 000 schwankende Zahl von Käufern eingependelt hat.
Emma lebt vom Verkauf, nicht von den Anzeigen. Kläglich wenig Anzeigen habe das Blatt, sagt Schwarzer. Gerade zu zehn Prozent wird die Zeitschrift durch Anzeigen finanziert bei anderen Magazinen ist das Verhältnis Verkaufspreis zu Anzeigenaufkommen genau umgekehrt. Auch das neueste Heft, 116 Seiten Umfang, bringt es eben auf knapp elf Seiten Anzeigen; meistens werben hier Verlage, denn Emma-Leserinnen, das erforschte das Allensbach-Institut, haben erstens Abitur und zweitens lesen sie täglich und zwar vorzugsweise Bücher. Für Kosmetik, Klamotten und Küchenutensilien bietet Emma immer noch nicht das geeignete Werbeumfeld.
In ihrer Existenz gefährdet ist Emma also stets. Dabei kennen 55 Prozent aller Deutschen, wie die Allensbach-Umfrage ebenfalls ergab, die sich Emma zum Fünfundzwanzigsten leistete, die Zeitschrift, wenigstens dem Namen nach. Gelesen beziehungsweise in den Händen gehalten hat sie freilich nur eine von fünf Frauen, aber immerhin auch jeder 14. Mann.
Das Magazin ist immer noch das, was es in den ersten Kampfjahren war, als man Frauen und Männern das Wort Gleichberechtigung noch buchstabieren musste: ganz auf Alice Schwarzer eingestellt, ein Ein-Frau-Unternehmen; mit wechselnden Jungautorinnen zwar inzwischen sogar Autoren , Gastredakteurinnen und einem kleinen, festen Kern von Blattmacherinnen. Mit kriminell wenig Leuten machen wir das Magazin, sagt Schwarzer. Drei weist das Impressum aus: Schwarzer, die für Dokumentation zuständige Barbara Frank, die Assistentin Angelika Mallmann, die auch die Leserbriefe zu versorgen hat. Dazu eine Layouterin. Geschenkt wird einem hier nichts. Aber es herrsche auch nicht das Prinzip der Selbstausbeutung wie einst bei der taz, sagt die Chefin. Wir zahlen gut, über Tarif.
Liebe auf den ersten Blick
Schließlich ist da noch Margitta Hösel, die als Büroleiterin ausgewiesen ist. An ihr kommt niemand vorbei, der etwas von Alice will. Als 19- Jährige schrieb sie, damals kaufmännische Angestellte in der Elektrobranche, aus der norddeutschen Provinz an die liebe Alice einen Brief. Dass ihr die Frauen in ihrem Betrieb und besonders der Vater schwer zu schaffen machten und dass sie neue Kreise finden möchte, wo ich mich auseinander setzen und lernen kann. Natürlich wurde sie engagiert, zunächst als Sekretärin, dann als so genannte rechte Hand. Liebe auf den ersten Blick sei das gewesen, schreibt Schwarzer im Editorial der Jubiläumsausgabe. Eine dauerhafte Liebe, beiderseits. Anfang Januar konnte Hösel ihr zwanzigstes Jubiläum bei Emma feiern.
Länger ist nur noch Franziska Becker dabei. Schon in der ersten Emma veröffentlichte sie einen Comic. Der war noch nicht so knallig bunt und ausgearbeitet wie heute. Was aus Becker einmal werden würde der neben Marie Marks ersten Karikaturistin der Nation , war in dieser Vorher-Nachher- Geschichte erst angedeutet. Damals nahm sie sich die Kosmetik- und Stilingtipps, mit denen sich ganze Generationen von Brigitte-Leserinnen terrorisieren ließen, aufs Korn. Inzwischen gibt die feministische Bewegung selbst genug Stoff her zum Spott. In hinreißend komischen Cartoons entwirft Becker als Utopie und Persiflage zugleich die Realität einer verkehrten Welt, in der gewaltig zupackende Chefärztinnen schon mal schnell zwischendurch ein paar Assistenzärzte vernaschen und in der nicht nur abwaschuntüchtige Männer ihr Fett wegbekommen, sondern vor allem Frauen in beiderlei Gestalt: einschüchternd emanzipierte Superlesben ebenso wie mutterstolze Gebärerinnen.
Im Übrigen verbindet kaum jemand weder mit Emma noch mit ihrer Schöpferin den Begriff Humor. Beide gelten eher als verbiestert, streitsüchtig, unweiblich. Alice Schwarzer findet dieses Klischee nur langweilig, ärgert sich nur deshalb darüber, weil es die schärfste Waffe im Kampf gegen Frauen ist. Was sie nicht mehr ertragen kann, ist das Schwarz- Weiß. Entweder wird jemand verdammt. Oder er wird verherrlicht. Die Menschen haben so gar keinen Spaß an Ambivalenzen.
Allmählich aber ändert sich das Bild von der schrecklichen, verbissenen, dogmatischen Alice Schwarzer. Das macht ein Vergleich zweier Fernsehsendungen deutlich. Vor fast 30 Jahren, bei dem Fernseh-Gespräch zwischen Alice Schwarzer und der Schriftstellerin Esther Vilar, hatten es die Kritiker noch einfach. Da genügte es, festzustellen, dass Vilar hübscher war als Schwarzer und also auch mit ihrer Anti-Schwarzer-These Recht bekam: dass es nämlich in Wahrheit die Gattin sei, die ihren Mann durch Sex zähme. Beim Remake dieses Gesprächs im vergangenen Herbst, als bei Beckmann Deutschlands erste Emanze auf Deutschlands erfolgreichsten Blub, Verona Feldbusch, traf, fiel das Urteil nicht mehr so leicht. Liest man die Kritiken nach dieser Show, die als Catch-as-catch-can-Kampf geplant war, aber dann doch wenigstens Ansätze einer Diskussion zeigte, konnte Schwarzer erstaunlich hoch punkten. Vor allem beim Publikum, das sich über E-Mails und Faxe beim ZDF und bei Emma auf ihre Seite schlug. Da empörten sich viele über den mangelnden Respekt der durchaus schlagfertigen, aber vor allem hübschen Verona Feldbusch.
Beherzter auftreten
Nein, komisch finden kann Alice Schwarzer das gar nicht, dass man ihr gegenüber Respekt fordert. Wer so wie sie mit den Medien spielt, gewinnt vermutlich auch ein Gefühl für die eigene Bedeutung. Und macht mit, fährt sogar wie vor ein paar Jahren auf einem eigenen Wagen beim Kölner Karnevalszug mit die höchste Ehre, die einem in Köln zuteil werden kann, noch höher einzustufen als das Bundesverdienstkreuz, das ihr 1996 verliehen wurde (am Bande). Schwarzer wählt sich die Show-Termine sehr bewusst, wegen Emma. Sie ist ein wenig so, wie der Zettel in Shakespeares Sommernachtstraum, der alle Rollen spielen will oder muss; auch die der Fachfrau für die Public Relations. Sie macht Werbung nicht nur für sich und ihre jeweils neuen Bücher, sondern für das Kind Emma. Und wenn es gut für Emma ist, lässt sie die Öffentlichkeit auch schon mal wissen, dass sie sehr wohl an Mode interessiert ist, teure Designerkleider trägt, auch Parfum benützt Y von Yves Saint Laurent übrigens und hin und wieder sogar in Pumps steigt, obwohl sich doch in flachen Schuhen viel beherzter auftreten lässt.
Über die unveränderte Bedeutung des kleinen Unterschieds muss selbstverständlich auch geredet werden. Schwarzers neuestes Buch heißt Der große Unterschied. In ihm zieht sie Bilanz. Was hat sich getan im Geschlechterkampf? Ihr Verdacht, dass der Anspruch auf Gleichheit allenfalls Lippenbekenntnis ist, ein Zugeständnis, das die political correctness erfordert, das aber eher folgenlos blieb für die politische Realität, ist wohl nicht falsch. Man gestehe zwar den Frauen Räume zu, die ihnen bisher verschlossen waren, lasse sie sich wiegen im Gefühl, etwas erreicht zu haben und zieht sich zurück ins Kaminzimmer, dorthin, wo Männer beim Kungeln und Aushandeln von Führungsposten unter sich sind, beschreibt Schwarzer die Strategie der Machterhaltung.
Trotzdem: Wirkungslos war weder der Protest der Frauen noch der von Emma. Frauenhäuser, um die Ende der Siebziger noch Glaubenskämpfe geführt wurden, gibt es heute im bigottesten Provinznest. Die Vergewaltigung der Frau in der Ehe ist nicht mehr Recht des Mannes, sondern ein Verbrechen, und immerhin schon ein Drittel der Männer sind davon überzeugt, dass Frauen zu Recht auf Gleichberechtigung bestehen, resümiert Alice Schwarzer.
Ganz so trübe ist die Bilanz also nicht. Deshalb darf die Redaktion auch hemmungslos den 25. Geburtstag von Emma feiern. Wo steht noch nicht fest, sagt Alice Schwarzer. Vielleicht beim Italiener, oder sie kocht selbst: französisch.