@Andi - Re: ein wirklich schlechter Artikel ...
Als Antwort auf: ein wirklich schlechter Artikel ... von Andi am 31. August 2005 21:12:
Hallo Andi!
Hallo Ekki
Ich finde den Artikel eher misslungen:
1. Die Schuld an der sich aktuell abzeichnenden Rentenproblematik wird einseitig den Jüngeren zugeschoben - denn die haben ja nur wenig Kinder bekommen.
Dass die gesellschaftlichen Zustände von der jetzigen Rentnergeneration gezielt so gestaltet worden sind, dass Kinder zu bekommen ein viel zu hohes Risiko geworden ist und dass es durch die von der Rentnergeneration ausgelöste Werteverschiebung/Werteauflösung kaum noch möglich ist, einen verlässlichen Partner zu finden, wird absichtsvoll übersehen.
Ich stimme Dir zu, daß diese Punkte in Raffelhüschens Ausführungen keine Rolle spielen. Mit der Unterstellung der Böswilligkeit wäre ich vorsichtig - schließlich äußerte sich Raffelhüschen als Ökonom in einer entsprechenden Fachzeitschrift. Aber ist ja auch egal - ich will lieber kurz auflisten, was mir an dem Artikel gefallen hat und was nicht.
Eines vorweg:
Ich bin durchaus bereit, einen Artikel auch dann als "hervorragend" zu qualifizieren, wenn ich zu dem Schluß komme, daß stringent und nachvollziehbar argumentiert wird. Tatsache ist aber auch: Es gibt zu jedem Problem unterschiedliche Standpunkte, und jeden von ihnen kann man auf nachvollziehbare Weise begründen. Daß nicht jeder jeden Standpunkt teilen muß - das steht auf einem anderen Blatt.
Und nun zu den einzelnen Aspekten des Artikels.
1) Ich finde es verdienstvoll, daß Herr Raffelhüschen gleich an 3 Stellen mit Nachdruck darauf hinweist, daß Menschen nicht aus ökonomischen Gründen Kinder bekommen:
Allerdings sollten wir uns über eines im Klaren sein: Kinderkriegen hat nichts mit Kindergeld zu tun. Eltern bekommen Kinder aus anderen Gründen. Deshalb sollte man sich auch nicht zu viel Hoffnung machen, dass der Staat mit Geld viel ausrichten kann.
Wir kennen zahlreiche Länder, die trotz deutlich geringerer Zuwendungen für Familien gleichwohl statistisch mehr Kinder ausweisen.
Denn Kinder bekommt man eben nicht aus ökonomischen Gründen. Wichtig ist die Erkenntnis, dass eine Gesellschaft von ihren Kindern lebt. Eine Gesellschaft ohne Kinder ist nichts anderes als eine Ansammlung von Zombies.
Vermißt habe ich allerdings ein Eingehen darauf, warum man sich denn nun zu Kindern entschließt. Hier dürfte allerdings mein Eingangsstatement zu Deinem Vorwurf des "absichtsvollen Übersehens" wieder greifen.
2) Ich glaube nicht, dass man durch finanzielle Zuwendungen Frauen dazu bringt, Kinder zu bekommen, sondern durch die Tatsache, dass sich Kinder in den Alltag integrieren lassen. ... Für die Betreuung von Kindern haben wir im Grunde ein Überangebot. Viele Kindergartenplätze bleiben unbesetzt, weil es schlicht an Kindern fehlt. Das Angebot ist falsch strukturiert. Es gibt zu viele kurzfristige Unterbringungsmöglichkeiten und zu wenig Ganztageskindergärten.
Hier hätte ich vor allem einen Einwand:
Allein schon die Tatsache, daß Herr Raffelhüschen nur die Frauen dazu "bringen zu müssen" glaubt, Kinder zu bekommen, ist empörend. Männer[/u] haben, verdammt noch mal, auch eine Meinung (oder besser gesagt: viele verschiedene Meinungen) zu der Problematik, und die müssen genauso berücksichtigt werden wie die Meinung(en) der Frauen.
Ob die Ganztagsbetreuung ein Ausweg oder lediglich eine neue Sackgasse ist, wird sich weisen müssen.
3) Das wird uns gleichwohl die Babyboom-Jahre nicht zurückbringen. Von diesem Gedanken müssen wir uns verabschieden. Eine Gesellschaft wie die unsere wird immer wenig Kinder haben.
Interessant und mutig! Endlich mal einer, der nicht bloß nach Babygeplärr plärrt, sondern sich der Tatsache einer geringen Geburtenzahl stellt.
Auch hier hätte mich allerdings interessiert, worauf Herr Raffelhüschen seine Prognose gründet.
4) Das Elterngeld ist ja im Prinzip nichts anderes als die skandinavische Regelung einer Lohnersatzfunktion. Sie hat sicherlich vieles Gutes. Sie hat allerdings auch gezeigt, dass man - wie zum Beispiel in Norwegen - unter Umständen über viel Öl verfügen muss, um das zu finanzieren. Davon sind wir weit entfernt. Wir sollten uns von utopischen Vorstellungen, die schlicht nicht finanzierbar sind, jetzt im Wahlkampf nicht blenden lassen.
Auch dies ein sehr interssanter Aspekt, der bei diesem Thema nur selten zur Sprache kommt:
Reichtum an natürlichen Ressourcen ermöglicht auch eine Familienpolitik, die sonst undenkbar wäre.
5) mm.de: Sie haben unlängst erklärt, dass die langfristigen Probleme der gesetzlichen Rentenversicherung mit dem Nachhaltigkeitsfaktor und anderen Instrumenten der vergangenen Jahre im Grunde erledigt seien. Dennoch empfehlen Sie auf kurze Sicht eine geringe Erhöhung des Rentenbeitrages, eine Rentenkürzung oder zumindest Nullrunden und eine Erhöhung des Renteneintrittsalters auf 67 Jahre. Warum?
Raffelhüschen: Wir müssen da unterscheiden: Die Erhöhung der Lebensarbeitszeit hat vor allem eine Langfristkomponente. Das ist ein demographischer Faktor, den wir noch brauchen, um die Rentenversicherung langfristig stabil zu machen. Mit einem Renteneintrittsalter von 67 hätten wir dieses Ziel auch erreicht.
Die anderen beiden Punkte haben mit der demographischen Problematik nichts zu tun.[/u] Sie hängen damit zusammen, dass die Politiker in den vergangenen Jahrzehnten die zur Abfederung des konjunkturellen Zyklus' notwendige Schwankungsreserve in der Rentenversicherung systematisch nach unten getrieben haben. Die gesetzliche Rentenversicherung verfügte früher über drei Monatsausgaben als Reserve. Heute ist diese Reserve quasi nicht mehr vorhanden, das ganze Tafelsilber ist verkauft ...
mm.de: ... und die Rentenkasse muss zum Ende des Jahres einen Kredit aufnehmen.
Raffelhüschen: Das ist der Punkt. Nur hat dies nichts mit der Bevölkerungsentwicklung, sondern mit den Fehlern der vergangenen Jahrzehnte zu tun. Um diese Fehler auszubügeln, müssen wir das Rentenversicherungssystem von seiner Konjunkturabhängigkeit befreien. Das können wir nur, wenn der Staat die Schwankungsreserve wieder aufbaut. Die damit einhergehende Belastung sollte gleichmäßig auf die Schultern der Rentner und Erwerbstätigen verteilt werden.
Hervorragend herausgearbeitet, in welchen Teilen die Ebbe in den Rentenkassen auf das generative Verhalten zurückzuführen ist, und in welchen Teilen auf ganz andere Faktoren!
6) Raffelhüschen: Solange der Mensch egoistisch denkt - und Leute ohne Kinder würde ich eher zu egoistisch Denkenden zählen -, solange der Mensch also nicht altruistisch an zukünftige Generationen denkt, solange ist das ein polit-ökonomisches Problem.
Deshalb sollten die Politiker aufhören, den Menschen Sand in die Augen zu streuen und stattdessen klar formulieren, was auf die Bürger dieses Landes zukommt. Sie müssen der jüngeren Generation den Spiegel vorhalten. Denn sie ist es schließlich, die nicht ausreichend Kinder in die Welt gesetzt hat.
Hier teile ich Deine Kritik: Zuerst wird das Geschlechterverhältnis zerdeppert, und dann sollen die davon Geschädigten noch einmal bestraft werden.
Naja - mit dem Forenthema hat das nur am Rande zu tun. Was hat Dir an dem Artikel gefallen?
Letzeres habe ich dargelegt.
Was den Bezug zum Forenthema betriff, den so glaube ich, daß alle Aspekte der Geschlechterproblematik ineinandergreifen, ökonomische wie nicht-ökonomische. Dein Eingangsstatement:
Dass die gesellschaftlichen Zustände von der jetzigen Rentnergeneration gezielt so gestaltet worden sind, dass Kinder zu bekommen ein viel zu hohes Risiko geworden ist und dass es durch die von der Rentnergeneration ausgelöste Werteverschiebung/Werteauflösung kaum noch möglich ist, einen verlässlichen Partner zu finden, wird absichtsvoll übersehen.
zielt ja im Grunde genommen in eben diese Richtung.
Einen schönen Abend wünscht
Andi
Gleichfalls!
Ekki
gesamter Thread:
- Hervorragender Artikel ... -
Ekki,
31.08.2005, 12:01
- Re: Hervorragender Artikel ... -
Flint,
31.08.2005, 15:31
- Re: Hervorragender Artikel ... -
Moni,
31.08.2005, 16:53
- Re: Hervorragender Artikel ... - Flint, 01.09.2005, 18:40
- Re: Hervorragender Artikel ... -
Moni,
31.08.2005, 16:53
- ein wirklich schlechter Artikel ... -
Andi,
01.09.2005, 00:12
- @Andi - Re: ein wirklich schlechter Artikel ... -
Ekki,
01.09.2005, 21:01
- Re: ein wirklich schlechter Artikel ... - Andi, 02.09.2005, 09:36
- @Andi - Re: ein wirklich schlechter Artikel ... -
Ekki,
01.09.2005, 21:01
- Re: Hervorragender Artikel ... -
Flint,
31.08.2005, 15:31