Wieviel «Gleichberechtigung» verträgt das Land?

Archiv 1 - 20.06.2001 - 20.05.2006

67114 Postings in 8047 Threads

[Homepage] - [Archiv 1] - [Archiv 2] - [Forum]

"In der Geschichte der Giftmorde spielen Frauen zweifelsohne die Hauptrolle" ...

Sven, Monday, 25.07.2005, 21:40 (vor 7441 Tagen)

Erbschaftspulver und tödliche Pralinen

Die Apothekerin Erika Eikermann hat am Medizinhistorischen Institut Bonn die "toxikologische Herausforderung" gesucht und über Giftmischerinnen und Giftmörderinnen promoviert

Von Ulrike Strauch

Bonn. Als die Bayer-Werke 1947 ein neues Insektizid namens "E 605 forte" auf den Markt brachten, hätte wohl niemand glauben wollen, dass ausgerechnet ein Pflanzenschutzmittel neben dem seit Jahrhunderten berühmt-berüchtigten Arsen zum Klassiker für Giftmörder einerseits und Pathologen andererseits avancieren würde.

Doch eine 27-jährige Hausfrau aus Rheinland-Pfalz - von ihrem betrunkenen und brüllenden Ehemann entnervt - sollte die Chemiker aus Leverkusen nur allzu bald eines Besseren belehren.

Und somit ein weiteres Beispiel für eine Statistik liefern, mit der Kriminologen und Gerichtsmediziner von jeher vertraut sind: Denn in der Geschichte der Gifte und Giftmorde spielen Frauen zweifelsohne die Hauptrolle. Und nicht nur Krimiautorinnen beherzigen die Tatsache, dass ihre Geschlechtsgenossinnen im Allgemeinen raffinierter und mit deutlich geringerem Blutvergießen zu morden pflegen.

Das liegt natürlich einerseits an ungleich verteilten Körperkräften, die von vornherein zu einem subtileren Vorgehen zwingen. Und es hat darüber hinaus auch noch andere kulturhistorische Hintergründe, wie die Apothekerin Erika Eikermann jetzt in ihrer Doktorarbeit am Medizinhistorischen Institut der Universität Bonn dargelegt hat.

"Giftmischerinnen - Eine toxikologische Herausforderung" lautet der Titel ihrer Dissertation und bezieht damit die Experten auf der anderen Seite mit ein.

Dienten Giftmorde aller Art doch auch als Schrittmacher für den Fortschritt auf wissenschaftlichen Gebiet. An das perfekte Verbrechen zu glauben, ist heutzutage jedoch naiver denn je. Sind doch laut Eikermann "letztlich alle diese Taten nachweisbar - es bleibt lediglich eine Frage der Zeit".

Anfang der 50er Jahre konnte die Täterin allerdings zunächst noch recht unbehelligt zu Werke gehen. Das seinerzeit im Samen- und Düngemittelhandel frei verkäufliche E 605, das eigentlich dem Gießwasser beizumischen war, landete zunächst als halbe Ampulle im Hundefutter, bevor sie ihrem Gatten eine ganze Dosis in die Milch und später dem misstrauisch gewordenen Schwiegervater dieselbe Menge in den Joghurt rührte.

Die Wirkung war in allen Fällen gleich: Von Übelkeit über Schwindel und krampfartige Schmerzen bis zum Exitus. Das Pestizid hatte also tatsächlich ebenso schnell und gründlich gewirkt wie vom Hersteller zur Vernichtung von allerlei fliegenden und krabbelnden Schädlingen versprochen.

Das "Jahrhundertverbrechen" der Jahre 1952 bis 1954 hat Kriminalgeschichte geschrieben. Wobei der Tod einer Freundin, die von mit E 605 vergifteten Cognac-Pralinen genascht hatte, aus Sicht der Täterin eher ein bedauerlicher Unfall war.

Galt der Anschlag doch ursprünglich der Mutter der Freundin, die angesichts der jüngsten Todesfälle im Bekanntenkreis ganz gezielt Verdacht geschöpft hatte.

Bemerkenswert ist aus Sicht Eikermanns aber auch die Tatsache, dass die Frau, die den Grundstein für die spätere tödliche Karriere von E 605 als "Modegift" legte, keinesfalls zu denen gehörte, die bis dahin nach allgemeinem Vorurteil am ehesten Gelegenheit zum Giftmord und Zugang zur Tatwaffe hatten - Ärztinnen, Altenpflegerinnen, Hebammen, Krankenschwestern und vor allem Apothekerinnen.

Die Geschichte der Giftmorde reicht bis in die Antike. So genossen Messalina und Agrippina unter ihren Zeitgenossen einen äußerst zweifelhaften Ruf. "Salonfähig" war die Giftmischerei vor allem während der Familienkriege der Renaissance, wofür Namen wie Lucrezia Borgia und Caterina Sforza stehen. Auch Caterina und Maria Medici - die einflussreichen Gattinen französischer Könige - standen diesbezüglich unter beinahe ständigem Verdacht.

Von Italien aus ging die verhängnisvolle "Kunst" bald auf ganz Mitteleuropa über. Bekanntester deutscher Fall aus der Neuzeit ist Gesche Gottfried (1785-1831) aus Bremen, die ihre gesamte Familie auslöschte und auf deren Konto rund 20 Giftmorde gehen. Ungleich schwerer war für Mediziner der Nachweis zu führen, dass ihre Opfer keines natürlichen Todes gestorben waren.

...

Quelle: http://www.general-anzeiger-bonn.de/index_frameset.html?/news/artikel.php?id=92388

powered by my little forum