Erfolgreiche Verfassungsbeschwerde in Sachen Görgülü
Erfolgreiche Verfassungsbeschwerde
gegen Ausschluss des Umgangsrechts in Sachen Görgülü
In einem zwischenzeitlich über 5 Jahre dauernden Umgangsstreit zwischen
einem Vater und den Pflegeeltern seines nichtehelich geborenen Sohnes
hat das Bundesverfassungsgericht erneut zugunsten des Vaters
entschieden. Dessen Verfassungsbeschwerde (Vb) gegen die Entscheidung
des 14. Senats des Oberlandesgerichts (OLG) Naumburg, die ihn in
Abänderung der vom Amtsgericht (AG) Wittenberg vorläufig getroffenen
Umgangsregelung von seinem Umgangsrecht ausschließt, war überwiegend
erfolgreich. Das Bundesverfassungsgericht hatte in dieser Sache bereits
am 28. Dezember 2004 eine einstweilige Anordnung erlassen, die dem
Beschwerdeführer bis zur Entscheidung über die Vb den Umgang mit seinem
Kind ermöglicht (Pressemitteilung Nr. 117/2004 vom 29.12.2004). Die 1.
Kammer des Ersten Senats stellte nun im Rahmen der
Hauptsacheentscheidung fest, dass der Umgangsausschluss durch das OLG
willkürlich das Recht des Bf auf den gesetzlichen Richter sowie sein
Elternrecht verletzt, da das OLG zu einer Abänderung der
amtsgerichtlichen Umgangsregelung nicht befugt war. Insoweit wurde der
Beschluss des OLG aufgehoben. Es verbleibt damit bei der vorläufigen
Umgangsregelung des AG Wittenberg.
Sachverhalt:
Der Beschwerdeführer (Bf), der Vater eines 1999 nichtehelich geborenen,
bei Pflegeeltern lebenden Kindes ist, bemüht sich seit Jahren in
verschiedenen gerichtlichen Verfahren um die Übertragung des Sorgerechts
und die Einräumung eines Umgangsrechts. Auf seine Individualbeschwerde
stellte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) im Februar
2004 fest, dass der Ausschluss des Umgangs eine Verletzung der
Europäischen Menschenrechtskonvention darstelle. Dennoch versagte der
14. Senat des OLG Naumburg dem Bf die Wahrnehmung des Umgangsrechts.
Nach weiteren rechtlichen Auseinandersetzungen räumte das Amtsgericht
Wittenberg im Wege der einstweiligen Anordnung dem Bf ein Umgangsrecht
mit seinem Sohn ein.
Der 14. Senat des OLG Naumburg änderte im Rahmen einer
zwischenzeitlich gegen das AG erhobenen Untätigkeitsbeschwerde - die
einstweilige Anordnung des AG jedoch wieder ab und schloss den Umgang
zwischen dem Bf und seinem Kind bis zur abschließenden Entscheidung des
AG aus. Die gegen die Entscheidung des OLG erhobene Vb, der der Erlass
einer einstweiligen Anordnung durch das Bundesverfassungsgericht
vorausging, hatte Erfolg.
Der Entscheidung liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zu Grunde:
1. Das OLG hat die Umgangsregelung des AG zum Nachteil des Bf
abgeändert, ohne nachvollziehbar zu begründen, warum es dazu im
Verfahren der Untätigkeitsbeschwerde befugt ist. Das mit einer
Untätigkeitsbeschwerde angerufene Gericht darf ausschließlich die
Untätigkeit des erstinstanzlichen Gerichts überprüfen. Bei Begründetheit
der Untätigkeitsbeschwerde kann das erstinstanzliche Gericht nur
angewiesen werden, dem Verfahren Fortgang zu geben. Zu einer Abänderung
einer erstinstanzlichen Entscheidung, wie dies vorliegend geschehen ist,
ist das Gericht dagegen nicht befugt. Außerdem hat das Gericht die
Regelungen der Zivilprozessordnung umgangen, wonach eine vom AG
erlassene einstweilige Anordnung zum Umgangsrecht unanfechtbar ist.
Damit hat sich das OLG willkürlich vom Grundsatz des gesetzlichen
Richters entfernt.
2. Darüber hinaus hat das Gericht das Urteil des EGMR nicht hinreichend
beachtet, wonach dem Bf ein Umgang mit seinem Kind einzuräumen ist.
Anstatt auf die Realisierung eines Umgangsrechts hinzuwirken, hat das
OLG unter Verstoß gegen die Bindung an Gesetz und Recht ein bereits (vom
AG) angeordnetes Umgangsrecht unterbunden und damit einen
konventionsgemäßen Zustand aufgehoben. Zwar wäre das OLG bei der
rechtlichen Würdigung nicht an die Entscheidung des EGMR gebunden
gewesen. Dies kann jedoch nur bedeutsam werden, wenn das Gericht für
eine Sachentscheidung zuständig war. Dies war hier aber nicht der Fall.
Anzumerken ist, dass der Vortrag der Pflegeeltern, wonach die zu
erwartende Adoption dem Umgang entgegenstehe, eine Abweichung von der
Entscheidung des EGMR nicht rechtfertigt. Das von den Pflegeeltern
bislang gezeigte Verhalten lässt vielmehr Zweifel aufkommen, ob die von
ihnen gewünschte Adoption aus Kindeswohlgesichtspunkten überhaupt
angezeigt wäre.
Beschluss vom 10. Juni 2005 1 BvR 2790/04
Karlsruhe, den 23. Juni 2005
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ChrisTine,
23.06.2005, 22:16
- Re: Erfolgreiche Verfassungsbeschwerde in Sachen Görgülü - Krischan, 26.06.2005, 13:54