Wieviel «Gleichberechtigung» verträgt das Land?

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Weniger Vaterschaftstests

Odin, Tuesday, 14.06.2005, 16:44 (vor 7482 Tagen)

Biotechnologie
Weniger Vaterschaftstests: Humatrix AG leidet unter Urteil

08. Juni 2005 Bei der Frankfurter Humatrix AG, die durch ihre Vaterschaftstests bekannt wurde, ist der Umsatz in den vergangenen Monaten um fast ein Drittel zurückgegangen. Der Vorstandsvorsitzende Tobias Gerlinger macht ein Urteil des Bundesgerichtshofs vom Januar für die negative Entwicklung verantwortlich. Auch für die Zukunft von Humatrix seien die Entscheidungen der Gerichte und des Gesetzgebers von größter Bedeutung. Im Falle einer weiteren Verschlechterung der Rahmenbedingungen werde das Unternehmen wahrscheinlich ins Ausland umziehen, sagt Gerlinger.

Die Humatrix AG verdient ihr Geld mit High-Tech. Männer, die befürchten, „Kuckuckskinder” aufzuziehen, können sich heimlich Haare oder gebrauchte Pflaster ihrer mutmaßlichen Kinder besorgen und an die Firma schicken. Diese schafft dann mit aufwendigen gentechnischen Analyseverfahren Klarheit. Doch dieses Geschäft bewegt sich nicht nur in technologischer Hinsicht in neuen Bahnen. Auch die rechtlichen Grundlagen des genetischen Vaterschaftstests sind jung und im Grunde noch in der Entstehung.

„Entscheidung in der Öffentlichkeit falsch verstanden”
Ein Haar des Kindes reicht: Vaterschaftstest

Im Januar beschloß der Bundesgerichtshof, daß Gerichte heimlich vorgenommene Tests nicht als Beweis einer Vaterschaft akzeptieren dürfen. Die Karlsruher Richter hatten befunden, daß die Untersuchung des Genmaterials eines anderen Menschen gegen dessen Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung verstoße, wenn sie ohne dessen ausdrückliche Zustimmung vorgenommen werde. „Für unser Geschäft hatte das negative Konsequenzen”, sagt Gerlinger. Er vermutet, daß die Entscheidung des Gerichtshofes in der Öffentlichkeit oft falsch verstanden wurde. Tests, die von Vater und Mutter einvernehmlich beschlossen worden seien, hätten nach wie vor Beweiskraft vor Gericht. Außerdem blieben heimlich vorgenommene Vaterschaftstests weiterhin legal.

Wenn es nach dem Willen von Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) geht, wird sich dies allerdings ändern. In das Gendiagnostikgesetz, das den Umgang mit genetischen Daten regeln soll, soll nach ihren Vorstellungen ein Verbot heimlicher Vaterschaftstests aufgenommen werden.

Sollte es soweit kommen, könnte indes die Humatrix aus Frankfurt wegziehen. „Es würde dann sehr sinnvoll erscheinen, unseren Sitz ins Ausland, beispielsweise ins liberalere Holland, zu verlagern”, sagt Gerlinger. Der größte deutsche Testanbieter würde über Nacht eine wichtige Geschäftsgrundlage verlieren. Die Weiterbeschäftigung der zehn festen Mitarbeiter im Stadtteil Fechenheim sei dann gefährdet, erläutert der Humatrix-Chef.

Mit dem Unternehmen würden womöglich auch zukunftsträchtige Produktneuheiten ins Ausland abwandern. Derzeit arbeitet man an Analyseverfahren für die genetische Veranlagung von Krankheiten. Dort liegt Gerlinger zufolge „das Geschäft der Zukunft”. Er erwarte einen riesigen Markt.

Gentechnische Möglichkeiten werfen Fragen auf

Doch auch die Größe dieses Marktes wird vom Gesetzgeber abhängen. Er muß die ethischen Fragen beantworten, die durch die neuen gentechnischen Möglichkeiten aufgeworfen werden. Etwa, ob Versicherungen ihre Kunden verpflichten dürfen, ihnen ein genetisches Gesundheitsprofil zu überlassen.

Gerlinger hofft auf einen Wahlsieg von Union und FDP, sollten die Bundestagswahlen vorgezogen werden. Er vermutet, daß Schwarz-Gelb eine liberalere Version des Gendiagnostikgesetzes beschließen wird als die jetzige Regierung. Indes: Heimliche Vaterschaftstests werden wohl niemals vollständig zu verhindern sein. In Frankreich, sagt Gerlinger, seien private Tests dieser Art seit 1998 verboten. Trotzdem seien von dort aus Humatrix natürlich schon Proben zugeschickt worden. Solange es zweifelnde Väter gebe, werde es auch ein Interesse an Vaterschaftstests geben, vermutet Gerlinger.

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