Wieviel «Gleichberechtigung» verträgt das Land?

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Wann wird man in Deutschland frei reden dürfen?

Ridcully, Thursday, 09.06.2005, 21:27 (vor 7487 Tagen)

Ich bin erst seit relativ kurzer Zeit in diesem Forum aktiv. Es erstaunte und erfreute mich, so eine Möglichkeit des Herrschafftsfreien oder vielmehr political-correctness-Freien Diskurses zu finden.
Ich muss aber auch feststellen, dass sich viele der Beiträge sehr in Details und Fällen verlieren( Was auch OK ist) und die großen Fragen verlorengehen.

Eine für mich überaus bedeutsame Frage ist, wann und ob es in Deutschland möglich sein wird über Geschlechterfragen offen zu reden. Es scheint mir, dass das bisher nur sehr eingeschränkt oder in kleinem Kreise möglich ist. In einem Beitrag hier schrieb mir jemand, dass linke Diskussionsgruppen an der Uni nicht repräsentativ wären.
Ich bemerke aber, dass die Offenheit für feminismuskritische Positionen ganz systematisch mit einigen Faktoren variiert. Da ist zunächst die Gruppengröße. Je größer die Gruppe, desto mehr beruft man sich auf pc und stereotype Diskussionsmuster, statt offen zu sein. Der zweite Faktor ist die Bildungsnähe. In bildungsferneren Kreisen ist eher eine klare - und auch das muss man zugeben - konservative Diskussion der Geschlechterrollen angesagt. Dass aber gerade an den Unis, wo die Bildung erzeugt und verbreitet wird der "politisch korrekte" Diskurs und gerne auch feministische Positionen ihre Verbreitung finden,finde ich beunruhigend! ich habe selbst die Erfahrung machen müssen, dass da ein Referat von mir runtergemacht wurde, weil ich ein Mann bin.

Kurz gesagt, die feministische Diskussionshoheit über Geschlechterfragen besteht. Diese ergeht sich in der perfiden Rhetorik, dass JEDE Verallgemeinerung über Frauen Sexismus sei, und man das ja nicht verallgemeinern könne, "denn ich habe eine Freundin die...", während Männer als schwanzgesteuerte Idioten, die gefühllos sind zu bezeichnen offenbar als wenig sexistisch gilt. Nach dem Motto:" Wir wissen ja wie die Männer sind!" Zwinker,zwinker...
Wenn man zu Frauenkritische Positionen bringt wird man gefragt, ob man es denn gut finde, wenn Frauen vergewaltigt,misshandelt oder benachteiligt werden?

Ich frage also: Wie groß ist die Chance, dies Deutungsmonopol zu durchbrechen?
Wie kann das gelingen, wenn über allein paar Idiologinnen sitzen?
Was kann man tun?

Einfach anfangen. Sie werdens überleben.

Krischan, Thursday, 09.06.2005, 22:44 (vor 7487 Tagen) @ Ridcully

Als Antwort auf: Wann wird man in Deutschland frei reden dürfen? von Ridcully am 09. Juni 2005 18:27:

Hallo Ridcully,
ich finde, es ist an der höchsten Zeit, aufzuhören darauf zu warten, daß uns irgendwas gegeben wird, sondern daß wir anfangen, zu nehmen. In diesem konkreten Falle meine ich, wir können nicht mehr warten, unbequeme Dinge aussprechen zu dürfen, noch können wir Argumente brigen, um das Recht zu bekommen, es zu tun. Was wir können und was wir müssen ist: es ganz einfach zu tun.
Wenn ich den Feminismus kritisiere und irgendeine niedersächsische Provinzpolitikerin kommt daher und beschimpft mich als Frauenfeind, was solls? Nicht nur ich selbst habe diesen Vorwurf als dummen Diffamierungsversuch entlarvt. Und da draußen sind genug Leute, die das genauso täten.
Es ist möglich, in D-land über Geschlechterfragen zu reden. Allein es traut sich keiner. Warum? Weil ein jeder auf die höfliche Erlaubnis wartet und keiner anfängt, es einfach zu tun. Haben die Bürgerbewegungen in der DDR auf höfliche Erlaubnis der SED gewartet, haben sie wenigstens brav darum gebeten? Nein, sie haben es ganz einfach getan. Denn sonst wäre die SED noch heute an der Macht.
Wir können uns einfach nicht mehr erlauben, noch länger was auf dieses PC-Getue zu geben. Wir können es tun! Wer sollte uns daran hindern? Sollen wir uns von ein paar dahergelaufenen Handfegern das Wort verbieten lassen? Wofür halten wir sie eigentlich, daß wir ausgerechnet denen die Definitionsmacht darüber geben, was politisch zugelassen ist und was nicht. Was haben sie außer einem ausgeleierten Mundwerk aus dem nur Dummfug läuft, das aber kannenweise? Klar, die Entscheidungsträger nehmen sie ernst. Warum? Weil sie gar nichts anderes zu Gehör kriegen. Weil die anderen noch immer weiter brav darauf warten, das Wort erteilt zu bekommen, worauf sie warten können bis sie schwarz werden. Wer nur spricht, wenn ihm das Wort erteilt wird, hält die Klappe bis ins Grab.
Sollen sie uns doch fragen, ob wir wollen, daß Frauen vergewaltigt werden. Was beißt es uns. Das ist gut. Damit wissen wir schon, mit wem wir unsere Zeit nicht zu verschwenden brauchen, einen Dialog zu suchen, den sie sich mangels Fakten und Argumenten ohnedies nicht erlauben können.
Sollen sie Männer doch als schwanzgesteuert beschimpfen. Das hilft uns, die Spreu vom Weizen zu trennen. Das Verallgemeinern haben wir auch gar nicht nötig. Wir haben nämlich Fakten zur Verfügung. Und ein Rückgrat. Solange wir nicht tatsächlich frauenfeindlich rumprollen, solange wir nicht zum männlichen Pendant des Schwarzer-Feminismus werden, können wir sagen was wir sagen wollen. Ob wir es dürfen oder nicht, das tut nichts zur Sache. Auch in Leipzig wurde jeden Montag gegen Gesetze verstoßen. Und? Raus mit der Sprache, die zarten Seelchen draußen werden schon nicht dran zerbrechen und wer für Argumente offen ist wird damit umgehen können. Wir wollen die Leute doch zum Umdenken bewegen. Das geht nur indem wir Klartext sprechen. Und zu diesem Klartext gehört übrigens auch dies:

Den Feminismus zu bekämpfen ist keine Frauenfeindlichkeit. Es ist vielmehr für alle Geschlechter ein legitimer Akt der Selbstverteidigung.

Gruß, Krischan

Re: ...in Deutschland frei reden dürfen? Ab sofort ;-)

Eugen Prinz, Thursday, 09.06.2005, 23:14 (vor 7487 Tagen) @ Ridcully

Als Antwort auf: Wann wird man in Deutschland frei reden dürfen? von Ridcully am 09. Juni 2005 18:27:

Dass aber gerade an den Unis, wo die Bildung erzeugt und verbreitet wird der "politisch korrekte" Diskurs und gerne auch feministische Positionen ihre Verbreitung finden,finde ich beunruhigend! ich habe selbst die Erfahrung machen müssen, dass da ein Referat von mir runtergemacht wurde, weil ich ein Mann bin.
Kurz gesagt, die feministische Diskussionshoheit über Geschlechterfragen besteht. Diese ergeht sich in der perfiden Rhetorik, dass JEDE Verallgemeinerung über Frauen Sexismus sei...>Wenn man zu Frauenkritische Positionen bringt wird man gefragt, ob man es denn gut finde, wenn Frauen vergewaltigt,misshandelt oder benachteiligt werden?
Ich frage also: Wie groß ist die Chance, dies Deutungsmonopol zu durchbrechen?
Wie kann das gelingen, wenn über allein paar Idiologinnen sitzen?
Was kann man tun?

Ich habe auch den Eindruck, dass an den Fachhochschulen, Unis und sogar schon an Schulen bewusst ein Klima der Angst erzeugt wird. Das muss nicht verwundern, schließlich sitzt in jeder dieser Einrichtungen eine "Blockwartin des Feminismus" sprich: eine Frauenbeauftragte. Es kommt überhaupt nicht darauf an, dass sie tätig wird, es reicht aus, dass sie die Möglichkeit dazu hat, um diese Einschüchterung zu erzeugen. Plötzlich fangen Dozenten an, bestimmte Dementis, Reinigungseide, Ausschlussformeln herunterzubeten, ohne überhaupt gefragt worden zu sein: "Das geht natürlich nicht gegen Frauen..." "Womit natürlich ausdrücklich auch Frauen gemeint sind..." evtl. begleitet von einem albernen Kichern. Oder Studenten sprechen bestimmte Sätze leiser und schauen sich um, ob nicht eine Frau mithören kann.

Umgekehrt wird dadurch kleinen dummen Vulgärfeministinnen der Rücken gestärkt, so dass sie unangefochten, dummdreister denn je, daher schwallen können. Sie kichern zwar auch albern, aber sie senken nicht die Stimme, denn es gibt keinen Männerbeauftragten, bei dem man sie denunzieren könnte und über dessen Tisch ihre Bewerbung als studentische Hilfskraft ginge.

Gegenmaßnahmen? Nehmen wir die Situation, dass dein Referat runtergemacht wird, weil es irgendeiner Feministin nicht gefällt.

Ich bin sehr für sozialen Frieden und sähe es lieber, wenn man solche Situationen sachlich und ruhig klären könnte. Aber auf keinen Fall würde ich inzwischen den Preis für den Frieden bezahlen, in der Form, dass ich gute Miene zum bösen Spiel mache. Wenn die anderen also Krieg wollen...

Wenn du wegen deines Referates also dumm angemacht wirst, picke dir Eine heraus. Frage sie laut nach ihrem Namen (selbst wenn du ihn kennst) und sprich sie damit an. Löse sie aus der Anonymität heraus, stelle sie blos. Das schüchtert ein - und genau das soll es! Frage sie, ob sie was gegen Männer hat, ob sie hier Stunk machen will. Frage sie, warum sie sich männerfeindlich verhält. (Es muss nicht stimmen!) Der Vorteil der öffentlichen Demontage ist unschätzbar: Die anderen ziehen nun den ... ähhh, also sie halten sich nunmehr zurück, denn in Wahrheit sind sie natürlich feige, und können überwiegend nur aus der Masse heraus stänkern.

Das sind eigentlich altbekannte fiese Tricks, mit denen schon immer "Meutereien" unterdrückt wurden, und habe sie hier nur mal exemplarisch auf die von dir geschilderte Situation angewandt habe.

Von diesen Tricks gibt es eine ganze Menge, und wir können dazu ja mal ein brainstorming veranstalten, natürlich nur soweit es opportun ist, sie öffentlich zu diskutieren.

Eugen, der Friedliebende

Re: Wann wird man in Deutschland frei reden dürfen?

Arne Hoffmann, Thursday, 09.06.2005, 23:57 (vor 7487 Tagen) @ Ridcully

Als Antwort auf: Wann wird man in Deutschland frei reden dürfen? von Ridcully am 09. Juni 2005 18:27:

(...) Ich habe selbst die Erfahrung machen müssen, dass da ein Referat von mir runtergemacht wurde, weil ich ein Mann bin.

Magst du ein bisschen genauer erzählen, was da passiert ist?

Arne

Re: Wann wird man in Deutschland frei reden dürfen?

Wodan, Friday, 10.06.2005, 02:15 (vor 7487 Tagen) @ Arne Hoffmann

Als Antwort auf: Re: Wann wird man in Deutschland frei reden dürfen? von Arne Hoffmann am 09. Juni 2005 20:57:42:

(...) Ich habe selbst die Erfahrung machen müssen, dass da ein Referat von mir runtergemacht wurde, weil ich ein Mann bin.

Magst du ein bisschen genauer erzählen, was da passiert ist?
Arne

Würde mich auch interessieren. Und in welchem Fach?
Gruß
Wodan

Re: Wann wird man in Deutschland frei reden dürfen?

Ridcully, Monday, 13.06.2005, 03:24 (vor 7484 Tagen) @ Arne Hoffmann

Als Antwort auf: Re: Wann wird man in Deutschland frei reden dürfen? von Arne Hoffmann am 09. Juni 2005 20:57:42:

(...) Ich habe selbst die Erfahrung machen müssen, dass da ein Referat von mir runtergemacht wurde, weil ich ein Mann bin.

Magst du ein bisschen genauer erzählen, was da passiert ist?
Arne

Hallo Arne!
gerne: ( denselben Text habe ich auch an Andreas geschickt)

Geschrieben von Ridcully am 13. Juni 2005 00:19:10:
Als Antwort auf: Re: Wann wird man in Deutschland frei reden dürfen? geschrieben von Andreas (d.a.) am 09. Juni 2005 23:07:

Hallo Arne!
Ich studiere Psychologie. Das bringt mit sich, in einem frauengeprägten Umfeld zu sein. Bei besagtem Referat meinte die Dozentin(ich hielt es mit zwei Mitstudentinnen, sichtlich hatte ich den größten Teil der Arbeit, des theoretischen Hintergrundes und mich auch am besten dargestellt):" Hmmm,
n` bischen mehr die Frauen auch!", womit sie meinte, dass die Frauen größeren Anteil hätten haben sollen.

Ich empfand das als unfair, weil ich eben "den Laden zusammengehalten", Verantwortung übernommen hatte. Überdies hatte ich -höflicherweise- auch darauf verzichtet meine eine Mitreferentin, die alle Theorie, die ich ihr erklärt hatte falsch erzählte, zu korrigieren, um sie nicht lächerlich zu machen.

Auf die Bemerkung der Dozentin hin meldeten sich mehrere ältere Frauen ( für mich bezeichnenderweise Ältere)und meinten "Das sie das nicht gut fänden, was ich erzählt hätte, nicht gut!" Auf meinen Hinweis, man könne vielleicht noch nicht verstandene Sachen nachlesen, keifte eine Frau "Nein, nein, das kann man nicht!"
Offenbar dachten diese Frauen, die Dozentin hätte mich durch ihre Bemerkung zum Abschuss freigegeben.

Fairerweise muss ich sagen, dass die Dozentin daraufhin, um Ausgleich bemüht relativierte, ich habe immerhin mit viel Liebe zum Thema gearbeitet, wenn auch Umfang und Ausrichtung etwas unpassend seien.

Dieser eine Fall ist allein noch wenig schockierend. Es geschah aber, dass sich bei Jedem, oder fast jedem (ca.90%) Referat eine Frau meldete, um Fundamentale Kritik zu äußern. Ich muss dazusagen, ich bekam auch viel positives Lob und viele interessierte Nachfragen. Aber nach diesem Referat, welches mein Erstes in diesem Studium wahr, habe ich angefangen darauf zu achten, wer und wie er/sie kritisiert. Ich habe quasi ein sensibles Ohr entwickelt.
Und selbst obwohl das Lob überwog, fiel mir auf, das systematisch, bei jedem einzelnen Referat sich eine Frau meldete, um fundamentale Kritik zu äußern. Das Erschreckende daran ist für mich, dass diese Kritik nie(!) sachlich fundiert war. Es waren Ausagen wie:"Finde ich nicht gut"; "Du hast da ne Statistik zitiert. Die ist bestimmt falsch!"; "Ihr habt jetzt geredet. Warum habt ihr euer Interview nicht nach den Methoden ausgewertet?" (Nachdem wir dies über eine halbe Stunde präsentiert hatten).

Auffallend war auch, dass je besser das Referat, desto heftiger die Kritik war. Bei dem ersten, wo auch die Kritik am galligsten war, hatte ich die ganze Theorie der Gestaltpsychologie, moderne Anwendungen und ein Experiment über Attraktoren, an dem alle Seminarteilnehmer beteiligt waren gemacht.
Das ging gewissen Tanten gegen den Strich. Diese Frauen benutzen eine weitere Gruppenarbeit, in die ich mit ihnen und 6 Andren geraten war, mir dann durch unterlassene Unterstützung - Mir versprechen für mich die Powerpointpresentation mitzumachen, um es dann am selben Tag im Seminar zu sagen, dass sie das "leider, leider"nicht mehr geschafft hätten - nochmal eine reinzuwürgen.

Ich bin übrigens nicht der Meinung, dass das Feministinnen waren, um gleich voreiligen Schlüssen vorzubeugen. Ich glaube vielmehr, dass sie mir als Mann in einem Umfeld, das aus 80% Frauen besteht, gute Leistungen und damit verbundene Anerkennung missgönnten. Ein kleiner Teil greift auch einfach alle an. Aber bei den meisten Kritiken spielte wohl eine Rolle, dass ich als Mann im Psychologiestudium auffiel. Da nur wenige Männer da sind, müssen sich alle negativen Gefühle auf diese wenigen Männer "entladen". Es handelt sich also eher um einen weiblichen Chauvinismus, der glaubt, ein Mann dürfe nichts besseres Leisten, als eine Frau.

Das ist natürlich völlig abartig.
Ich habe meinerseits noch keine Leistung einer Frau runtergemacht, WEIL sie eine Frau ist. Natürlich sind Dinge wie die oben geschilderten aber, wenn auch nicht von "bekennenden" Feministinnen gemacht, doch mit dem Feminismus in einem -wenn auch komplexeren - Zusammenhang. Dem nämlich, dass je mehr das Klima feministisch ist, sei es das gesellschafftlich oder das in einer spezifischen Organisation, es umso leichter und billiger ist Männer anzugreifen. Gründe finden sich immer.

Herzliche Grüße
R.

ps. Nun könnte man meinen, der Fall sei anekdotisch. Ich habe aber erfahren, dass eben jene Dozentin, welche "mehr die Frauen forderte" ein Seminar anbietet, welches eine Mischung aus Psychoanalyse und feminismus darstellt, wo die Dinge "nur aus der Sicht der Frau " verstanden werden können.
Dies erfuhr ich, da zwei Mitstudenten hinter mir im Unicafe sitzend dies vorbereiteten. Der eine blondiert und schwul, warf mir dann an den Kopf, nachdem ich einige der Thesen hinterfragt hatte:" Dann müssen eben, reaktionäre Männer wie Du beseitigt werden!"
Ich habe nichts gegen Schwule. Nur, dass dieser Ausbruch von Hass mich sonderbar berührte. Ganz neue Allianzen.

Re: Wann wird man in Deutschland frei reden dürfen?

Andreas (d.a.), Friday, 10.06.2005, 02:07 (vor 7487 Tagen) @ Ridcully

Als Antwort auf: Wann wird man in Deutschland frei reden dürfen? von Ridcully am 09. Juni 2005 18:27:

Dass aber gerade an den Unis, wo die Bildung erzeugt und verbreitet wird der "politisch korrekte" Diskurs und gerne auch feministische Positionen ihre Verbreitung finden,finde ich beunruhigend! ich habe selbst die Erfahrung machen müssen, dass da ein Referat von mir runtergemacht wurde, weil ich ein Mann bin.

Hallo, könntest Du das ein wenig näher ausführen? Was studierst Du, wenn ich fragen darf? Ich befinde mich des öfteren in vergleichbaren Situationen, es wäre sicher interessant, sich etwas darüber auszutauschen.

Herzlichen Gruß, Andreas (d.a.)

Re: Wann wird man in Deutschland frei reden dürfen?

Ridcully, Monday, 13.06.2005, 03:19 (vor 7484 Tagen) @ Andreas (d.a.)

Als Antwort auf: Re: Wann wird man in Deutschland frei reden dürfen? von Andreas (d.a.) am 09. Juni 2005 23:07:

Hallo Andreas!
Ich studiere Psychologie. Das bringt mit sich, in einem frauengeprägten Umfeld zu sein. Bei besagtem Referat meinte die Dozentin(ich hielt es mit zwei Mitstudentinnen, sichtlich hatte ich den größten Teil der Arbeit, des theoretischen Hintergrundes und mich auch am besten dargestellt):" Hmmm,
n` bischen mehr die Frauen auch!", womit sie meinte, dass die Frauen größeren Anteil hätten haben sollen.
Ich empfand das als unfair, weil ich eben "den Laden zusammengehalten", Verantwortung übernommen hatte. Überdies hatte ich -höflicherweise- auch darauf verzichtet meine eine Mitreferentin, die alle Theorie, die ich ihr erklärt hatte falsch erzählte, zu korrigieren.

Auf die Bemerkung der Dozentin hin meldeten sich mehrere ältere Frauen ( für mich bezeichnenderweise Ältere)und meinten "Das sie das nicht gut fänden, was ich erzählt hätte, nicht gut!" Auf meinen Hinweis, man könne vielleicht noch nicht verstandene Sachen nachlesen, keifte eine Frau "Nein, nein, das kann man nicht!"
Offenbar dachten diese Frauen, die Dozentin hätte mich durch ihre Bemerkung zum Abschuss freigegeben.

Fairerweise muss ich sagen, dass die Dozentin daraufhin, um Ausgleich bemüht relativierte, ich habe immerhin mit viel Liebe zum Thema gearbeitet, wenn auch Umfang und Ausrichtung etwas unpassend seien.

Dieser eine Fall ist allein noch wenig schockierend. Es geschah aber, dass sich bei Jedem, oder fast jedem (ca.90%) Referat eine Frau meldete, um Fundamentale Kritik zu äußern. Ich muss dazusagen, ich bekam auch viel positives Lob und viele interessierte Nachfragen. Aber nach diesem Referat, welches mein Erstes in diesem Studium wahr, habe ich angefangen darauf zu achten, wer und wie er/sie kritisiert. Ich habe quasi ein sensibles Ohr entwickelt.
Und selbst obwohl das Lob überwog, fiel mir auf, das systematisch, bei jedem einzelnen Referat sich eine Frau meldete, um fundamentale Kritik zu äußern. Das Erschreckende daran ist für mich, dass diese Kritik nie(!) sachlich fundiert war. Es waren Ausagen wie:"Finde ich nicht gut"; "Du hast da ne Statistik zitiert. Die ist bestimmt falsch!"; "Ihr habt jetzt geredet. Warum habt ihr euer Interview nicht nach den Methoden ausgewertet?" (Nachdem wir dies über eine halbe Stunde präsentiert hatten).

Auffallend war auch, dass je besser das Referat, desto heftiger die Kritik war. Bei dem ersten, wo auch die Kritik am galligsten war, hatte ich die ganze Theorie der Gestaltpsychologie, moderne Anwendungen und ein Experiment über Attraktoren, an dem alle Seminarteilnehmer beteiligt waren gemacht.
Das ging gewissen Tanten gegen den Strich. Diese Frauen benutzen eine weitere Gruppenarbeit, in die ich mit ihnen und 6 Andren geraten war, mir dann durch unterlassene Unterstützung - Mir versprechen für mich die Powerpointpresentation mitzumachen, um es dann am selben Tag im Seminar zu sagen, dass sie das "leider, leider"nicht mehr geschafft hätten - nochmal eine reinzuwürgen.

Ich bin übrigens nicht der Meinung, dass das Feministinnen waren, um gleich voreiligen Schlüssen vorzubeugen. Ich glaube vielmehr, dass sie mir als Mann in einem Umfeld, das aus 80% Frauen besteht, gute Leistungen und damit verbundene Anerkennung missgönnten. Ein kleiner Teil greift auch einfach alle an. Aber bei den meisten Kritiken spielte wohl eine Rolle, dass ich als Mann im Psychologiestudium auffiel. Da nur wenige Männer da sind, müssen sich alle negativen Gefühle auf diese wenigen Männer "entladen". Es handelt sich also eher um einen weiblichen Chauvinismus, der glaubt, ein Mann dürfe nichts besseres Leisten, als eine Frau.

Das ist natürlich völlig abartig.
Ich habe meinerseits noch keine Leistung einer Frau runtergemacht, WEIL sie eine Frau ist. Natürlich sind Dinge wie die oben geschilderten aber, wenn auch nicht von "bekennenden" Feministinnen gemacht, doch mit dem Feminismus in einem -wenn auch komplexeren - Zusammenhang. Dem nämlich, dass je mehr das Klima feministisch ist, sei es das gesellschafftlich oder das in einer spezifischen Organisation, es umso leichter und billiger ist Männer anzugreifen. Gründe finden sich immer.

Herzliche Grüße
R.

ps. Nun könnte man meinen, der Fall sei anekdotisch. Ich habe aber erfahren, dass eben jene Dozentin, welche "mehr die Frauen forderte" ein Seminar anbietet, welches eine Mischung aus Psychoanalyse und feminismus darstellt, wo die Dinge "nur aus der Sicht der Frau " verstanden werden können.
Dies erfuhr ich, da zwei Mitstudenten hinter mir im Unicafe sitzend dies vorbereiteten. Der eine blondiert und schwul, warf mir dann an den Kopf, nachdem ich einige der Thesen hinterfragt hatte:" Dann müssen eben, reaktionäre Männer wie Du beseitigt werden!"
Ich habe nichts gegen Schwule. Nur, dass dieser Ausbruch von Hass mich sonderbar berührte. Ganz neue Allianzen.

Re: Wann wird man in Deutschland frei reden dürfen?

Eugen Prinz, Monday, 13.06.2005, 14:56 (vor 7483 Tagen) @ Ridcully

Als Antwort auf: Re: Wann wird man in Deutschland frei reden dürfen? von Ridcully am 13. Juni 2005 00:19:

Hallo Ridcully,

das klingt ziemlich erschütternd. Da scheint sich doch einiges zum Schlechten verändert zu haben. Zur Zeit meines Studiums in Psychologie war der Umgang unter Männlein wie Weiblein ausgesprochen angenehm, respektvoll, fast kameradschaftlich, und durchaus nicht ohne gewisse erfreuliche Spannungen.

Ich bin übrigens nicht der Meinung, dass das Feministinnen waren, um gleich voreiligen Schlüssen vorzubeugen.

Das glaube ich auch nicht. Ich vermute, dass da ein aus der Verhaltensbiologie bekannter Mechanismus waltet: Je dichter eine Population, um so lauter werden die Stimmen ;-)

Es handelt sich also eher um einen weiblichen Chauvinismus, der glaubt, ein Mann dürfe nichts besseres Leisten, als eine Frau.

"weiblicher Chauvinismus" dieser Begriff sollte endlich Einzug in den Sprachgebrauch nehmen. Noch immer tarnt sich diese Attitüde mit allen möglichen Euphemismen wie Frauenpower, Mutterliebe o.ä.

ps. Nun könnte man meinen, der Fall sei anekdotisch. Ich habe aber erfahren, dass eben jene Dozentin, welche "mehr die Frauen forderte" ein Seminar anbietet, welches eine Mischung aus Psychoanalyse und feminismus darstellt, wo die Dinge "nur aus der Sicht der Frau " verstanden werden können.

Psychoanalyse und Feminismus - wenn sie dann auch noch lesbische Theologinnen sind, dann hast du die ganze Packung. Faktorenanalytisch hoch interessant, wenn für morbide Faszination begabt ist ;-)

Es würde mich mal interessieren, an welcher Uni du studierst. Womöglich gibt es da Unterschiede, je nach Ausrichtung des Faches.

Kollegialen Gruß,
Eugen

Re: Wann wird man in Deutschland frei reden dürfen?

Ridcully, Monday, 13.06.2005, 16:27 (vor 7483 Tagen) @ Eugen Prinz

Als Antwort auf: Re: Wann wird man in Deutschland frei reden dürfen? von Eugen Prinz am 13. Juni 2005 11:56:43:

Hi Eugen!
Habe zu der Zeit in Bremen studiert. Wie ich erfahren habe und auch schon in Bremen bemerkte, ist Bremen ein Umfeld, wo man tatsächlich auf die
"Geschlechtergerechtigkeit aus der richtigen Perspaktive", der der Frau nämlich, großen Wert legte.
Das zeigt sich auch an den zahlreichen Graffitis wie"Vergewaltiger, wir kriegen euch!", oder "Sie haben einen Mann zum Mond geschossen, warum nicht alle?", die seit den 70 er Jahren dort prangten, ohne dass man meinte sie entfernen zu müssen und an obskuren Veranstaltungen zum Thema "Geschlecht".

Ich habe die Uni Bremen letztes Semester, nach meinem Vordiplom verlassen. Dies war weniger den obigen Verhältnissen geschuldet, als den sonderbaren Dozenten im Fachbereich Psychologie, die sehr lustlos agieren.
Was aber auch noch- meiner Meinung nach- für die Uni Bremen kennzeichnend ist, ist das da gemäß der linken Tradition ein aufklärerisch-emanzipativer Geist mit all seinen guten und schlechten Seiten weht, zugleich aber Dozenten rumlaufen, die man tatsächlich als autoritär-machistisch bezeichnen muss.

Da laufen Dinge ab, dass man sich Prüfungen als Frau erflirten kann, was ja auch an anderen Unis passiert, Dozenten meinen, Vorlesungen dienten nur der Selbstdarstellung vor ihrem "Harem" und bügeln jede Meinung von Männern ab.
Gleichzeitig wird ein Hoch auf die Emanzipation ausgerufen. Aber vielleicht bedingen diese Dinge: Machismo und Liberalität sich auch auf perfide Weise gegenseitig.

Etwas was meine obigen, vielleicht polemisch wirkenden Behauptungen untermauert ist, dass während des Grundstudiums mein Notenschnitt bei weiblichen Dozenten exakt 1,0 betrug, bei männlichen Dozenten 3,0. Diese Differenz ist erstaunlich. Bei Frauen bekam ich immer eine 1 bei Männern oft 4 die ich als ungerecht empfand. Nun Zahlen mögen Zahlen sein, aber die miesen Noten waren oft tatsächlich persönlicher Natur und mit zynischen Sprüchen a la:"Die Note gefällt ihenen nicht. Ist ihr Selbstwertgefühl denn wirklich so niedrig?!" Und das von jemandem, der sich Psychooge nennt.

Also in Bremen gehen Feminismus und Machismo Hand in Hand.
Lustig, oder?

Grüße
Ridcully


Re: Wann wird man in Deutschland frei reden dürfen?

Eugen Prinz, Monday, 13.06.2005, 18:56 (vor 7483 Tagen) @ Ridcully

Als Antwort auf: Re: Wann wird man in Deutschland frei reden dürfen? von Ridcully am 13. Juni 2005 13:27:

Hallo Ridcully,

Was aber auch noch- meiner Meinung nach- für die Uni Bremen kennzeichnend ist, ist das da gemäß der linken Tradition ein aufklärerisch-emanzipativer Geist mit all seinen guten und schlechten Seiten weht, zugleich aber Dozenten rumlaufen, die man tatsächlich als autoritär-machistisch bezeichnen muss.

Ja, es ist immer wieder verblüffend. "aufklärerisch-emanzipativ" - das kann gelegentlich ganz schön autoritär-dogmatisch daher kommen. Das tat es auch vor 35 Jahren, nur hat heute der Feminismus noch ein paar unappetitliche Aromen hinzugefügt.

Da laufen Dinge ab, dass man sich Prüfungen als Frau erflirten kann, was ja auch an anderen Unis passiert, Dozenten meinen, Vorlesungen dienten nur der Selbstdarstellung vor ihrem "Harem" und bügeln jede Meinung von Männern ab.

Samenstau - vermutlich. Heute würde ich für so jemanden eine öffentliche Kollekte veranstalten, dass er mal zur hormonellen Adjustierung ins städtische Bordell gehen kann ;-)

Gleichzeitig wird ein Hoch auf die Emanzipation ausgerufen. Aber vielleicht bedingen diese Dinge: Machismo und Liberalität sich auch auf perfide Weise gegenseitig.

Eine interessante Perspektive! Den Mechanismus, der da waltet, würde ich gerne mal aufklären. Eine ähnliche Beobachtung habe ich gemacht, als ich mal eine Veranstaltung von "Männern gegen Männergewalt" besucht habe. Erstaunliches Aggressionspotential bei den Männer-gegen-Männergewalt-Männern. Schwanzabschneider, wo man hinschaut...

Man hat´s nicht leicht, als Mann von heute. Langweilig ist es jedenfalls nicht.

Schönen Gruß von
Eugen

Re: Wann wird man in Deutschland frei reden d&972;rfen?

Ridcully, Monday, 13.06.2005, 20:50 (vor 7483 Tagen) @ Eugen Prinz

Als Antwort auf: Re: Wann wird man in Deutschland frei reden dόrfen? von Eugen Prinz am 13. Juni 2005 15:56:36:

Hallo Eugen!

Dank für Deine interessierten Nachfragen. Ich muss aber klarstellen: Die Männer, oder vielmehr Dozenten, die sich Macho verhielten und gegen andere Männer vorgingen, waren keine feministischen Kettenhunde sondern echte Machos. Der eine äußerte sich selbst oft feminismuskritisch. Nur, dass ihn dass nicht hinderte systematisch Männer schlecht zu beurteilen und Frauen nach Aussehen. Ich will hier Niemnaden im Netz diffamieren, deshalb nur HerrX. Aber gerne hörte man: "Soundso hat Hernn X sehr gefallen", womit man eine Prüfung einer Frau und ein gutes Ergebnis meinte. Das sind schon sonderbare Kriterien. Er war gleichzeitig bekannt dafür, Männern, die auch noch so gut waren, keine Eins zu geben, wegen angeblicher Fehler.

Ich vermute aber aus einer Art Narzissmus. Er sah sich als den großen Held, der keine Nebenbuhler duldete. Auch mir gab er wiewohl ich ein Statistik-Crack war, wie meine Tutorin mir versichert hatte, nur eine 3 unter fadenscheinigen Begründungen. Ich weiß auch von ähnlichen Fällen.
Und dann das Emanzipationsgejaule mancher Dozentinnen, als Hintergrundmusik dazu.

Die Koexistenz von Feministischem Impuls und Steinzeitmachos wirft wirklich die Frage auf, wie sich das verträgt, das bremer System.

Grüße
Ridcully

Re: Wann wird man in Deutschland frei reden d&972;rfen?

Krischan, Monday, 13.06.2005, 22:51 (vor 7483 Tagen) @ Ridcully

Als Antwort auf: Re: Wann wird man in Deutschland frei reden d&972;rfen? von Ridcully am 13. Juni 2005 17:50:

Die Koexistenz von Feministischem Impuls und Steinzeitmachos wirft wirklich die Frage auf, wie sich das verträgt, das bremer System.
Grüße
Ridcully

Ich erkläre mir das folgendermaßen: Herr X hat keiner Frau ein Problem gemacht, er gibt ihnen ja gute Noten. Und Probleme haben nur Männer mit ihm. Aus diesem Blickwinkel kollidieren Machismus und Fminismus ja nicht.

Soziale Intelligenz

Ridcully, Wednesday, 15.06.2005, 19:07 (vor 7481 Tagen) @ Krischan

Als Antwort auf: Re: Wann wird man in Deutschland frei reden d&972;rfen? von Krischan am 13. Juni 2005 19:51:

Die Koexistenz von Feministischem Impuls und Steinzeitmachos wirft wirklich die Frage auf, wie sich das verträgt, das bremer System.
Grüße
Ridcully

Ich erkläre mir das folgendermaßen: Herr X hat keiner Frau ein Problem gemacht, er gibt ihnen ja gute Noten. Und Probleme haben nur Männer mit ihm. Aus diesem Blickwinkel kollidieren Machismus und Fminismus ja nicht.

Hallo Krischan!

So wird es sein. Der machistische Egoismus, der sich in der Selbstherrlichkeit mit Frauen auf Grund seines sozialen Statusses flirten zu können und Männer als Nebenbuhler auszuschalten, fällt innerhalb eines Systems, das auf eine einseitige political Correctness achtet nicht auf.

Man muss nur Wissen, wen man treten darf, um ungeschoren davonzukommen.
Immerhin zeigte der mann hohe soziale Intelligenz, dass muss man ihm zu gute halten;).
Gruß
R.


Re: in Deutschland frei reden dürfen? @ Ridcully

Eugen Prinz, Tuesday, 14.06.2005, 02:50 (vor 7483 Tagen) @ Ridcully

Als Antwort auf: Re: Wann wird man in Deutschland frei reden d&972;rfen? von Ridcully am 13. Juni 2005 17:50:

Ich vermute aber aus einer Art Narzissmus.

Das ist ein Thema, mit dem ich mich seit meiner Beschäftigung mit Männerfragen, sehr häufig konfrontiert sehe.

Kannst du mich mal anmailen? Würde gerne etwas nichtöffentlich fragen.

Einen schönen Gruß von
Eugen

Re: Wann wird man in Deutschland frei reden dürfen?

Lucius I. Brutus, Tuesday, 14.06.2005, 00:02 (vor 7483 Tagen) @ Ridcully

Als Antwort auf: Re: Wann wird man in Deutschland frei reden dürfen? von Ridcully am 13. Juni 2005 13:27:

Nun Uni-Bremen ist gerade dafür bekannt für ihren auflammenden Feminismus!

Gruß!

Re: Wann wird man in Deutschland frei reden dürfen?

Andreas (d.a.), Monday, 13.06.2005, 23:43 (vor 7483 Tagen) @ Ridcully

Als Antwort auf: Re: Wann wird man in Deutschland frei reden dürfen? von Ridcully am 13. Juni 2005 00:19:

Hallo Ridcully,

danke für Deine Schilderung. Im Hinblick auf Dein Ausgangsposting sprichst Du da zwei verschiedene Probleme an, die natürlich auch miteinander in Verbindung stehen: Einmal die Frage nach gegenwärtigen Inhalten und Methoden der Vermittlung von Wissen (an Hochschulen); im zweiten Posting dann über die Fähigkeit zur Argumentation der diese Inhalte und Methoden reproduzierenden Studenten. Meine Situation ist von Deiner wohl doch etwas verschieden, aber Deine Kritik kann ich nachvollziehen. Die Punkte im einzelnen:

- In letzter Zeit habe ich häufiger die von Dir beschriebenen Erfahrungen machen können, dass bestimmte Themen selbst bei argumentativ einwandfreier Unterfütterung nicht oder nur äußerst schwierig anzubringen sind. Dass betraf mich, aber auch Dozenten, die mit ihren Ausführungen an Tabus rührten. Die Fragestellungen waren hier eher politisch; die Protestbekundungen reichten von Verhöhnen (ohne Argumente) über Forderungen nach Sippenhaft (z.B. für alle Amerikaner wegen der Fehler ihres Präsidenten) bis hin zum bewährten Niederbrüllen in Grüppchen (selten). Gleichzeitig die Dozenten, die - im Bewußtsein, dass Wissenschaftlichkeit manchmal politisch unkorrekter Äußerungen bedarf - anfangen, herumzudrugsen und sich schließlich um ihre Aussage drücken. - Was ich nicht nachvollziehen kann ist, wie eine argumentativ gut begründete Aussage an manchen Köpfen vorbeizieht, ohne auch nur den Hauch eines Nachdenkens zu erzeugen. Wollte ich mutmaßen, würde ich sagen, dass hier zu einseitig das Gewicht auf das Lernen der Fakten und zu wenig auf die kritisch hinterfragende Benutzung des eigenen Verstands gelegt wird. Aber das kann auch täuschen. Ich weiß auch nicht, ob man das den Hochschulen anlasten kann; eher, dass sie zu wenig dagegen tun.

- Geschlechterforschung. Ich studiere an der FU im Bereich Geschichts- und Kulturwissenschaften, Schwerpunkt Ostasien (also auch eines der hier im Forum bereits vieldiskutierten "Laberfächer"). Die FU ist - wie auch die Uni Bremen, nur öfter - Trägerin des Prädikats "Total E-Quality", was bedeutet, es wird auf Teufel-komm-raus gequotet; "echte" Gleichberechtigung ließe sich nämlich direkt aus der Statistik ablesen (was eine Professorin einst zu einem äußerst aufschlussreichen Statement bzgl. der Gründe ihrer Verweigerung der Förderung von Männern veranlasste). Neben der Erfüllung der Quote ist das zweite zentrale Anliegen, den Genderaspekt als fundamentale Kategorie in jeder Disziplin zu "institutionalisieren und zu sichern". In der Praxis bedeutet das, dass Geschlechterforschung nicht mehr als eigenes Fach betrieben wird, sondern zunehmend in Form themenspezifischer Seminare in anderen Fachrichtungen angeboten wird. - Zum Glück wird das heute noch nicht von allen Profs so gehandhabt, so dass man mit ein bisschen Glück noch drum herum kommen kann. Ich setze mich seit drei Jahren trotzdem in solche Seminare in den verschiedenen Fachbereichen, anfangs um zu lernen, heute mehr um zu kritisieren. Natürlich ist das weniger öffentlichkeitswirksam als z.B. die Aktionen vom VAfK, Pro-Test oder die Sachen von MANNdat, aber ich denke, dass es auch wichtig ist, dort, wo dieses "Wissen" letztendlich produziert wird, aktiv Widerspruch einzulegen und Argumente vorzubringen (auch wenn die Chancen, damit in den Köpfen etwas zu bewegen, eher gering sind - aber wie Du sagtest, kleine Gruppen und Einzelpersonen lassen sich eher auf unkonventionelle Ideen ein). Möglichkeiten, zu kritisieren, gibt es erfahrungsgemäß jedenfalls reichlich. Wissenschaftliches Anliegen der meisten Kurse ist es, Geschlechterbilder auf ihre historische Produziertheit hin abzuklopfen und zu dekonstruieren. Besonders "revolutionär" scheint bei einigen immer noch die Erkenntnis zu gelten, dass man auch Männerbilder hinterfragen kann. Nun ja. Entscheidend ist letztendlich nicht das Vorhaben, sondern was daraus gemacht wird. Hier finde ich oft das bestätigt, was Du in Deinem ersten Posting zum Ausdruck brachtest: Jede Verallgemeinerung gegenüber Frauen ist sexistisch und reaktionär, gegenüber Männern die analytische Praxis.

Beispielsweise ein aktuelles Seminar über Geschlechterbilder in China:
(1) Ein Text versucht, die gesamte Rechtsprechung der letzten kaiserlichen Dynastie (Qing) auf die Frage: Phallus - ja oder nein, und benutzt man ihn auch rechtskonform - zu reduzieren. Überhaupt scheint nicht nur ihr bestes Stück der alles bestimmende Gedanke der chinesischen Männer gewesen zu sein (während weibliche Genitalien prinzipiell nur von männlichen Diskursen überformt sind), die Theorie läuft letztendlich auch darauf hinaus, dass nichts außerhalb dieses "phallischen Bewußtseins" gedacht wird. - Nun, als Psychologe kennst Du Dich mit Freud sicher besser aus als ich - sag mir, wie man das nennt. (Ein Geschlechterkonstrukt, das übrigens nicht angegangen wurde, ist sexuelle Straftaten als originär und ausschließlich männlich zu betrachten.)
(2) Ein anderer Text beschäftigt sich mit Gewalt von Frauen während der Kulturrevolution. Bliebe das Buch seiner eigenen vorgeblichen Intention, Geschlechterkonstrukte beider Seiten zu untersuchen und hinterfragen, treu, gäbe es hier die wunderbare Gelegenheit, zu untersuchen, wie Gehirnwäsche und soldatische Gleichschaltung aus allen Menschen (potentielle) Kriegsverbrecher machen können. Statt dessen findet man die Ursachen in dem Zwang zur Soldatenuniform ("Männerkleidung", und demzufolge eben auch typisch "männliches" Verhalten, nämlich: morden, foltern, schlagen usw.) und der generellen Situation aller Frauen, deren Gewalt, auch wenn sie äußerlich der der Männer exakt zu gleichen scheint, immer auch Ausdruck ihrer generellen Unterprivilegierung und des Aufbegehrens dagegen ist. - Verständnis bitte!
(3) Von Dozenten- und -innenseite unkommentierte Sätze aus Studentenreferaten: "Die Männer hatten immer Angst vor den Frauen und deren Kräften, deshalb haben sie das Patriarchat geschaffen und die Frauen unterdrückt." Oder: "Wie wir ja alle wissen, haben Männer früher schon immer Frauen unterdrückt." Oder: "Natürlich lieben Frauen ihre Kinder mehr und es ist ja auch ganz klar, dass sie die Trennung von diesen viel intensiver empfinden." u.v.a.m.

Das sind nur Beispiele. Bezogen auf das Geschlechterverhältnis darf man in diesen Kursen ein Geschichts- oder Gesellschaftsmodell vertreten, für das einem in irgendeinem anderen Bereich jeder Geschichts- oder Soziologieprof wegen monomaner Anmaßung und Einseitigkeit völlig zurecht eine schallern würde. Im Laufe der Zeit, und wenn man in verschiedenen Fachbereichen aktiv ist, kennt man sich mit geschichtlichen, soziologischen oder ethnologischen Sachverhalten und Theorien irgendwann gut genug aus, um diese Ansichten auszukontern (so man die Gelegenheit dazu erhält). Die Dozenten ans Ende ihrer Argumente gebracht zu haben hat ja auch ein bisschen was Befriedigendes. Aber insgesamt ist es viel mehr belastend und frustrierend (ich bekomme davon Magengeschwüre), und vor allem sollte man die Konsequenzen abschätzen können: Wenn ich z.B. bei einer bestimmten Professorin feminismuskritische Argumente bringe, kann ich meinen Abschluß bei ihr vergessen. Und die Chancen, ein allgemein negatives Image (Reaktionär, Querulant, etc.) zu bekommen, sind gut.

Um also auf Deine Ausgangsfrage zurückzukommen: "Wann wird man in Deutschland frei reden dürfen?" - Sofort, immer ab sofort. Aber man muss wissen, was es einem wert ist, und ob man mit dem Schweigen gut leben könnte.

Herzlichen Gruß, Andreas

Re: in Deutschland frei reden dürfen? @ Andreas d.a.

Eugen Prinz, Tuesday, 14.06.2005, 02:47 (vor 7483 Tagen) @ Andreas (d.a.)

Als Antwort auf: Re: Wann wird man in Deutschland frei reden dürfen? von Andreas (d.a.) am 13. Juni 2005 20:43:

Hallo Andreas, d.a.

auch dein Text, wie auch der von Ridcully, ein aufschlussreicher Beitrag, der mir beinahe erschreckende Einblicke in den aktuellen Hochschulbetrieb gibt.

Der da hat mir - als Phallokraten - natürlich besonders gut gephallen ... ähhhh ...gefallen: "Ein Text versucht, die gesamte Rechtsprechung der letzten kaiserlichen Dynastie (Qing) auf die Frage: Phallus - ja oder nein, und benutzt man ihn auch rechtskonform - zu reduzieren. Überhaupt scheint nicht nur ihr bestes Stück der alles bestimmende Gedanke der chinesischen Männer gewesen zu sein (während weibliche Genitalien prinzipiell nur von männlichen Diskursen überformt sind), die Theorie läuft letztendlich auch darauf hinaus, dass nichts außerhalb dieses "phallischen Bewußtseins" gedacht wird."

An den Unis hat der Feminismus offenbar besonders schlimm eingeschlagen.

Kannst du mich mal anmailen? Würde gerne etwas nichtöffentlich fragen.

Schönen Gruß von
Eugen

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