Häusliche Gewalt: Antwort des NRW-Petitionsausschusses
Im Januar hat MANNdat e.V. beim Petitionsausschuss des nordrhein-westfälischen Landtags eine Petition eingereicht, mit der wir uns über die unserer Meinung nach unzutreffende Darstellung der Problematik der häuslichen Gewalt durch die Landesregierung beschwerten (siehe http://www.manndat.de/PetNRW.rtf).
Heute ist die Antwort des Petitionsausschusses eingetroffen. Sie hat folgenden Wortlaut:
"...der Petitionsausschuss hat in seiner Sitzung vom 17.05.2005 Ihr Vorbringen beraten und hierüber folgenden Beschluss gefasst:
Der Petitionsausschuss hat sich über das Anliegen des Petenten unterrichtet. Die Bekämpfung von Gewalt ist seit vielen Jahren ein wichtiger Schwerpunkt der Politik in Nordrhein-Westfalen. In der letzten Legislaturperiode standen Maßnahmen gegen häusliche Gewalt im Vordergrund. Dazu hat der Landtag in seiner Entschließung "Häuslicher Gewalt entschieden entgegentreten: Aktionsplan der Bundesregierung unterstützen und durch Landesaktionsplan begleiten" (Landtagsdrucksache 13/916) ausgeführt, dass die Belange der betroffenen Frauen und Kinder an erster Stelle stehen. Der Landtag verweist auf eine Studie der UNO, wonach jede dritte Frau in Deutschland Gewalterfahrung hat.
Der Petitionsausschuss teilt die Einschätzung, dass Gewalt im sozialen Nahraum ein Phänomen ist, von dem ganz überwiegend Frauen und Kinder als Opfer betroffen sind. Er stützt sich dabei auf die polizeilichen Erfahrungen mit Fällen häuslicher Gewalt.
In Umsetzung des Landesaktionsplans war am 01.01.2002 mit § 34a des Polizeigesetzes (PoIG) eine wichtige gesetzliche Neuregelung in Kraft getreten, die in Fällen häuslicher Gewalt die Polizei ermächtigt, Täter oder Täterinnen für eine bestimmte Zeit aus ihrer Wohnung zu verweisen und so dem Opfer Schutz vor weiterer Gewalt zu bieten. Das Gesetz ist geschlechtsneutral formuliert und wird natürlich ohne Unterscheidung nach dem Geschlecht der Opfer angewendet.
Nach einer im Januar 2004 abgeschlossenen Sonderauswertung der Polizei Nordrhein-Westfalens zu häuslicher Gewalt (Hellfeldzahlen) waren allerdings 92,3 % der Täter männlich und 7,7 % weiblich; die Opfer von häuslicher Gewalt waren zu 89,4 % weiblichen und 10,6 % männlichen Geschlechts. Da in Nordrhein-Westfalen eine weite Definition von häuslicher Gewalt Anwendung findet, sind in den männlichen Opferzahlen auch Jungen enthalten, die von ihren Eltern geschlagen wurden und auch Kinder, die Opfer sexuellen Missbrauchs wurden.
Angesichts dieser eindeutigen Hellfeldzahlen wird in Publikationen der Landesregierung die Problematik häuslicher Gewalt geschlechtsbezogen dargestellt. Denn ein wichtiges Anliegen von Gender-Mainstreaming ist es, unterschiedliche Auswirkungen auf Männer und Frauen aufzudecken. Insbesondere in Medien, wie etwa der Frauenseite der Homepage des Ministeriums für Gesundheit, Soziales, Frauen und Familie, die ganz gezielt Frauen ansprechen, muss auf deren besondere Situation eingegangen werden. Dabei wird aber an keiner Stelle ausgeblendet, dass im häuslichen Bereich auch Männer Opfer von Frauengewalt werden.
Die in der Petition angesprochene aktuelle Studie des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend "Gewalt gegen Männer" führt zu keinem anderen Ergebnis. Diese Pilotstudie diente vor allem der Entwicklung eines Befragungsinstrumentariums für eine mögliche spätere Hauptstudie, weil wegen der größeren Tabuisierung von Gewalt gegen Männer davon ausgegangen wird, dass eine Befragung männlicher Gewaltopfer schwierig sein wird. Insgesamt wurden nur rund 200 Männer befragt, deshalb sind die Ergebnisse als nicht repräsentativ zu bewerten.
Die Behauptung des Petenten, in Nordrhein-Westfalen würde von häuslicher Gewalt betroffenen Männern keinerlei Hilfe, Beratung und Information zuteil werden, stimmt nicht. Dazu einige Beispiele:
Der Leitfaden des Innenministeriums Häusliche Gewalt und polizeiliches Handeln verwendet insgesamt geschlechtsneutrale Begriffe wie Opfer oder gefährdete Person. Die Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten vor Ort unterscheiden bei ihrem Einschreiten in Fällen häuslicher Gewalt nicht nach dem Geschlecht der Opfer. Sie bewerten die Gefahrensituation für die gefährdete Person und treffen ihre Maßnahmen auf der Grundlage von § 34 a PoIG, der für weibliche und männliche Opfer häuslicher Gewalt gleichermaßen verbesserte Schutzmöglichkeiten bietet. Die eingesetzten Beamtinnen und Beamten weisen männliche Gewaltopfer auf ihre weitergehenden Beratungsmöglichkeiten ebenso hin wie sie dies bei Frauen tun.
Die Landesregierung förderte in den Jahren 2003 und 2004 Maßnahmen zahlreicher örtlicher Vernetzungen gegen häusliche Gewalt. In diesen örtlichen Arbeitsgruppen haben sich zum Teil auch Männerberatungsstellen engagiert.
Von häuslicher Gewalt betroffene Männer finden unter anderem Hilfe in einer der rund 120 vom Land geförderten Ehe- und Lebensberatungsstellen oder bei Einrichtungen wie dem Weißen Ring. Der Petitionsausschuss hat keine Anhaltspunkte dafür, dass dieses Angebot unzureichend ist.
Im präventiven Bereich finanzierte das Land über mehrere Jahre Kurse zur Selbstbehauptung und Konflikttraining für Mädchen und Jungen an Schulen. Im Mittelpunkt dieses Angebots stand die Aufgabe, sich mit Rollentraditionen unserer Gesellschaft auseinander zu setzen. Insgesamt wurden 1.740 Kurse für Jungen gefördert. Zahlreiche Schulen bieten mittlerweile diese Kurse unabhängig vom Landesprogramm an.
Zur Durchführung dieser Kurse bedarf es qualifizierter Trainer. Deshalb wurde im Auftrag des Landes von der Landesarbeitsgemeinschaft für Jungenarbeit ein Qualifizierungskonzept für Jungentrainer entwickelt und unter dem Titel "Emanzipation hat zwei Gesichter" von der Landesregierung veröffentlicht. Mittlerweile wurden rund 100 Jungentrainer ausgebildet, die die Kurse landesweit anbieten. Ziel ist dabei. durch Begleitung der Jungen den Druck rigider Idealbilder von Männlichkeit abzubauen und das Selbstwertgefühl zu stärken.
Der Petitionsausschuss schließt sich daher dem Anliegen des Petenten nicht an." (Es folgen Schlusssatz und Grußformel.)
Selten habe ich das Gefühl, so dermaßen für dumm verkauft worden zu sein.