Wieviel «Gleichberechtigung» verträgt das Land?

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Wahlkampf in NRW - die Erste

Morb, Thursday, 19.05.2005, 02:54 (vor 7512 Tagen)

Heute finde ich in meinem Briefkasten eine mehrseitige Hochglanzbroschüre der SPD, in welcher sich der Spitzenkandidat Peer Steinbrück mir vorstellt.
Früher landeten soche Selbstdarstellungen politischer Parteien, gleich welcher Couleur, sofort im Altpapier.
Seit der feminisierung der Politik habe ich jedoch den Unterhaltungswert dieser Blätter entdeckt, und so machte ich mich gleich auf die Suche nach den Stilblüten in dem SPD-Blatt.

Obwohl gerade die Sexualdemokraten dafür bekannt sind, mit ihrer persönlichen Entblödung nicht lange zu warten, bleibt Steinbrück erstaunlich lange standhaft.
Der feministische Kotau erfolgt erst im zweiten Satz!

...Vor über 30 jahren hatte ich den schönsten Grund, ins Rheinland zu gehen, den man sich vorstellen kann - meine Frau Gertrud. Sie nennt mich auch heute noch ein Musterbeispiel für die Integrationsfähigkeit der Menschen in NRW...

Seine Biographie ist dann weniger ergiebig:

...Zurück ans Meer. Meine Frau ließ sich für diese Zeit von ihrem Beruf beurlauben. Das rechne ich ihr hoch an...

Das Klischee wird gnadenlos bedient. Die Frau hält ihm den Rücken frei, verzichtet auf eigene Ansprüche ....

Doch beim Interview mit Gertrud und Peer Steinbrück wird der verlorene Boden wieder gut gemacht:

Gibt es eigentlich ein normales Leben an der Seite eines erfolgreichen Politikers?

Gertrud Steinbrück: Eigentlich gibt es das gar nicht mehr. Man kann von alten erinnerungen zehren und zumindest wie jetzt an den Feiertagen kurz einen normalen Rhytmus finden. Mein Mann ist übrigens sehr gut im Brötchenholen!

Bringt er auch immer alles mit?

Gertrud Steinbrück: Absolut perfekt. Sogar schweren Herzens Körnerbrötchen!...

Peer sind aber Croissants lieber.

Ist denn ein Ministerpräsident im Haushalt überhaupt noch einsetzbar?

Peer Steinbrück: Ich bin für die blaue Mülltonne zuständig!

Gertrud Steinbrück: Das lassen wir mal so stehen!...

Weitere...

Sie sind jetzt seit 30 Jahren verheiratet: Wie haben sie sich kennen gelernt?

Peer Steinbrück: Das musst du erzählen!

Gertrud Steinbrück: Ein gemeinsamer Freund [...] blablabla

Peer Steinbrück: Mein erster Eindruck war: endlich mal eine Frau, die quatschen kann!

Gertrud Steinbrück: Und ich fand dich unmöglich, weil du so schlechte Laune hattest. Angeblich Migräne...

Peer Steinbrück: Wir hatten am Abend vorher gefeiert, und [...] blablabla

Gertrud Steinbrück: Das hast du aber damals nicht verraten! Irgendwann habe ich dich dann, na ja, aktiver gemacht...

Also ist der Blitz eingeschlagen!

Peer Steinbrück: Nein, es war nicht gleich der Blitz...

Gertrud Steinbrück: Natürlich. Und zwar direkt am ersten Abend!

Weitere...

Helfen da auch gemeinsame Hobbys?

Gertrud Steinbrück: Nicht unbedingt.

Wiso?

Gertrud Steinbrück: [...]Mein Mann hat das größte Zimmer unseres Hauses für seine Modellsammlung belegt...

Peer Steinbrück: Ich liebe halt Schiffsmodelle.

Gertrud Steinbrück: Nein, du liebst Automodelle, Eisenbahnmodelle, Flugzeugmodelle und was sonst noch alles.[...]Und diese Modelle wären im ganzen Haus verteilt, wenn ich es nicht verhindern würde.

Frau Steinbrück, beraten Sie Ihren Mann eigentlich vor seinen Auftritten?

Gertrud Steinbrück (schmunzelt): Beim Äußeren mische ich mich gelegentlich ein, weil ich glaube, dass Männer tendenziell farbenblind sind...
[...]Es geht höchstens um Äußerungsformen: wenn ich zum Beispiel glaube, man könnte etwas freundlicher sagen oder langsamer erklären, damit die Menschen es verstehen. Ich bin so seine Bodenhaftung.

Wie können sie sich gegenseitig auf die Palme bringen?

Gertrud Steinbrück: Meinen Mann nervt meine Besserwisserei.

Peer Steinbrück: Stimmt! Bei mir ist es wohl mangelnde Aufmerksambeit.

Gertrud Steinbrück: Das kann so stehenbleiben.

Sie sind beide große Kinofans: der schönste Film des letzten Jahres?

Peer Steinbrück: "Tatsächlich ... Liebe" mit Hugh Grant.

Gertrud Steinbrück: Fandest du den wirklich so gut? Oder sagst du das nur, weil ich ihn so schön fand?...

Wie können Sie sich gegenseitig eine Freude machen?

Peer Steinbrück (grinst): Mit einem Schiffsmodell. Oder einem alten Schachtisch.

Gertrud Steinbrück: Mein Mann könnte mir mal einen Brillanten schenken. Das tut er aber nicht...

[...]

Zwei Sätze wurden hervorgehoben und rot gerahmt wiederholt:

Peer Steinbrück: Ich bin für die blaue Mülltonne zuständig!

Gertrud Steinbrück: Beim Äußeren mische ich mich gelegentlich ein, weil ich glaube, dass Männer tendenziell farbenblind sind.

Unglaublich, wie männliche Politiker heute bei mir um ihre Gunst werben.
Es gehört anscheinend zum guten Ton, sich selbst als unfertigen Deppen hinzustellen, möglicht unter Beihilfe der Frau - die das auch gerne mitmacht.
Unter weiblichen Politikern undenkbar, dass sich der Gatte in ähnlicher Form äußert. Er ist meist gar nicht öffentlich existent. Frau glänzt lieber allein.
Ich erinnere mich an einen Fernsehbeitrag vor ca. fünf Jahren. Kurz vor der Schleswig-Holstein-Wahl stellt Simonis ihre schlechtere Hälfte dem Publikum vor. Sie macht ihn total zum Deppen: "Du kannst dir ja noch nicht mal ein eigenes Essen kochen!" usw. Er glotz dumm in die Kamera und schweigt.

Nicht etwa, dass ich bei ihrer Demontage Schadenfreude empfunden hätte, aber meine Erektionsprobleme sind seitdem wie weggeblasen. ;)

Morb

Braucht NRW einen devoten Müllmann ?

scipio africanus, Thursday, 19.05.2005, 13:25 (vor 7511 Tagen) @ Morb

Als Antwort auf: Wahlkampf in NRW - die Erste von Morb am 18. Mai 2005 23:54:

Peer Steinbrück: Ich bin für die blaue Mülltonne zuständig!
Gertrud Steinbrück: Das lassen wir mal so stehen!...[/i]

Müllmänner sind zu 100 % Männer, deshalb redet auch niemand von den "Müllleuten".
Männer bedienen die Müllöfen, überwachen die Müllverbrennungsanlagen, fahren die Müllwagen, entfernen den Müll von den Strassen und Stadtparks und holen den bereitgestellten Müll vor den Häusern ab.
Zur Entsorgung des Mülls bleibt nur noch eine Arbeit, nämlich den Müllsack von der Wohnung an die Strasse zu stellen, damit die privilegierten Müllmänner diesen mitnehmen können.
Gleichberechtigung auf feministisch bedeutet, dass ALLE Arbeiten, die mit dem Kehrricht zu tun haben, allein von Männern übernommen werden. Den Abfall produzieren dürfen dann beide gleichberechtigt.
Selektive wahrnehmung nennt man das wohl. Leider sind Männer davon ebenso betroffen wie Frauen.

Nicht etwa, dass ich bei ihrer Demontage Schadenfreude empfunden hätte, aber meine Erektionsprobleme sind seitdem wie weggeblasen. ;)

Der gefällt mir :)

Morb

scipio, für die Quote bei den Müllleuten, um endlich die Frauen an männlichen Domänen teilhaben zu lassen

Farbenblindheit

Frank, Thursday, 19.05.2005, 13:26 (vor 7511 Tagen) @ Morb

Als Antwort auf: Wahlkampf in NRW - die Erste von Morb am 18. Mai 2005 23:54:

Farbenblindheit ist erblich, betrifft fast immer Männer; etwa 8% der Männer und 1% der Frauen in Europa sind farbenblind.

Daraus macht Frau Steinbrück dann "Männer sind tendenziell farbenblind."

Die Fähigkeit der Politiker, Statistiken kreativ umzufrisieren, scheint sich auch auf ihre Ehepartner auszuwirken...

Re: Farbenblindheit

Fragezeichen, Thursday, 19.05.2005, 18:21 (vor 7511 Tagen) @ Frank

Als Antwort auf: Farbenblindheit von Frank am 19. Mai 2005 10:26:

Farbenblindheit ist erblich, betrifft fast immer Männer; etwa 8% der Männer und 1% der Frauen in Europa sind farbenblind.
Daraus macht Frau Steinbrück dann "Männer sind tendenziell farbenblind."
Die Fähigkeit der Politiker, Statistiken kreativ umzufrisieren, scheint sich auch auf ihre Ehepartner auszuwirken...

Warum haben Maskulisten so wenig Humor?

DAs war doch eher eine witzige Anmerkung, die sich auf ihren eigenen Mann bezog.

Fragezeichen

Re: Farbenblindheit

Garfield, Thursday, 19.05.2005, 20:27 (vor 7511 Tagen) @ Fragezeichen

Als Antwort auf: Re: Farbenblindheit von Fragezeichen am 19. Mai 2005 15:21:

Hallo Fragezeichen!

Ja, ein gewisses "Manifest der Gesellschaft zur Vernichtung der Männer" inklusive Forderung nach Gaskammern für Männer hast du ja hier auch schon indirekt als lustige Satire bezeichnet. Zumindest hast du geschrieben, daß es von Feministinnen als Satire betrachtet wird.

Zugegebenermaßen habe ich mir zunächst auch gedacht, daß das doch eher harmlos ist, als ich die Auszüge aus diesem Wahlkampftext las. Dann stellte ich mir das aber mal mit umgekehrten Rollen vor: "Ich muß immer für meine Frau das Auto in die Garage fahren, das kriegen viele Frauen ja nicht auf die Reihe, ha ha..." Und da wurde mir schnell klar, daß viele Zeitgenossen das dann plötzlich gar nicht mehr komisch finden würden.

Wieso nur nicht?

Freundliche Grüße
von Garfield

Re: Wahlkampf in NRW - die Erste

Eugen Prinz, Thursday, 19.05.2005, 14:54 (vor 7511 Tagen) @ Morb

Als Antwort auf: Wahlkampf in NRW - die Erste von Morb am 18. Mai 2005 23:54:

Köstlich. Sehr schöne Analyse, Morb,
hast du sie dem Steinbrück schon geschickt? Das verdient mehr Öffentlichkeit!
Gruß von Eugen

Re: Wahlkampf in NRW - die Erste

Morb, Thursday, 19.05.2005, 22:18 (vor 7511 Tagen) @ Eugen Prinz

Als Antwort auf: Re: Wahlkampf in NRW - die Erste von Eugen Prinz am 19. Mai 2005 11:54:35:

Köstlich. Sehr schöne Analyse, Morb,
hast du sie dem Steinbrück schon geschickt? Das verdient mehr Öffentlichkeit!
Gruß von Eugen

Hallo Eugen,

ich sage ihm meine Meinung persönlich am 22.05.
Dazu reicht ein einfaches Kreuz auf einem Zettel.
Hoffe, es reicht diesmal.

Gruß
Morb

Re: Wahlkampf in NRW - die Erste

Rüdiger, Thursday, 19.05.2005, 22:44 (vor 7511 Tagen) @ Morb

Als Antwort auf: Wahlkampf in NRW - die Erste von Morb am 18. Mai 2005 23:54:

Hallo Foris,

Gertrud Steinbrück (schmunzelt): Beim Äußeren mische ich mich gelegentlich ein, weil ich glaube, dass Männer tendenziell farbenblind sind...

Saskia Weißer, eine sehr devot veranlagte Autorin meines Verlags, schreibt in ihrem Roman "Stille Tage in Roissy", das Leben einer frischgebackenen Ehesklavin an der Seite ihres Herrn beschreibend (stark autobiographisch):

+++++++

"Aber auch sylvie blieb Pierre nichts schuldig. Nie wäre es ihr eingefallen, sich um die Auswahl ihres Freizeitprogramms oder um ihre Zeiteinteilung zu streiten. Sie fügte sich sanft Seinen Wünschen, besonders nachdem sie bemerkt hatte, wie gut aufgehoben sie bei Ihm war. Nicht nur die 'gemeinen' Haushaltsarbeiten erledigte sie für Ihn, sie spielte auch freudig seine Zofe und Seine 'Modeberaterin'. Da es Ihm offensichtlich lästig, ja verhaßt war, sich um die eigene Kleidung zu kümmern, ging sie regelmäßig in die Stadt und suchte für Ihn Sachen aus, die Er nur noch schnell anzuprobieren brauchte - aber selbst die Entscheidung, ob Er das betreffende Stück nehmen sollte, überließ Er meistens ihr. Mit einem kleinen, vergnügten Schmunzeln ließ sie dann Hemden, Krawatten, Hosen, Sakkos und Anzüge für Ihn zusammenpacken, während Er geduldig dabeistand und Seine Kreditkarte bereithielt, im fieberhaften Wunsch, das verabscheute Warenhaus so schnell wie möglich zu verlassen. Genauso verfuhren sie, was Schuhe anbelangte; Seine Unterwäsche bestellte sylvie aus Katalogen. Sie putzte Seine Schuhe und hielt Seine Garderobe in Ordnung und sah zu, daß Seine Familie und Seine Freunde regelmäßig zu ihnen eingeladen und verköstigt wurden, etwas, was Er in der Vergangenheit nur zu gern auf die lange Bank geschoben hatte. Auch wenn sie Besuch hatten, bediente sie Ihn und kümmerte sich nicht um die erstaunten Blicke der Bekannten, wenn sie Ihn mit großer Selbstverständlichkeit fragte, was Er denn zu essen wünsche, Ihn als ersten bediente oder auf Sein Kommando aufsprang, um Ihm eine Flasche Bier zu holen.
Ihre gegenseitige Aufmerksamkeit wurde oft bestaunt, besonders von Menschen, die es längst verlernt hatten, an einen anderen außer sich selbst zu denken. Wie ärmlich empfand sylvie diese Lebensweise, in der jeder strikt nur für sich zu sorgen hatte, in der kein gegenseitiges Geben und Nehmen mehr stattfand, in der jeder eine in sich starr abgeschlossene, autokratische Einheit bildete, ohne je die schönen Gefühle 'Dankbarkeit' oder auch 'Großzügigkeit' zu empfinden. Gewiß war jede Frau imstande, sich selber den Mantel anzuziehen - und das hoffentlich seit dem Kindergartenalter -, und klar konnte jeder erwachsene Mann seine Kleidung alleine aussuchen. Aber wie schön war es doch, diese kleinen Dienste FÜREINANDER zu tun, auch um auf diese Weise miteinander in ständigem Kontakt zu sein, nicht nur körperlich, sondern auch seelisch. Sich gegenseitig um den anderen zu kümmern, statt die wehrhafte Amazone oder den arroganten Macho raushängen zu lassen, war doch so wunderbar. Es betonte ihre Symbiose, die Tatsache, daß sie gegenseitig aufeinander angewiesen waren - zumindest wenn sie vollständig glücklich sein wollten.

+++++++

Ich gebe zu *hüstel*, schon beim Niederschreiben ist mir aufgefallen, daß es hier doch EIN BISSCHEN anders klingt als bei Frau Steinbrück, aber grundsätzlich: Wenn es nicht nörgelnd und herummäkelnd-erziehend geschieht (wie leider meistens), dann ist das doch nicht verwerflich, wenn eine Frau die "Modeberaterin" ihres Mannes ist.

Ich gebe allerdings zu, daß der Rest des Interviews größtenteils eine Unverschämtheit ist (und das würde Saskia Weißer gewiß auch so sehen ...)

Peer Steinbrück: "Tatsächlich ... Liebe" mit Hugh Grant.
Gertrud Steinbrück: Fandest du den wirklich so gut? Oder sagst du das nur, weil ich ihn so schön fand?...

Ich habe den Titel als "Liebe ... tatsächlich" in Erinnerung. Ein gutgemachter englischer Episodenfilm um die Irrungen und Wirrungen im Liebesleben mehrerer englischer Paare, keine große Filmkunst, aber gut und amüsant gemachte Unterhaltung mit genau jener Portion Schmalz, die man in der Vorweihnachtszeit vertragen kann. Es ist zwar eine Art Liebesfilm, man kann ihn aber durchaus auch als Mann gut finden ;-)

Herzliche Grüße

Rüdiger

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