Wieviel «Gleichberechtigung» verträgt das Land?

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Kommentar aus Sonntag Aktuell zur Unterhaltsrechtsreform

ChrisTine, Sunday, 15.05.2005, 15:13 (vor 7517 Tagen)

Nachfolgend eine Kolumne von Ursula Ott aus der heutigen Sonntag Aktuell. Diese Zeitung erhalten viele Tageszeitungs-Abonnenten http://www.sonntag-aktuell.de/pagesoak/detail.php/839574 in Baden-Württemberg, die Artikel sind aber nicht online zu lesen.

--- Zitat Anfang ---
Sonntag Aktuell, 15.5.2005

Elternfeindliches Deutschland

Um meinen Computer kümmert sich seit Jahren dieselbe kleine Einmannfirma. Ein findiger Kerl, der jeden gemeinen Virus aufspürt und sogar richtig schicke Homepages basteln kann.

Aber seit zwei Jahren sieht er bei jedem Besuch abgerissener aus. Ich mag ihn gar nicht fragen, wie es ihm geht, denn ich weiß schon: Er ist geschieden, seine Frau weigert sich zu arbeiten, sie hält das Kind von ihm fern - alles furchtbar. Als ich ihn neulich an einem Freitagabend gebraucht hätte - satte 120 Euro Feierabend- und Wochenendtarif - sagte er bedauernd: Das lohne sich nicht für ihn. Die Hälfte gehe eh an die Ex. Und übrigens werde er den Laden bald dichtmachen, ich soll mir einen anderen IT-Fachmann suchen.

Es sind Fälle wie dieser, den die Justizministerin im Auge hat mit ihrem Gesetzentwurf zum Unterhaltsrecht. Künftig soll der Unterhalt befristet werden, irgendwann sollen auch geschiedene Ehepartner wieder auf eigenen Füßen stehen.

Das ist überfällig. Ich frage mich, warum all die Wirtschaftsforschungsinstitute, die permanent ihre Gutachten vorstellen, nicht mal ausrechnen, welcher volkswirtschaftliche Schaden eigentlich durch Scheidungen angerichtet wird. Durch Männer wie meinen Computerexperten, die gar keinen Anreiz mehr haben zum Arbeiten. Durch Frauen wie seine Ex-Gattin, die längst wieder in den Lehrerberuf einsteigen könnte, wenigstens ein paar Stunden am Tag. Die sich aber lieber aushalten lässt vom Ex-Mann.

Also liegt sie richtig, die Ministerin. Aber der große Wurf will ihr dennoch nicht gelingen. Ein Reförmchen, sagen Familienrechtler. Viel zu vage der Appell an beide Partner, nach einer Übergangsfrist doch wieder für sich selber zu sorgen. So wird vieles bleiben, wie es ist. Viele Ex-Partner, meist Frauen, werden sagen: Ich finde keinen Job. Ich finde keine Ganztagsschule. Ich finde keine Nachmittagsbetreuung - also soll der Mann für mich bezahlen, bis das Kind 15 Jahre alt ist.
Stimmt, Reformen sehen anders aus. Das Pferd müsste von vorne aufgezäumt werden. Politiker müssten klar signalisieren: Wir möchten alle, dass es mehr Kinder gibt in diesem Land. Deshalb schaffen wir ideale Bedingungen. Sichern Kinder über eine Familienkasse ab - ähnlich wie die Pflegekasse. Schaffen für jedes Kind eine wirklich gute Kinderbetreuung - damit es gar nicht erst so weit kommt, dass Mütter jahrelang aus dem Job gedrängt werden. Und ihnen nach der Trennung gar nichts anderes übrig bleibt, als gegen den Ex-Mann zu klagen.

So müsste an vielen Schrauben gleichzeitig gedreht werden, um dieses Land familienfreundlich zu machen. So wie die Lage jetzt ist, wundert sich nur Herr Schily, dass der Kinderwunsch zurückgeht.

Sonst wundert sich niemand. Wer heute ein Kind kriegt, geht ein hohes Risiko ein: Frauen riskieren, von der Arbeitswelt abgekoppelt zu werden. Männer scheuen in diesen unsicheren Zeiten die Aufgabe, als Hauptverdiener eine ganze Familie versorgen zu müssen, egal ob während oder nach der Ehe.

Dass immer mehr Paare sich das nicht zutrauen, ist keine "Absage an das Leben", wie Innenminister Otto Schily so inbrünstig verkündet, als wolle er sich bei Ratzinger als Ghostwriter für die nächste Enzyklika bewerben. Es ist purer Realismus.

Denn dieses Land ist nicht kinderfeindlich, es ist elternfeindlich. Die wenigen Kinder, die wir noch zur Welt bringen, leben überwiegend ganz gut - auf jeden Fall besser als je zuvor in Deutschland. Fast alle vom Deutschen Jugendinstitut jüngst befragten Achtjährigen bezeichnen sich selbst als zufrieden, einzige Einschränkung: Viele wohnen beengt, und viele sind "manchmal traurig und ängstlich".

Traurig und ängstlich - das gehört zum Leben! Und allein die Tatsache, dass Forscher danach extra fragen, ist schon ein Zeichen dafür, dass wir Kinder heute sehr ernst nehmen mit ihren Sorgen. Das ist gut so.

Aber auch die Eltern - und die Paare, die noch vor der Entscheidung stehen, Kinder in die Welt zu setzen - müssen ernst genommen und entlastet werden. Damit endlich diese kleinliche Rechnerei aufhört, wer wem wie viel schuldet. Damit Eltern wieder Lust am Leben mit Kindern ausstrahlen - das wäre übrigens die beste Imagekampagne für mehr Kinder in Deutschland.
--- Zitat Ende ---

Falls jemand einen Leserbrief schreiben will (Veröffentlichungschancen wie immer um so höher, je kürzer der Brief, auf jeden Fall nur bei vollständiger Adressangabe):

Sonntag Aktuell
Postfach 10 44 62
70039 Stuttgart

Fax 07 11 - 72 05 - 35 09

leserpost@soak.zgs.de

Hier gefunden

Re: Kommentar aus Sonntag Aktuell zur Unterhaltsrechtsreform

Sven74, Sunday, 15.05.2005, 15:27 (vor 7517 Tagen) @ ChrisTine

Als Antwort auf: Kommentar aus Sonntag Aktuell zur Unterhaltsrechtsreform von ChrisTine am 15. Mai 2005 12:13:31:

Und es sind auch die unzähligen Arbeitslosen nicht zu vergessen! Ich möchte nicht wissen wieviele Unternehmen dichtmachen mussten, damit der Unterhalt der Exfrau des Firmenchefs gezahlt werden konnte.

Sven74

Re: Kommentar aus Sonntag Aktuell zur Unterhaltsrechtsreform

Christian, Sunday, 15.05.2005, 16:03 (vor 7517 Tagen) @ Sven74

Als Antwort auf: Re: Kommentar aus Sonntag Aktuell zur Unterhaltsrechtsreform von Sven74 am 15. Mai 2005 12:27:

Und es sind auch die unzähligen Arbeitslosen nicht zu vergessen! Ich möchte nicht wissen wieviele Unternehmen dichtmachen mussten, damit der Unterhalt der Exfrau des Firmenchefs gezahlt werden konnte.
Sven74

Die deutsche Firma Grundig wurde angeblich von der Ehefrau des verstorbenen Max Grundig zerstört, die Geldgier und das Ausaugen der Gelder der Firma hat wahrscheinlich zum Ruin von Grundig geführt.

meint,
Christian

Re: Kommentar aus Sonntag Aktuell zur Unterhaltsrechtsreform

ein weiterer Andreas, Sunday, 15.05.2005, 17:55 (vor 7517 Tagen) @ Christian

Als Antwort auf: Re: Kommentar aus Sonntag Aktuell zur Unterhaltsrechtsreform von Christian am 15. Mai 2005 13:03:

Die deutsche Firma Grundig wurde angeblich von der Ehefrau des verstorbenen Max Grundig zerstört, die Geldgier und das Ausaugen der Gelder der Firma hat wahrscheinlich zum Ruin von Grundig geführt.

Chantall Grundig. Das Kindermädchen von einst. Eine Französin. Ihr Mädchenname ist mir nicht mehr geläufig. Hat sich damals an den Grundig herangemacht. Er fiel darauf herein. Nach seinem Tod steht sie als Alleinerbin da und verzichtet auf keinen Pfennig, trotz der schwierigen Unternehmenssituation. Was ihr laut Erbe an Geld zusteht muß substantiell belastend sein für das Unternehmen. Phillips hat nach der Übernahme lange Zeit versucht, im Rahmen eines Sanierungsprogramm die Madame wenigstens zu einem Teilverzicht zu bewegen. Nix zu machen. Madame bleibt hart und kassiert weiter. Was aus dem Unternehmen und den Arbeitsplätzen wurde war ihr egal.

Gruß

Andreas

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