Die Ausbreitung von Ignoranz und Dummheit...
US-Konservative zweifeln an Darwins Erbe
Schaubild der Evolutionstheorie (Foto: dpa)10.05.2005/ Charles Darwin hat es schwer in den USA. Derzeit steht seine Evolutionstheorie in Kansas auf dem Prüfstand. In einer Anhörung vor der staatlichen Schulkommission des Bundesstaates im Mittleren Westen wird über die Herkunft des Lebens und des Menschen gestritten. Darwins Gegner wollen, dass in den Richtlinien für den Biologie-Unterricht seine 1859 in dem Standardwerk "Die Entwicklung der Arten" präsentierte Theorie in Frage gestellt wird. Stattdessen verfechten sie die Idee vom "Intelligenten Design": Der Mensch sei zu komplex, um allein durch die natürliche Evolution entstanden sein zu können. Der Schulausschuss will im Sommer entscheiden - da er von den Konservativen beherrscht wird, ist mit Darwins Niederlage zu rechnen.
Kulturkampf in den USA
Der Wegbereiter der modernen Naturforschung hat in den USA zwar nicht nur Feinde im Lager der religiösen Rechten. Doch gehört die Evolutionstheorie zusammen mit Abtreibung, Homo-Ehe, Stammzellenforschung und Sterbehilfe zu den Themen, in denen sich der interne Kulturkampf der US-Gesellschaft kristallisiert. Die Gegner der Evolutionstheorie wollten "die Wissenschaften zur atheistischen Philosophie umdefinieren, um so ihre theologischen Zielsetzungen verfolgen zu können", klagt Jack Krebs von der Vereinigung "Kansas Citizens for Science".
Biblischer Schöpfungsmythos als Faktum
Neu ist die Debatte um Darwin allerdings nicht. Die Anhörungen in Kansas wecken Erinnerungen an den "Affen-Prozess" vor 80 Jahren in Tennessee - so benannt, weil viele irrtümlich meinen, nach Darwin stamme der Mensch vom Affen ab. Damals wurde der Lehrer John Scopes zu einer Geldstrafe verurteilt, weil er unter Missachtung der Gesetze die Evolutionstheorie gelehrt hatte. Erst 1987 entschied das US-Verfassungsgericht, dass der "Kreationismus" - der den biblischen Schöpfungsmythos als Faktum nimmt - nicht in den staatlichen Schulen unterrichtet werden dürfe, da dies gegen die Trennung von Kirche und Staat verstoße.
Fragwürdige Berühmtheit
Seit einigen Jahren aber haben die Darwin-Gegner ihre Kampagne wieder verschärft. In Kansas wurde die Evolutionstheorie bereits 1999 aus den Richtlinien für die Schulen gestrichen, was dem Bundesstaat eine fragwürdige weltweite Berühmtheit verschaffte. Die Entscheidung wurde später revidiert. In Ohio gilt seit drei Jahren die Vorschrift, dass die Darwinsche Lehre den Schülern nur als anfechtbares Ideenkonstrukt präsentiert werden darf. Ähnlich steht es auch auf Aufklebern, mit denen die Bio-Bücher im Südstaat Georgia versehen wurden. In rund 20 der 50 US-Bundesstaaten wird derzeit auf Bezirksebene über die Evolutionstheorie gefochten.
Göttliches Design
Während die Darwin-Gegner früher vorwiegend in wörtlicher Deutung der Bibel behaupteten, die Erde sei in sechs Tagen geschaffen worden und nicht mehr als 10.000 Jahre alt, nehmen sie heute oft Wissenschaftlichkeit für sich in Anspruch. Die Idee vom "Intelligenten Design" leugnet nicht, dass sich die Erde über mehr als vier Milliarden Jahre hinweg entwickelt hat. Sie deutet ihre komplexen Strukturen jedoch als Beleg dafür, dass eine übergeordnete Intelligenz dahinter stecken müsse. Wie diese Macht aussehen soll, lässt die Theorie zwar offen. Dass es ein göttliches Wesen sein muss, versteht sich aber gewissermaßen von selbst.
Idee vom intelligenten Plan
Bei der Anhörung in Topeka in Kansas zeigten die Design-Theoretiker Bilder von Hühnern, Schildkröten und menschlichen Embryos, um das Konzept zu widerlegen, dass alle Lebewesen einen gemeinsamen Ursprung haben. Und ihre Idee vom intelligenten Plan versuchten sie mit Diagrammen komplizierter RNA-Moleküle zu untermauern. Der Anwalt und Geologe John Calvert bezeichnete die Darwinsche Lehre als "Ideologie" und forderte, sie zum Gegenstand einer kontroversen Debatte in den Schulen zu machen.
Boykott des Absurden
Doch für die große Mehrheit der Wissenschaftler gibt es an Darwin nach wie vor nichts zu rütteln. Die Design-Theorie ist für sie nur der alte Kreationismus in neuem Gewand: Es handle sich um eine religiöse Bewegung, sagt Eugenie Scott, Leiterin des Nationalen Zentrums für Wissenschaftserziehung im kalifornischen Oakland. In der seriösen Wissenschaft gebe es auch keinen Streit darüber, ob die Evolution stattgefunden habe, sondern nur über deren "Muster und Ablauf". Darwins Schüler treten in Topeka übrigens nicht in den Zeugenstand - sie boykottieren die Veranstaltung, die sie für eine Absurdität halten.