Männernews
Deutschland, deine Väter
Die deutschen Männer glauben immer noch, sie müßten Alleinversorger der
Familie sein. Das macht ihnen Angst vor Kindern. Politik und Unternehmen
setzen sie zusätzlich unter Druck
von Matthias Kamann
Wer den Feminismus nicht mag, wer die herkömmlichen Geschlechterrollen
bevorzugt, der sollte in Deutschland Vater werden. Denn sobald Kinder da
sind, sinkt laut Mikrozensus 2004 die Erwerbstätigenquote der Frauen
zwischen 27 und 45 Jahren von über 80 Prozent auf durchschnittlich 50
Prozent, während sie bei Männern umgekehrt noch steigt: Väter sind zu rund
90 Prozent berufstätig, kinderlose Männer nur zu 80 Prozent. Auch der
einzelne Mann arbeitet mehr, sobald Kinder da sind: Eine Studie über die
Einkommensverläufe von Absolventen des Faches Wirtschaftswissenschaften
ergab, daß Väter pro Woche eine Stunde länger arbeiten als Männer ohne
Nachwuchs.
Zwar ist nicht auszuschließen, daß diese größere Arbeitsfreude der Väter
zuweilen etwas mit Faulheit zu tun hat - der Kolumnist Johannes Gross
schrieb einmal, wie bequem es für Männer sei, nach 17.30 Uhr den Tag im Büro
ausklingen zu lassen und sich dort wichtig zu machen, während daheim die
abendliche Kinder-Quengelei einsetzt. Doch meistens dürfte der Grund im
Verantwortungsbewußtsein der Väter liegen: Als Familienernährer sehen sie
sich um so mehr in der beruflichen Pflicht, je mehr Kinder nach Brot und
Computerspielen rufen.
Für diese Vermutung spricht der Befund von Sozialwissenschaftlern aller
Couleur, wonach in Deutschland die "Retraditionalisierung des
Geschlechterverhältnisses in der Familie" ungebrochen sei: Sind Kinder da,
rasten hergebrachte Rollenmuster ein: Der Mann konzentriert sich auf die
Arbeit, die Frau auf die Kinder. Das sehen auch die Männer so: 41 Prozent
der von Allensbach 2004 befragten Väter erklärten, daß sie sich weniger um
ihre Kinder kümmern, als sie es gern täten. Doch ein Rollentausch, so
stellten die Demoskopen fest "kommt für die überwältigende Mehrheit der
Väter nicht in Frage". Entsprechend ergab unlängst eine weitere
Allensbach-Studie, daß 21 Prozent der Männer erst dann ein Kind zeugen
wollen, wenn sie sicher sein können, daß das Kind "meine beruflichen Chancen
nicht gefährdet" - bei Frauen sind es nur 13 Prozent.
Diese Fixierung der Männer auf die Berufsarbeit ist ein spezifisch deutsches
Phänomen: Nach der gestern veröffentlichten Untersuchung des
Bundesfamilienministeriums sind mehr als 60 Prozent der hiesigen Männer
"arbeitszentriert", während es nur 40 Prozent in Spanien (!) sind; dort kann
sich die Mehrheit vorstellen, für die Kinder da zu sein. Auch unter
britischen Männern ist der Anteil derer, die "work centered" sind, niedriger
als bei uns. Und in den Niederlanden arbeiten 20 Prozent der Männer in
Teilzeit, in Deutschland rund 5 Prozent.
Sind deutsche Männer mithin gar nicht so "soft", so emanzipationsoffen, wie
oft unterstellt wird? Jedenfalls ist hier die Rollenverteilung beim Leben
mit Kindern wesentlich traditioneller als andernorts. In der Demographie
findet das seinen Niederschlag: Bei den Geburtenraten bleibt Deutschland
hinter jenen westlichen Ländern zurück, die eine höhere Frauenerwerbsquote
haben. Zu vermuten ist, daß die vorgestern veröffentlichten Zahlen, wonach
26 Prozent der jüngeren deutschen Männer (gegenüber nur 11 Prozent der
Frauen) keine Kinder haben wollen, in hiesigen Rollenmustern begründet sind:
Wo die materielle Sicherung am Mann hängt, dieser aber um seinen
lebenslangen Vollerwerbsarbeitsplatz fürchten muß und zudem mehr Geld für
eigenen Genuß behalten will, scheitert die Familiengründung am Mann. So
ergibt sich das Paradox, daß deutsche Männer gerade von ihrer Fixierung auf
traditionelle Rollenbilder daran gehindert werden, eine Familie zu gründen,
in der diese Rollenbilder extrem stabil sind. Anders gesagt: Die Männer
scheitern an dem Druck, den sie sich selbst machen.
http://www.welt.de/data/2005/05/04/714422.html
Deutschland, deine Väter (2)
Mindestens genausoviel Druck aber macht ihnen die Umwelt. Väter stehen unter
Verdacht. Noch nicht ausgestanden ist jene Mißbrauchsdebatte, in der
Männern, die sich liebevoll kleinen Mädchen nähern, Perversität unterstellt
wurde. Welch unlauteren Motive man Vätern ungestraft vorwerfen darf, zeigte
sich auch im Streit um die heimlichen Vaterschaftstests, wo
Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) ein extremes Mißtrauen der
Männer gegenüber den Müttern ihrer (?) Kinder anprangerte. Mittlerweile
geteilt wird vom Justizministerium die Einsicht, daß Männer beim Scheidungs-
und Unterhaltsrecht massiv benachteiligt werden. Das soll geändert werden.
Keine Besserung jedoch ist dort in Sicht, wo die Väter nach Meinung aller
Familienrechtler am schlechtesten gestellt sind, beim Sorgerecht für Kinder
nach einer Trennung: Laut Statistischem Bundesamt haben die Gerichte 2003 in
strittigen Fällen die Sorge für die Kinder in 11 732 Fällen der Mutter
übertragen, aber nur 997 Mal dem Vater.
Im Kontrast zu solcher Geringschätzung väterlicher Rechte steht die Betonung
väterlicher Pflichten durch die Politik. Bundesfamilienministerin Renate
Schmidt (SPD) erklärte vor einem Jahr gegenüber der "Süddeutschen Zeitung":
"Ich meine, daß die Väter stärker einbezogen werden sollten. Denn Väter, die
sich früh für ihre Kinder engagieren, werden auch in Zukunft mehr Pflichten
übernehmen." Als täten sie das nicht längst: Eine Studie des Instituts für
Zukunftsforschung in Berlin ergab 2004, daß sich Väter sehr stark im
Haushalt engagieren, und ist der Mann Alleinverdiener, so ist seine tägliche
Arbeitszeit in Beruf und Haushalt zusammengenommen um eine Stunde und zehn
Minuten länger als die seiner Frau. Womit sie freilich wieder einmal
zuschnappt, die Streßfalle, in die Männer tappen, so lange sie am
Alleinversorger-Anspruch festhalten.
Zum Streß daheim tritt der im Beruf: Der Geschlechterforscher Peter Döge vom
Institut für Zukunftsforschung wies erst unlängst darauf hin, daß die
wenigsten Firmen bereit sind, die familiären Interessen von Vätern zu
berücksichtigen. Väter, die ihre Kinder nur von der Kita abholen wollten,
würden, so Döge, als "Drückeberger" bezeichnet, da in den meisten
Unternehmen eine "stark ausgeprägte Anwesenheitskultur" herrsche: Mit der
tatsächlichen oder nur angeblichen Rücksicht auf Mütter brüsten sich
mittlerweile viele Unternehmen, doch auf Väter üben sie nach wie vor
denselben Druck aus, unter den diese sich selbst setzen.
Artikel erschienen am Mit, 4. Mai 2005
http://www.welt.de/data/2005/05/04/714422.html?s=2
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Gigi - Zeitschrift für sexuelle Emanzipation
Herausgegegben vom wissenschaftlich-humanitären komitee (www.whk.de)
Ausgezeichnet mit dem Sonderpreis des
Felix-Rexhausen-JournalistInnen-Preises 2001
Haus der Demokratie und Menschenrechte
Greifswalder Straße 4
10405 Berlin
Fon/Fax: 01804/444945
www.gigi-online.de
Pressemitteilung
2. Mai 2005
- Medien/Politik/Homosexuelle -
Durchladen an der Genderfront
Soldaten sind Mörderinnen, Helfen bleibt Frauensache
Seit einigen Jahren dürfen auch Menschen Karriere bei der Bundeswehr machen,
die lange Zeit wegen Sexualität und Geschlecht davon ausgeschlossen waren:
schwule Männer sowie lesbische und heterosexuelle Frauen. Doch was passiert
dort mit ihnen? Wie verändert sich ihr Charakter? Ist das Tötenlernen, das
willige Ausführen von Befehlen unter Abschalten des eigenen Denkens wirklich
ein Schritt zu ihrer Emanzipation oder doch nur eine Legitimation
repressiver, auf Gewalt und letztlich auch sexuelle Unterdrückung
hinauslaufender Strukturen?
Feministische Wissenschaftlerinnen aus dem Grünen-nahen Bereich haben dies
für verschiedene Armeen der Welt untersucht, kommen aber zu ganz
absonderlichen Ergebnissen. Frauen verrohen demnach zwar beim Militär ebenso
schnell wie Männer und werden ebenso schnell sexuell aggressiv, aber nach
feministischem Maßstab ist die sexualisierte Folter eines Mannes durch eine
Soldatin weniger schlimm als die Vergewaltigung von Frauen durch Soldaten.
Unsere Autorinnen nehmen diese Positionen haarklein und spannend
auseinander.
Auch im historischen Kontext ist unser Schwerpunkt durchaus von Belang; denn
Frauen waren in Deutschland bereits einmal massenweise beim Militär aktiv.
In unserer Ausgabe Nr. 18 porträtierte eine ausgewiesene Expertin auf diesem
Gebiet, die Frankfurter Uni-Dozentin und Buchautorin Rosemarie Kilius,
einige von Hitlers willigen "Blitzmädchen". Auch von ihnen wurde Europa am
8. Mai 1945 befreit. Das sollte Mahnung und Warnung sein.
Freilich enthät unser soeben erschienenes Mai/Juni-Heft noch zahlreiche
andere empfehlenswerte Beiträge zu politischen und kulturellen Kontexten von
Sexualitäten und Geschlechtern; einen Überblick geben Ihnen das nachfolgende
Inhaltsverzeichnis sowie unsere Website, wo Sie auch einige der Beiträge
online lesen können. Ihre Heftbestellungen richten Sie dann bitte wie immer
an die obige E-Mail-Adresse.
Hinweisen möchten wir schließlich noch auf unsere Räumaktion; Informationen
dazu finden Sie im unteren Abschnitt dieses Newsletters oder auf unserer
Website.
Freundlich grüßt Ihre Gigi-Redaktion
Berlin, Moers, Münster
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Cut 16 Ulla Schmidt:
Im Moment, sagen Experten, sterben in Deutschland 4000 Frauen nach einer
Brustkrebserkrankung, die das nicht müssten, wenn wir eine bessere Vorsorge
hätten.
Sprecherin:
Die Gesundheitsministerin Ulla Schmidt pickt eine - ihr genehme -
Expertenmeinung heraus, um zu überzeugen. Diese Strategie erfreut sich bei
Politikern aller Parteien einer hohen Beliebtheit und ärgert viele
Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen, da diese sich gerade darum
bemühen, die Realität komplexer zu erfassen.
Zurück zu Frau Schmidt und ihrem großen Versprechen. Sie verschweigt die
internationale Kontroverse, ob und wenn ja, um wie viel die
Früherkennungsmammographie die Brustkrebssterblichkeit überhaupt senken
kann. Sie ignoriert die Probleme, die mit der Früherkennung verbunden sind.
Kein deutsches Phänomen, meint Gert Gigerenzer. Er analysierte Broschüren,
die Frauen zur Mammographie üblicherweise in die Hand gedrückt bekommen.
Seine Note: mangelhaft. Nachteile, wie häufige Verdachtsbefunde oder das
Aufspüren eines Tumors, der die Frau möglicherweise nie bedroht hätte,
werden dort fast immer verschwiegen. Doch wie sollen Frauen eine informierte
Entscheidung treffen, wenn ihnen systematisch Daten vorenthalten werden?
Cut 17 Gigerenzer:
Der Nutzen wird in solch einer Art und Weise dargestellt, dass ihn die
meisten Frauen nicht verstehen oder überschätzen. Typischerweise wird
gesagt, dass die Mammographie bei Frauen über 50 das Krebsrisiko um 25%
reduziert. Da denkt man, das ist viel. Diese 25% sind aber genau das, was
Sie vorhin mit 1:1 000 bezeichnet haben, nämlich wenn Sie 1 000 Frauen
haben, werden 4 davon an Krebs sterben, wenn sie keine
Mammographie-Reihenuntersuchung machen. Von 1 000 Frauen, die diese
Untersuchung machen, werden 3 sterben. Der Unterschied von 4 nach 3 ist 25%.
Das ist aber nur eine von 1000. Tatsächlich ist es nur 0,1%. Sie sehen also
wieder, wie man mit den Zahlen spielen kann.
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