Desperate Hausfrauen
Desperate Hausfrauen
MATTHIAS HORX: ZUKUNFT PASSIERT (Die Presse) 16.04.2005
Frauen werden in Zukunft weniger daheim als im Beruf Gas geben.
Haben Sie sie auch schon gesehen, die neue Kult-Serie mit Gabrielle, Susan, Bree und Lynette, die sich in der "Wisteria Lane" mit Antidepressiva über Wasser halten und den Gärtner vernaschen? Nein? Tun Sie's. Natürlich ist die TV-Serie "Deperate Housewives" genau so daneben wie "Sex and the City", jenes Opus, bei dem es immer nur um das EINE ging: Den richtigen Mann zu finden! Der musste A) eine Menge Geld und Charme haben. B) (das war neu): Er musste SEHR GUT aussehen. C) sollten die Herren der Schöpfung ein hochkooperatives Verhalten an den Tag legen, dass darauf hinwies, dass sie eines Tages auch nachts Babys wickeln konnten . . .
So bizarr überzogen "Sex and the City" das Frau-Mann-Universum darstellte, so WAHR ist doch die Kernaussage: In der modernen Gesellschaft wählen die Frauen gnadenlos die ungebildeten, irgendwie unpassenden Männer von der Liste der möglichen Reproduktionspartner ab. Sie können sich das leisten, weil sie über mehr als 50 Prozent der Bildung und damit über ein eigenes Einkommen verfügen (wenn sie wollen). 80 Prozent aller Single-Männer zwischen 30 und 50 sind UNFREIWILLIG allein, weil sie auf den weiblichen Radarschirmen gar nicht vorkommen. Der Rest ist so selten, dass das Einloggen bei der Online-Partnervermittlung Parship bald so verbreitet ist wie Einkaufen bei Billa.
Also gut. Mödling ist nicht Long Island. Und doch haben wir, hat das ganze abendländische Universum, ein "Hausfrauenproblem". Der alte Geschlechter-Kontrakt zerbricht. In Neuseeland, Finnland, Island, selbst im katholischen Irland absolvieren junge Frauen heute zu bald 80 Prozent die Matura, zu 60 Prozent ein Studium (in Österreich sind es erst 30 Prozent, Tendenz steil steigend). Dass heißt, dass die Ladies in Zukunft im Berufsleben Gas geben werden. In Island, Finnland und Down Under geht das, weil Kultur und Gesellschaft darauf eingestellt sind. Aber in Mödling oder Bad Tatzmannsdorf?
Den vielen Hausfrauen, die jetzt zum Stift greifen, um wütende Leserbriefe an "Die Presse" zu schreiben und meine Entlassung zu fordern, sei gesagt: Es geht gar nicht um euch. Natürlich kann man seinen Lebenssinn im Hausfrausein finden (im Hausmannsein übrigens auch; ich kenne welche). Man muss diese Lebensweise auch aufwerten (in England heißt das jetzt "Domestic Godessing", Heimische Göttin). Aber eure Töchter? Wollt ihr wirklich, dass eure Töchter, die ihr unter mütterlicher Dauerliebe zu einem guten Schulabschluss gebracht habt, Jahrzehnte nur Fernsehserien auf Pro7 sehen und den kleinen Martin den ganzen Tag bemuttern?
Nach allem, was wir aus der Sozialforschung wissen, tut das dem kleinen Martin niemals gut. Zudem haben die meisten jungen Frauen heute einen ganz anderen Lebensentwurf. Der geht grausam in die Brüche, wenn das erste Kind kommt. Daraus entsteht viel Frust, Depression, Geschlechter-Zorn, Scheidungstragik, Verachtung. Ein Zukunftsproblem, ein riesengroßes. Nicht nur in der Wisteria Lane. Auch in Mödling und Tatzmannsdorf.
Matthias Horx ist Trend- und Zukunftsforscher.
Quelle: http://www.diepresse.com/Artikel.aspx?channel=m&ressort=q&id=476761