Wieviel «Gleichberechtigung» verträgt das Land?

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Popmusik-Industrie und Feminismus

Lars, Thursday, 11.12.2003, 15:21 (vor 8033 Tagen)

Im "Rolling-Stone"-Magazin gab es vor kurzem ein Spezial zum Thema "Women in Rock-Music", mit Kurz-Interviews mit allen derzeit prominenten weiblichen Pop&Rock-Sängerinnen. Ich war ziemlich überrascht, dort zu lesen, daß praktisch alle dieser Sängerinnen - ebenso wie das "Rolling-Stone"-Magazin selbst - das ganze Frauen-und-Gender-Gedöns immer noch für brandaktuell halten. Jedes Kurzinterview enthielt ein, zwei Fragen in genau diese Richtung, und dann kamen immer genau diese Kritikpunkte:

- Es ist viiieeel schwieriger als Frau, wirklich nur Musikerin zu sein und nicht über die Sex-Schiene vermarktet zu werden. (Und was ist mit den BoyGroup-Aufziehmännchen oder Robbie Williams? Oder was war früher mit Jim Morrisson oder noch früher mit Elvis the Pelvis?)

- Frauen werden auch viel weniger im Radio oder im Fernsehen gebracht. (Hä? Gucken die denn kein MTV?)

- Es gibt zwar mittlerweile auch Frauen in den Chefetagen der Musikindustrie, aber ínsgesamt sei das ganze immer noch ein "Männer-Club". (Ja klar, und die Playboys haben bei der aktuellen Krise ihrer Branche keine anderen Sorgen, als wie sie gemeinsam das Nachrücken von Frauen auf freiwerdende Stellen verhindern können!)

Also: Von wegen "Backlash"! Vielmehr gibt es mittlerweile in der Popmusik-Industrie ein Netzwerk von Feministinnen der zweiten/dritten Generation, die ausloten, ob nicht vielleicht auch "Feminism sells".

Das ganze scheint übrigens ein eher US-amerikanisches Phänomen zu sein. Von den interviewten Sängerinnen bezeichnetete sich nur eine ausdrücklich als "not feminist": Die Kolumbianerin Shakira, die aus ihrem Heimatland weiß, was WIRKLICHE Probleme sind:

"Do you think that when you write, you write from a female perspective?

No. I write from my perspective. I'm not feminist. Maybe a few centuries ago, I would have been a feminist. But now I think women who don't fight for their place in society, I just think that they don't want it. It depends. There is a big difference between rich and poor, and that creates more oppressive circumstances for a woman, or for anyone, than simply the fact of being male or female by itself.

Yes. The differences are more between classes than even between races. Especially in Latin America. Where I come from, if you are born poor and without an important last name, then you will die poor. But here in New York, the people who are considered to be the richest men in the country, they could have come from zero. In Latin America, forget about it if you are not rich."

http://www.rollingstone.com/features/coverstory/featuregen.asp?pid=1257

Re: Popmusik-Industrie und Feminismus - - - - der Link

Lars, Thursday, 11.12.2003, 15:27 (vor 8033 Tagen) @ Lars

Als Antwort auf: Popmusik-Industrie und Feminismus von Lars am 11. Dezember 2003 13:21:53:

Im "Rolling-Stone"-Magazin gab es vor kurzem ein Spezial zum Thema "Women in Rock-Music", mit Kurz-Interviews mit allen derzeit prominenten weiblichen Pop&Rock-Sängerinnen. Ich war ziemlich überrascht, dort zu lesen, daß praktisch alle dieser Sängerinnen - ebenso wie das "Rolling-Stone"-Magazin selbst - das ganze Frauen-und-Gender-Gedöns immer noch für brandaktuell halten. Jedes Kurzinterview enthielt ein, zwei Fragen in genau diese Richtung, und dann kamen immer genau diese Kritikpunkte:
- Es ist viiieeel schwieriger als Frau, wirklich nur Musikerin zu sein und nicht über die Sex-Schiene vermarktet zu werden. (Und was ist mit den BoyGroup-Aufziehmännchen oder Robbie Williams? Oder was war früher mit Jim Morrisson oder noch früher mit Elvis the Pelvis?)
- Frauen werden auch viel weniger im Radio oder im Fernsehen gebracht. (Hä? Gucken die denn kein MTV?)
- Es gibt zwar mittlerweile auch Frauen in den Chefetagen der Musikindustrie, aber ínsgesamt sei das ganze immer noch ein "Männer-Club". (Ja klar, und die Playboys haben bei der aktuellen Krise ihrer Branche keine anderen Sorgen, als wie sie gemeinsam das Nachrücken von Frauen auf freiwerdende Stellen verhindern können!)
Also: Von wegen "Backlash"! Vielmehr gibt es mittlerweile in der Popmusik-Industrie ein Netzwerk von Feministinnen der zweiten/dritten Generation, die ausloten, ob nicht vielleicht auch "Feminism sells".
Das ganze scheint übrigens ein eher US-amerikanisches Phänomen zu sein. Von den interviewten Sängerinnen bezeichnetete sich nur eine ausdrücklich als "not feminist": Die Kolumbianerin Shakira, die aus ihrem Heimatland weiß, was WIRKLICHE Probleme sind:
"Do you think that when you write, you write from a female perspective?
No. I write from my perspective. I'm not feminist. Maybe a few centuries ago, I would have been a feminist. But now I think women who don't fight for their place in society, I just think that they don't want it. It depends. There is a big difference between rich and poor, and that creates more oppressive circumstances for a woman, or for anyone, than simply the fact of being male or female by itself.
Yes. The differences are more between classes than even between races. Especially in Latin America. Where I come from, if you are born poor and without an important last name, then you will die poor. But here in New York, the people who are considered to be the richest men in the country, they could have come from zero. In Latin America, forget about it if you are not rich."
http://www.rollingstone.com/features/coverstory/featuregen.asp?pid=1257

Die "Rolling-Stone"-Interviews zum Thema "Women in Rockmusic"

Re: Popmusik-Industrie und Feminismus

Odin, Thursday, 11.12.2003, 16:23 (vor 8033 Tagen) @ Lars

Als Antwort auf: Popmusik-Industrie und Feminismus von Lars am 11. Dezember 2003 13:21:53:

"Do you think that when you write, you write from a female perspective?
No. I write from my perspective. I'm not feminist. Maybe a few centuries ago, I would have been a feminist. But now I think women who don't fight for their place in society, I just think that they don't want it. It depends. There is a big difference between rich and poor, and that creates more oppressive circumstances for a woman, or for anyone, than simply the fact of being male or female by itself.
Yes. The differences are more between classes than even between races. Especially in Latin America. Where I come from, if you are born poor and without an important last name, then you will die poor. But here in New York, the people who are considered to be the richest men in the country, they could have come from zero. In Latin America, forget about it if you are not rich."

Die Dame denkt ja richtig mit! Alles auf die Frau/Mann-Schiene zu heben ist grundfalsch - ob in Deutschland oder in Amerika, überall auf der Welt. Die Schiene arm/reich ist viel bedeutender und schafft wirklich die großen Unterschiede in dieser Welt. Kaum mehr wird darüber gesprochen, welche Chancen Kinder aus armen Familien in der Ausbildung oder auf dem Arbeitsmarkt haben. Ob Junge oder ob Mädchen ist das entscheidende Kriterium. Seltsam ist, daß gerade die politischen Parteien, die da am ehesten sensibilisiert sein müßten - nämlich die Linken - hier am blindesten scheinen (scheinen!)

Re: Popmusik-Industrie und Feminismus

Garfield, Thursday, 11.12.2003, 17:02 (vor 8033 Tagen) @ Odin

Als Antwort auf: Re: Popmusik-Industrie und Feminismus von Odin am 11. Dezember 2003 14:23:02:

Hallo Odin!

Ich denke, genau das ist der Grund, wieso Tussen wie Alice Schwarzer, die nie irgendetwas Sinnvolles geleistet und auch niemals etwas zum Guten bewegt haben, so von Politikern und Medien hofiert werden. Solche Leute schaden dem etablierten System nicht und tragen dazu bei, die Menschen von den wirklichen Problemen im Lande abzulenken.

Deshalb bauchpinselt man sie, wo man nur kann, und hängt ihnen zuweilen sogar auch ganz ohne besondere Verdienste das Bundesverdienstkreuz um.

Dabei muß man bedenken, daß politische Parteien im Allgemeinen immer auch Geld in verschiedene, angeblich unabhängige Medien investiert haben und diese Medien so kontrollieren. Und bevor man dann zuläßt, daß mal jemand im Fernsehen auftreten darf, der mal Probleme wie Korruption und Mißwirtschaft anspricht, und zwar ohne so etwas als Ausnahme darzustellen, holt man doch lieber irgendeine abgedrehte Radikalfeministin. Die schadet dem System nicht, aber ihre wilden Behauptungen sind trotzdem schön kontrovers und ziehen so die gewünschte Aufmerksamkeit für den nächsten Werbeblock auf den jeweiligen Sender, weshalb dann das Management auch nichts dagegen einzuwenden hat.

Daß gerade linke Parteien sich dabei noch besonders hevortun, ist ganz klar und logisch. Es gibt ja in Deutschland keine wichtige Partei mehr, die wirklich links ist. Es gibt aber einige Parteien, die als links gelten und deshalb auf linksorientierte Wähler Rücksicht nehmen müssen. Um die nun davon abzulenken, daß auch angeblich linke Parteien fleißig für die Interessen ihrer Geldgeber aus der Wirtschaft arbeiten, letztendlich also auch nur Politik von Reichen für Reiche machen, braucht man Betätigungsfelder, die einerseits viele linksorientierte Wähler für wichtig halten, die andererseits aber nicht dazu geeignet sind, Konflikte mit den Geldgebern aus der Wirtschaft zu produzieren. Da eignet sich "Frauenförderung" ganz prima.

Damit kann man immer noch genügend linke Gutmenschen an der Nase herumführen und ihnen vorgaukeln, daß vorgeblich linke Parteien doch immer noch Politik für das Volk machen würden.

Freundliche Grüße
von Garfield

Re: Popmusik-Industrie und Feminismus

Lars, Thursday, 11.12.2003, 19:12 (vor 8033 Tagen) @ Garfield

Als Antwort auf: Re: Popmusik-Industrie und Feminismus von Garfield am 11. Dezember 2003 15:02:21:

Hallo Garfield und Odin,

das mit den pseudo-linken Parteien sehe ich genauso. Allerdings finde ich an der ganzen Sache noch was anderes interessant: Die neue feministische Welle in der Popmusik steht in einem auffallenden Kontrast zur Nachrangigkeit der "Frauenthemen" in der heutigen Tagespolitik (die meisten Femi-Pläne werden ja doch eher von bereits betagten Quotenfrau-Bürokratinnen so durchgemauschelt, eben weil die politisch interessierte Öffentlichkeit mit anderen Themen befasst ist). Dies deutet doch darauf, dass es den allermeisten Frauen beim Feminismus "der zweiten/dritten Generation" im Grunde nicht (mehr) um handfeste politische Anliegen geht - dass sie also selber keine KONKRETEN Benachteiligungen mehr finden können! -, sondern im Grunde nur um so´n "Identitäts-Ding".

Die durchschnittliche Jungfeministin von heute ist keine politisch intereressierte Frau mehr, sondern eine gelangweilte Germanistik-Studentin aus gutem Hause, die Gefallen daran gefunden hat, den ganzen Tag über ihre sexuelle Identität und die Beziehungsunfähigkeit ihrer Ex-Partner nachzugrübeln. Und der Soundtrack zu dieser narzißtischen Pose wird ihr von MTV geliefert. *g*

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